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„Klimarettung: Schaffen wir das noch?“

Das österreichische Nachrichtenmagazin profil stellt in seiner neuesten Titelgeschichte die Frage, ob „wir“ die Klimarettung noch schaffen. (Mit „wir“ ist hier wohl die Menschheit in ihrer Gesamtheit gemeint.)

Das profil kommt zu einer sehr skeptischen, eher pessimistischen Antwort.

Der österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen, ein ehemaliger Bundessprecher der österreichischen Grünen, kommt bei seinen Eröffnungsansprachen zu den Salzburger bzw. Bregenzer Festspielen zu durchaus nicht so pessimistischen Antworten. van der Bellen eröffnet da nicht nur Festspiele: Er spricht da auch über die Klimakrise. Man müsse über die Klimaerwärmung sprechen: jeder Anlass sei dafür geeignet. van der Bellen meint, die Menschheit könne das schaffen und er sehe sogar Anzeichen dafür. Bereits Banken und Versicherungen ziehen die Folgen der Klimaerhitzung in ihren langfristigen Verträgen in Erwägung und machen damit Politik fürs Klima, die in Geld formuliert werden kann.

Klimaziele, Weltklimarat

Die Menschheit hat auf der 21. UN-Klimakonferenz ein 1,5-Grad-Ziel definiert. Der „Weltklimarat“ dokumentiert die Verfolgung und Erreichbarkeit der Ziele. Er kommt zu sehr pessimistischen Schlüssen und vermutet, dass wir das 1,5-Grad-Ziel sehr wahrscheinlich nicht erreichen werden.

Schlüsse?

Auch ich bin der Meinung, dass die definierten Klimaziele alle nicht erreichbar sind. Zu groß sind die individuellen Egoismen, die alle menschlichen Gesellschaften durchziehen. Ich soll nicht mit dem Auto fahren? Aber der Nachbar fährt doch auch. Ich soll nicht mit dem Flugzeug fliegen? Aber die Nachbarn machen es doch vor. Ich soll weniger Fleisch essen? Alle essen Fleisch.

Ich bin mir da sogar sicher. Aber ich traue mich kaum, das zuzugeben. Denn würde das den Bemühungen gegen die Klimaerhitzung in den Rücken fallen?

Was heißt, dass wir die Klimaziele nicht erreichen werden?

Das heißt, dass wir die mittelfristige Zerstörung der Lebensgrundlagen in Kauf nehmen. Landstriche vertrocknen: Gemüseanbau ist viel weniger ertragreich: Die Preise steigen. Die Preise für Fleisch werden steigen. Die Preise für Trinkwasser werden explodieren. (Schon jetzt muss man Bergtäler in den Alpen durch Tankwagen mit Trinkwasser versorgen, weil keine Gletscher mehr da sind, die Trinkwasser speichern.) Der Meeresspiegel wird steigen: in Bangla Desh und in Ostasien und in vielen anderen Küstengebieten, auch in den Niederlanden wird Lebensraum für Millionen Menschen verloren gehen. Millionen Menschen müssen sich damit ein neues Zuhause suchen und werden keines finden. Es wird zu massiven, in ihrem Ausmaß nie gekannten Fluchtbewegungen kommen. Kriege um Land und Wasser werden stattfinden: globalisierte Kriege, wahre Weltkriege.

Wir werden die Klimaziele nicht erreichen. Damit nehmen wir in Kauf, dass die Menschheit Lebensgrundlagen verliert. Die nächste Generation wird das zu spüren bekommen – in Form von Unwetterkatastrophen, Erdrutschen, Überschwemmungen, explodierenden Preisen für Lebensmittel und Trinkwasser, Massenflucht; und in Form von Kriegen. Ich bin bald 65: ich habe die Chance, manches davon nicht mehr erleben zu müssen.

Sollen wir aufgeben?

Wenn wir einsehen, dass wir die Klimaziele nicht erreichen: sollen wir dann aufgeben? Ist der CO2-Ausstoß dann eh egal? Nein, natürlich nicht. Wenn wir die Klimaziele erreichen würden, käme es auch zu den genannten Katastrophen: aber halt weniger oft und weniger gravierend. Wenn wir so weiter wirtschaften wie bisher – also nach der Corona-Krise „zum Leben davor“ zurückkehren, werden uns die Katastrophen massiver, schneller und härter treffen. Wir haben die Wahl über das Ausmaß der Zerstörung, die wir produzieren.

Es geht nicht primär darum, die Klimaziele zu erfüllen oder nicht. Die Klimaziele sind nur Orientierungspunkte. Es geht darum, in welchem Ausmaß wir unsere Lebensgrundlagen beschädigen und zerstören. Es geht nicht um 0 oder 1: Klimarettung ja oder nein. Insofern stellt das profil die Frage plakativ falsch. Es geht darum, wie viel an Leben noch möglich und lebenswert sein wird. 1,5 Grad Erderwärmung ist ein Ziel; 1,3 Grad wäre wesentlich besser. 0,5 Grad wäre noch viel besser. 2 Grad ist ein mieser Kompromiss der Gegenwart auf Kosten der Zukunft.

Der Planet wird wieder ins Gleichgewicht kommen: das ist ganz sicher. Allenfalls nach Aussterben unserer Spezies, die in Summe zu dumm ist, um ein vernetztes System wie den Planeten vor Milliarden Egoismen zu schützen.


Wir können „homo sapiens“ – wie im vielfach erzählten Witz – als Krankheit des Planeten sehen. Der Planet wird das überleben. Wäre das Virus „homo sapiens“ klug genug, würde es seinen Wirten nicht zerstören und könnte dann selbst überleben. Corona ist in seiner Funktionsweise vermutlich intelligenter als homo sapiens.


Ich habe vor Kurzem einen Menschen getroffen, der mit seinem Innsbrucker Auto zu einem Innsbrucker Bauern gefahren ist, um dort beim Automaten Milch zu zapfen. Er ist ausgestiegen und hat den Motor laufen lassen. Der Wagen ist gestanden, der Motor ist gelaufen.
Ich habe den Mann dann gefragt, ob er schon von CO2-Ausstoß gehört habe. Nein, habe er nicht. Ich hab ihn dann noch gefragt, ob er schon von Klimaerwärmung gehört habe. Nein, habe er nicht.
Der Mann ist zu dumm. Er fährt mit dem Auto Milch holen: schon das ist falsch. Er lässt beim stehenden Auto den Motor laufen: eine grandiose Blödheit. Aber so sind wir als Menschheit.


Hat die Änderung individueller Gewohnheiten einen Sinn? Kann der einzelne autofahrende Milchholer verantwortlich gemacht werden? Ja. Natürlich. Es ist auch eine Aufgabe für Millionen einzelne. Aber wir müssen natürlich auch am politischen System sehr viel ändern. Wer Parteien wählt, die zu einer ökologischen Politik nicht bereit sind, ist ebenfalls dumm und gefährdet seine Zukunft und die seiner Kinder und Enkelkinder (aber auch meine und Ihre!).

So, wie wir unsere Macht als Wähler*innen nützen müssen, müssen wir unsere Macht als Konsument*innen nützen und nicht mehr dort kaufen, wo ökologische Standards keine Rolle spielen. Und wir müssen das Einhalten ökologischer Standards zur gesetzlichen Regelung machen.

Natürlich beginnen die Veränderungen im Privaten, aber sie dürfen dort nicht aufhören.

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4 Comments
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Jan Kees
Jan Kees
2 Jahre alt

Ist die Wissenschaft die neue Religion? Menschen mit Schuldgefuehle aufladen und damit Macht ausuben und riesige Gewinne machen? Siehe der Film von Michael Moore: The planet of the humans. Ich glaube alle diese computermodelle nicht, seit Jahrzehnte wird uns eine neue Eiszeit dann wieder Erwarmung, dann wieder abkuehlung prophezeit. Was ist die Ideale Welttemperatur? Das Klima hat sich immer veraendert und viele Wissenschaftler bezweiflen ob der Mensch ueberhaupt darin eine grosse Rolle spielt. Dabei kommt dass ein Teil der Wissenschaft sich als vollig korrupt bewiesen hat. Finanziel abhangig von Foundations {Gates, Rockefeller,Soros u.s.w.] kann man von dem alles moegliche erwarten.… Mehr »

Whisker
Whisker
2 Jahre alt

@Jan Kees:
Zu der Behauptung, Wissenschaft wäre „die neue Religion“ fällt mir oft ein Cartoon ein, der sehr gut und präzise auf den Punkt bringt, warum das schlicht und einfach nicht stimmt (der Cartoon bezieht sich eigentlich auf den Gegensatz zwischen Wissenschaften und Kreationismus, läßt sich aber problemlos auf Religion per se erweitern):
comment image

Denn genau darin unterscheiden sich Wissenschaften und Religionen:

  • Wissenschaften sammeln zuerst Daten und schauen dann, welche Erkenntnisse man daraus ableiten kann,
  • Religionen hingegen machen es genau umgekehrt: die behaupten zuerst etwas und suchen sich (wenn überhaupt) erst dann selektiv nur die Daten heraus, die ihre Behauptungen (angeblich) stützen und ignorieren alles, was diesen Behauptungen widerspricht.

D.h. Wissenschaften als „neue Religion“ zu bezeichnen, ist nichts anderes eine Diffamierung (sei es aus Unwissenheit oder aus Absicht) der Wissenschaften nach dem Motto „die sind ja auch um nix besser“, denn:

Nein, Wissenschaften sind eben keine Religion, weil sie nicht auf Behauptungen basieren, die geglaubt werden müssen – sondern auf Aussagen die man überprüfen kann und die erst dann als gesichert gelten, wenn sie überprüft worden sind, und zwar mehrmals durch z.B. Peer Review.

Last edited 2 Jahre alt by Whisker
m.b.
m.b.
2 Jahre alt
Reply to  Jan Kees

Nachtrag: Es geht mir auch nicht um Schuldgefühle; es geht mir um Verantwortlichkeiten (gegenüber der nächsten Generation) und ihre Wahrnehmung.
m.b.

trackback

[…] der Nachbarschaft. (Ja, man kann in Innsbruck rund um die Uhr Milch von lokalen Bauern beziehen.) Mir ist passiert, dass ich beim Befüllen meiner Milchflasche ein Auto mit Innsbrucker Kennzeichen bemerkte (ein […]