Veröffentlicht in Bildung, Politik

Klima Corona Ökonomie Globalisierung

Wie das alles zusammenhängt. Ein unfertiger Artikel; der braucht noch Zeit und Diskussion

Wir haben viele Krisen: eine Klimakrise, eine Coronakrise. Viele empfinden die Globalisierung an sich als Krise; manche sehen in der globalisierten Ökonomie die Krise.

Ich sehe, dass das letztlich alles eine Krise ist – bzw. Ausdruck ein und derselben Krise.

1. Klima

Es ist mittlerweile völlig klar, dass es eine menschengemachte Klimakrise gibt. Wir verbrennen sehr viel Kohlenstoff zu CO2 und das führt als Treibhausgas zu einer Erwärmung – eigentlich einer Überhitzung des Planeten. Selbsverständlich hat es immer wieder Phasen der Aufheizung und der Abkühlung des Planeten gegeben; aber dass die momentane Phase der Erhitzung des Planeten menschengemacht ist, steht außer Zweifel.

Die Überhitzung des Planeten führt zum Abschmelzen der Polkappen, zu einem Anstieg des Meeresspiegels, damit zu großflächigen Verlusten an bebaubarem und bewohnbarem Land, zur (weiteren) Verarmung von Küstenländern usw. Sie führt (z.B. bei uns in Österreich) auch zum Abschmelzen von Gletschern und zum Verlust von Trinkwasser in alpinen Gebirgstälern.

Die Verbrennung von C zu CO2 geschieht durch den weltweiten motorisierten Verkehr – durch Autos, Flugzeuge, Frachtschiffe – und durch die weltweite Industrie. Wir pumpen Kohlenstoff, der seit Millionen Jahren in der Erde gespeichert ist, an die Oberfläche und verheizen ihn. Das führt zum Treibhausgas CO2. Das ist nicht das einzige Treibhausgas: noch deutlich aggressiver wirkt Methan, CH4. Auch das wird in einer globalen Wirtschaft massiv erzeugt.

Wie könnte man CO2 beseitigen? Durch Pflanzen, vor allem Bäume. Pflanzen nehmen CO2 aus der Luft auf und bauen den Kohlenstoff in ihre Strukturen ein (z.B. als Holz) und geben den Sauerstoff wieder ab. Man nennt den Vorgang Photosynthese. Man könnte die Klimaerwärmung also durch globalisierte Aufforstung bekämpfen. Wir tun das aber nicht, sondern machen genau das Gegenteil: wir holzen ab, im großen Stil. Im Amazonasgebiet, in Afrika, in Südostasien. Dadurch beschleunigen wir den Treibhauseffekt.

2. Corona

Durch die Abholzung schränken wir den Lebensraum von Tieren ein. Wildtiere kommen dadurch in immer näheren Kontakt mit dem Menschen; deshalb ist es kein Wunder, wenn Infektionen immer öfter vom Tierreich auf den Menschen überspringen. Das führt zu Epidemien und damit, in einer globalisierten Welt, natürlich auch zu Pandemien. Selbstverständlich. Die aktuelle Corona-Pandemie ist nur ein sehr aktuelles Beispiel dafür: entstanden vermutlich auf einem Markt mit Wildtieren in China und über die globalen Verkehrsströme schnell auf die ganze Erde übertragen.

Bakterielle Epidemien können wir mit Antibiotika noch halbwegs beherrschen – aber es ist bekannt, dass weltweit Bakterien gegen Antibiotika Resistenzen entwickeln. Gegen virale Epidemien haben wir kein Allheilmittel: wir können Impfungen und Medikamente entwickeln – aber Viren haben die „Aufgabe“, sich permanent zu verändern (zu „mutieren“). Wir wissen aus Grippeepidemien, dass es keinen definitiven, „endgültigen“ Impfstoff gegen Grippeviren gibt, dass es keinen absoluten Schutz gibt, dass es zwischen Viren einerseits und Medikamenten und Impfstoffen andrerseits eine Art Rüstungswettlauf gibt. So sehen wir das auch jetzt schon bei Sars-CoV-2. (Es ist nicht bekannt, wie sehr eine Impfung schützt und ob Geimpfte Infektionen weitergeben können.) Die Hoffnung auf die Impfung war übergroß; die Mutationen bremsen diese Hoffnung auf ein realistisches Maß ein. Wir werden uns an Corona gewöhnen müssen; und Corona wird nicht die letzte Pandemie sein. (Es ist auch nicht die erste der letzten 20 Jahre: Schweinegrippe, Vogelgrippe, MERS, SARS … sie waren alle nur etwas harmloser für den Menschen als Sars-CoV-2 bzw. Covid-19, das meistens harmlos verläuft, aber halt oft auch sehr unangenehme Spätfolgen hat und manchmal auch tödlich ist.)

2.1. Weitere Krankheiten

Wir Menschen machen also eine Klimaerwärmung; mit denselben Strategien erzeugen wir auch Krankheiten, die aus dem Tierreich überspringen („Zoonosen“).

Außerdem führt die von uns erzeugte Klimaerwärmung natürlich noch dazu, dass sich Krankheiten, die „im (globalen) Süden“ bereits bestehen – Malaria, Ebola u.v.a.m. – nach Norden ausbreiten, begünstigt auch durch die globale Mobilität. Wir werden in Europa also nicht nur mit Corona und anderen grippeähnlichen Krankheiten konfrontiert bleiben, sondern in Zukunft auch Krankheiten begegnen, die wir heute schon aus Afrika und Südamerika kennen.

3. Ökonomie

Industrie und Handel sind weltweit geworden; es ist ein einziges Wirtschaftssystem übrig geblieben: ein globaler Kapitalismus, der von Staaten nicht mehr wirklich kontrolliert werden kann. (Insofern ist die Gründung der EU als überstaalicher Verband an sich vernünftig. Im Verfahren selbst sind aber gravierende Fehler passiert.)

Wirtschaft entsteht aus dem Zusammenwirken von Kapital und Arbeit: globalisiert agiert derzeit nur das Kapital; es gibt keine globalisierte Sozialpolitik, Gesundheitspolitik, Bildungspolitik, dagegen aber eine in Sekundenbruchteilen funktionierende globale Finanzwirtschaft.

Das verstärkt seit Jahrhunderten bestehende weltweite Ungerechtigkeiten; diese führen zu weltweiten Migrationsbewegungen. Die Ungerechtigkeiten bemerkt man z.B. auch bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie, wenn sich die EU und die USA in kürzester Zeit den wesentlichen Anteil an Impfstoffen sichern und für Südamerika und Afrika nur wenig übrig lassen. Das aber ist ein gravierender Fehler, denn dann wird das Virus dort überleben und weitere, und zwar stabilere und aggressivere Mutationen erzeugen. Dass aggressive Mutanten derzeit aus Südafrika und Brasilien kommen, ist kein Zufall, sondern nur Vorbote. Schlagen könnte man das Virus ausschließlich durch globale Anstrengungen; die fordert die WHO auch ein, aber dem USA-EU-Egoismus ist das egal.

3.1. Tourismus

Teil der globalisierten Ökonomie ist ein globalisierter Tourismus. Der globalisierte Massentourismus ist eine Hauptursache der Klimaerwärmung, weil er massiv globalisierten Verkehr erzeugt. Gleichzeitig werden für den globalisierten Massentourismus auch Wälder abgeholzt, was den Treibhauseffekt ebenfalls anheizt. Der globalisierte Massentourismus ist andererseits auch ein Faktor, der aus lokal-regionalen Epidemien Pandemien macht, indem er die Keime rasend schnell weltweit verbreitet.

Warum ist Österreich sehr stark von der Zweiten Corona-Welle betroffen? Weil Österreich stark vom Tourismus abhängt. Österreich hat jahrzehntelang stark auf den Tourismus gesetzt: das rächt sich jetzt. Eine Wirtschaft, die auf globalisierten Massentourismus baut, ist in einer viralen Pandemie äußerst verwundbar. Österreich hat die erste Welle halbwegs gut überstanden, weil sie zeitlich mit dem Auslaufen der Wintersaison zusammenfiel. Der Sommertourismus ist in Österreich nicht so bedeutend; wir haben das Abflauen der Pandemie im Sommer deshalb verschlafen und sind mit dem Beginn der Wintersaison massiv in die Zweite Welle geraten. So sieht es jetzt auch aus.

Schifahren allein macht nicht krank; Schilauf ist nicht das Problem. Aber ein Winterurlaub, wie ihn Österreich konzipiert und betreibt, besteht eben vor allem auch aus Apres-Ski. Und das ist reines Gift. Touristen gemeinsam in engen Gondeln, in dichten Trauben beim Anstellen – und dann am Abend beim gemeinsamen Saufen und Jodeln: das ist das Problem. Sogenannte „Schilehrerausbildungen“ als Tarnungen für an sich verbotenen Tourismus sind nur eine geradezu aberwitzige Ausprägung dessen, was manche in Tirol als „Lösung“ verstehen.

Vor allem betrifft das Tirol; denn Tirol ist das Zentrum des winterlichen Massentourismus in Österreich. Insofern ist auch nicht die jetzige Landesregierung „schuld“ an der extremen Rolle, die Tirol in der Pandemie immer wieder spielt. Nein, man hätte (spätestens!) seit dem Wahrnehmen der Klimaerwärmung dafür sorgen müssen, dass Tirol auch andere Wirtschaftszweige ausbaut und sich damit weitere wirtschaftliche Stand- und Spielbeine sichert.

Wie hat Tirol auf die Klimaerwärmung reagiert? Durch Beschneiungsanlagen, um den Wintermassentourismus noch länger über Wasser zu halten. Man hat versucht, den Wintertourismus gegen die globale Tendenz am Leben zu halten, statt sich um Alternativen zu kümmern – und das nun seit Jahrzehnten. Die jetzige Landesregierung badet unter Corona die Fehler von Generationen aus; und natürlich ist es schwierig (nein: unmöglich), jahrzehntelange Versäumnisse in kurzer Zeit zu reparieren. Dass dazu dann noch andere elementare Fehler passieren, ist in der Tiroler Tradition kein Wunder.

3.2. Ernährung; Fleisch

Gibt es noch einen anderen wesentlichen Teilaspekt der globalen Wirtschaft, der zur Krise beiträgt? Ich glaube ja. Es geht um Ernährung; es geht um Fleisch.

Es gibt einen globalisierten Fleischmarkt; seine andere Seite ist eine globalisierte Milchwirtschaft. Jede Milchkuh hat ein Kalb gemacht; ohne Kalb keine Milch. Die weltweite Fleischindustrie ist als Tierhaltung objektiv unmenschlich und sie erzeugt Massen von Methan, das „andere“ Treibhausgas. Für die Versorgung riesiger Bevölkerungsmassen mit billigem Fleisch werden Regenwälder abgeholzt. Wir könnten die gesamte Menschheit locker ernähren, wenn wir auf „billiges“, industriell produziertes Fleisch verzichten. Das wäre dann allerdings eine im Großen und Ganzen vegane Ernährung: Fleisch und Milchprodukte als seltene Ausnahmen.

Es muss uns klar sein, dass Fleisch nicht billig sein kann, wenn es aus einer humanen Landwirtschaft kommen soll. Das gilt dann aber auch für Milch und Milchprodukte. Wir zahlen in Europa und den USA ungerechtfertigt niedrige Preise für Milchprodukte und Fleisch; das heißt aber auch, dass man Einkommen und Löhne viel gerechter verteilen müsste, sonst sind Käse und Fleisch schlagartig etwas, das sich nur mehr wenige leisten können.

4. Das Problem

Nicht die Globalisierung ist das Problem: sie entsteht selbstverständlich und zwangsläufig auf einem Planeten, der klein genug ist, Kommunikation und Transport weltweit zu ermöglichen. Durch die globalisierte Wirtschaft ist allerdings eine globale Klimakrise entstanden; durch die globalisierte Wirtschaft entstehen auch globale Krankheiten.

Die Coronakrise wird einerseits durch eine globale Wirtschaft hervorgerufen und verbreitet und sie wird durch die Klimaerwärmung begünstigt; andrerseits hätte die Coronakrise ein gewisses Potenzial, die Klimaerwärmung einzubremsen: durch die Reduktion von globalem Verkehr, globalem Handel, globalem Tourismus. Dieses Potenzial müsste man nutzen – als ersten Schritt von vielen.

Wir müssen allerdings die Globalisierung der Konzerne durch eine Globalisierung „von unten“ ergänzen.

5. Was wäre zu tun?

  • Eine globalisierte Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik. Das ist auch die Grundlage für die Eindämmung von Flüchtlingsströmen. Nicht die Flüchtlinge sind das Problem, sondern die Zustände in weiten Teilen des Planeten, die Menschen zur Flucht zwingen.
  • Eine radikaler, weltweiter Ausstieg aus Verbrennungsmotoren durch extreme Besteuerung fossiler Treibstoffe. Kostenwahrheit im Verkehr, sowohl für Autos, Flugzeuge und Frachtschiffe
  • Ein Rückbau der Fleisch- und Milchindustrie auf ein erträgliches Maß zur Einhaltung wesentlicher Kriterien des Tierschutzes und zur Eindämmung von CH4-Ausstoß
  • Großflächige weltweite Wiederaufforstung; in Österreich heißt das auch: Rückbau von Schigebieten, Abkehr vom Wintertourismus der letzten Jahrzehnte
  • Regionalisiertes, dezentral denkendes Wirtschaften als Ergänzung zu globalisiertem Wirtschaften
  • erhebliche Steuern auf Finanztransaktionen weltweit

Lit.:

https://science.orf.at/stories/3204538/ … wie die Klimaerwärmung Coronaviren hilft

https://tvthek.orf.at/profile/Additional-Content/1670/Grafik-der-Woche-Tirols-Anteil-an-Oesterreichs-Tourismus … Tirols Anteil am Tourismus

(Ersatzlink:

)

https://www.spiegel.de/gesundheit/pathologie-mehrheit-der-opfer-stirbt-an-corona-nicht-mit-corona-a-0e69d82e-a56b-439e-8aaa-45a1d3a5cf25?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE … an corona sterben statt mit corona sterben

https://www.spiegel.de/wirtschaft/corona-krise-warum-oesterreichs-wirtschaft-einbricht-a-039d6c9f-44e9-4699-9c86-c9d04cd5474e … Warum Österreichs Wirtschaft einbricht; dazu z.B. auch: https://www.derstandard.at/story/2000123812237/oesterreich-erleidet-staerksten-wirtschaftseinbruch-in-der-eu

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[…] Bürkle, Michael (2021): Klima Corona Ökonomie Globalisierung. Diskussion […]

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[…] Bürkle, Michael (2021): Klima Corona Ökonomie Globalisierung. […]

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[…] weniger als ein radikaler Umbau der globalen Ökonomie. Hier und jetzt, aber auch dort und […]

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[…] teile Frau Thunbergs Befunde nicht erst seit heute: s. u.a. „Klima Corona Ökonomie Globalisierung vom […]

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[…] habe vor etwa einem Jahr in einem Artikel unter dem Thema „Klima Corona Ökonomie Globalisierung“ versucht, die Krisen unseres Zeitalters – Pandemie, Klimakrise, Ausbeutung, Hunger, […]

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[…] tun und bewirken kann. Ich würde aus diesem Schiff wirklich sehr gern aussteigen: aus diesem globalen, neoliberalen Kapitalismus, der die Klimakatastrophe, Landverlust, Pandemien, Kriege um Was…. (Ja, ich wäre bereit, die Kosten für den Ausstieg auf mich zu nehmen: einen weit höheren Preis […]

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[…] Klima Corona Ökonomie Globalisierung – ein Beitrag in meinem Blog am […]

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[…] Die Vielzahl der Krisen – Klimakrise, Wirtschaftskrise, Pandemie, usw. usf. – lässt sich zum größten Teil relativ leicht als Ergebnis einer Krise lesen: die heißt globaler Spätkapitalismus, oder Neoliberalismus, oder … Ich habe das hier im Blog schon öfter dargestellt. […]