Veröffentlicht in allgemein, Bildung, Politik

100 Jahre Abendgymnasien

Beginn in Wien

Seit ca. 100 Jahren gibt es in Österreich „Abendgymnasien“: Schulen, an denen man eine Reifeprüfung ablegen kann und deren Unterricht – weil für Berufstätige gedacht – hauptsächlich an Abenden abgehalten wird. Am 27. November feierte das Abendgymnasium Wien sein 100-Jahr-Jubiläum; ich habe davon berichtet.

Das Abendgym Wien hat zu seinem Jubiläum eine beeindruckende Festbroschüre über die 100 Jahre vorgelegt: ich kann sie hier als Link zur Verfügung stellen. Die Abendgymnasien begannen als „Arbeitermittelschulen“; das waren Kurse bzw. Schulen, die mit Unterstützung der Arbeiterkammern und Gewerkschaften gegründet und geführt wurden. 1961 wurde die Republik Österreich Schulerhalterin der (nun) „Bundesstaatlichen Arbeitermittelschule Wien“; 1962 erfolgte im § 37 des Schulorganisationsgesetzes die offizielle Bezeichnung des Abendgymnasiums als „Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige“.

Ausweitung auf die Bundesländer

Schon seit 1928 besteht eine „Arbeitermittelschule“ in Linz; 1930 folgte Graz. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, im Herbst 1945, folgte das Abendgymnasium Innsbruck. Seit 1957 besteht ein Abendgymnasium Salzburg; seit 1970 eines in Klagenfurt; seit 1979 wird im Rahmen des Gymnasiums St. Martin in Villach ebenfalls ein Gymnasium für Berufstätige angeboten.

Lücken

Aber da tun sich auch Lücken auf. Es fehlen ein Abendgymnasium für Vorarlberg – ich halte das für eine bedenkliche Lücke in der österreichischen bzw. vorarlbergischen Bildungslandschaft. Es fehlt ein Abendgymnasium in Niederösterreich – oder besser zwei: eines im Norden, eines im Süden: Wien kann das unmöglich zur Gänze übernehmen. Und es fehlt eines im Burgenland: aber da können sich Interessierte aus dem Norden nach Wien und die aus dem Süden nach Graz orientieren.

Innovation

Die Abendgymnasien sind aus ihrer Geschichte als „Arbeitermittelschule“ bzw. als „Sonderform des Gymnasiums“ heraus immer wieder zur Innovation berufen gewesen. Eine der größten Innovationen sind die „Fernstudien“; es gibt sie seit ca. 25 Jahren, mit „Lernplattformen“, als es das Wort Lernplattform noch gar nicht gab. Damit kann der Kreis der Interessierten erheblich ausgeweitet werden. So versorgt das Abendgymnasium Innsbruck auch – trotz Arlberg! – immer wieder Studierende aus Vorarlberg, aber auch regelmäßig Interessierte aus Südtirol und aus Südbayern. Dabei sind diese Fernstudien als Fernstudien „mit Sozialphase“ konzipiert: die Hälfte des Unterrichts findet als Sozialphase in der Schule am Schulort statt, die andere Hälfte als „Individualphase“ in der zeitlichen und räumlichen Verantwortung der Studierenden. Für Vorarlberger Studierende am Abendgymnasium Innsbruck heißt das entweder Zwei-Tages-Pendeln nach Innsbruck oder Umziehen nach Tirol: eine nicht mehr zeitgemäße „Lösung“.

Eine andere Innovation ist seit etwa 12 Jahren die Modularisierung, die Auflösung der „Klassen“ im Zeichen der Individualisierung des Bildungsangebots. Die Modularisierung ermöglicht individuelle Geschwindigkeiten in verschiedenen Fächern; auch das ist ein ungeheurer Fortschritt. Menschen, die ein Abendgymnasium verwalten, wissen freilich, welche Ansprüche die Modularisierung an das Geschick und den Durch- und Überblick der Planenden stellt. Ganz einfach ist das oft nicht.

Darüber hinaus an den Standorten …

Über diese für alle Abendgymnasien geltenden Innovationen geschieht auch viel an den einzelnen Schulen. Oft werden Innovationen an einem Standort „geboren“ und setzen sich dann im Schultyp durch.

So haben wir am Abendgymnasium Innsbruck bei der allgemeinen Einführung des Fachs Ethik die Modularisierung zur Gründung gemeinsamer durchlässiger Studienverläufe in den Fächern Katholische Religion, Islamische Religion und Ethik genützt. Man lernt einander kennen; man ist im Austausch und kann für alle eine ethische Grundausbildung sicherstellen. Auch das ist ein Fortschritt, der alles andere als selbstverständlich ist.

In Innsbruck wurden außerdem Studieneingangsphasen konzipiert und Quereinsteiger-Pakete für Menschen, die in ein höheres Semester „quer einsteigen“ können und wollen. Es gibt eine „Betreute Lernzone“, in der Lehrpersonen anwesend sind, und eine unbetreute Lernzone für eigenständiges Lernen. In Zusammenarbeit mit dem Jugendcoaching wurde auch die Bildungsberatung auf eine breitere Basis gestellt. Dass die Innsbrucker Schule eine Erasmus-Akkreditierung erhalten hat, verwundert da nicht.

Und ich nehme an, dass das an den anderen Abendgymnasien ähnlich aussieht, aber ich verliere natürlich allmählich den Überblick.

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