michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

der gebetsraum incl. sanitäranlage

am 23.9. erreicht mich um 12:41 ein mail:

– – –

[Vorname Familienname]
Herr Bürkle !

Ich ersuche um Hilfe wegen folgendes : Ich brauche eine saubere , ruhige und einzig alleine für mich bestimmte Räumlichkeit , wo ich während meiner Anwesenheit in der Schule in Ruhe beten kann. Ich brauche auch ein Waschbecken , weil ich vorhin Hände , Füße , Arme , etc… waschen muss.

Wie können Sie sich mir dabei behilflich sein ? Ich werde Ihnen sehr dankbar dafür.

Mit freundlichen Grüßen
[Familienname]

– – –

einiges ist seltsam an der sache. herr F. nennt kein glaubensbekenntnis, in dessen rahmen die gebete stattfinden sollen; er selbst ist auch ohne bekenntnis eingetragen und hat auch keine religionsmodule belegt. es geht also um keine konkrete religion, im besonderen nicht um den islam. ich kann natürlich keine gebetsräume anbieten, insbesondere nicht in verbindung mit sanitären anlagen, insbesondere schon gar nicht einen raum für eine einzige person („einzig alleine für mich bestimmte“).

ich sehe eine überforderung der schule und antworte um 13:02:

– – –

Sehr geehrter Herr [F.],
ich kann Ihnen hier leider nicht helfen. Wir sind eine staatliche Schule und verfügen über keinerlei Gebetsräume, weder für Personen christlichen, moslemischen, buddhistischen oder irgendeines anderen staatlich anerkannten oder nicht anerkannten Bekenntnisses. Auch entsprechende sanitäre Anlagen stehen leider nicht zur Verfügung.
Religionsausübung ist aus der Sicht des österreichischen Staates in wesentlichen Zügen eine Angelegenheit des Privatbereichs. Dementsprechend stattet die Republik Österreich ihre öffentlichen Gebäude aus bzw. eben auch nicht aus.
Mit freundlichen Grüßen
michael bürkle

– – –

seither habe ich in dieser angelegenheit nichts mehr gehört.

ich weiß, dass der wunsch nach gebetsräumen ab und zu kommt, auch schon mit unterschriftenliste. man sieht aber am mail, dass die sache leicht über alle grenzen geht, die uns gesetzt sind. aus dem gebetsraum (für jede religion einen?, für jede staatlich anerkannte religion, die das fordert, einen?) entstehen leicht die notwendigkeit für sanitäre anlagen und letztlich unerfüllbare bedürfnisse.
ich denke, es bleibt uns als staatliche schule wirklich nur der verweis dieser forderungen auf den privatbereich.

wäre ein allgemein zugänglicher meditations- und ruheraum ein vernünftiger schritt, wenn klargestellt ist, dass er nicht einer bestimmten religionsgemeinschaft „gehört“? (sowieso könnten wir so etwas nur in verbindung mit der tagesschule konzipieren.)

grübelnd
m.


erschienen am 29.10.2015 in einem schulinternen diskussionsforum


Beitrag veröffentlicht

in

,

Kommentare

Eine Antwort zu „der gebetsraum incl. sanitäranlage“

  1. Avatar von Whisker
    Whisker

    > wäre ein allgemein zugänglicher meditations- und ruheraum ein vernünftiger schritt,
    > wenn klargestellt ist, dass er nicht einer bestimmten religionsgemeinschaft „gehört“?
    Also da würde ich ganz klar sagen: „Nein“.
    Religion ist ein reines „Privatvergnügen“, d.h. da hat sich jeder Mensch selbst darum zu kümmern, dass er sie so ausüben kann, wie er das gerne hätte. Ich denke, es ist definitiv nicht Aufgabe einer öffentlichen(!) Schule, Gebets-, Andachts- oder Meditationsräume zur Verfügung zu stellen. Denn nachdem ich Religion als Privatsache betrachte, ist es meiner Meinung nach auch nur das Problem eines gläubigen Mensch, sich darum zu kümmern, wie er seinen Glauben ausüben kann.

    Dazu fällt mir übrigens ein nettes Erlebnis ein, dass ich im Zug hatte, als ich noch in Bludenz wohnte:
    Ich war am Wochenende bei meinen Eltern in Tirol gewesen und fuhr mit dem Zug zurück nach Bludenz. Im Abteil (es waren alte Zuggarnituren mit Sechserabteilen) saß außer mir noch ein junger Mann, wir begannen zu plaudern und es entwickelte sich ein nettes Gespräch.

    Dann ging er aufs WC (für die rituelle Waschung, wie mir dann hinterher klar wurde), kam kurz darauf wieder zurück ins Abteil und bat mich, dass wir erst in ein paar Minuten weiter plaudern würden, holte er eine Art „Reisegebetsteppich“ aus seiner Tasche (eine kleine Matte aus Kunststoff, Größe in etwa DIN A4), legte ihn vor sich aufs Tischchen und begann, still und für sich zu beten.
    Etwa fünf Minuten später war er fertig, räumte seinen Gebets“teppich“ wieder weg, und wir plauderten freundlich weiter (unter anderem darüber, was der Islam für ihn bedeutet und wie ich zum Atheisten wurde).

    Mich hat das damals ein wenig berührt, wie er unter etwas „widrigen Umständen“ ganz pragmatisch einen Weg fand, sein Gebet zu verrichten, das ihm augenscheinlich wichtig war, und dass er das so unkompliziert machte.

    Okay, ich bin Atheist, halte Religionen allgemein für bloße Ansammlungen von Mythen und Märchen (die noch dazu oft von anderen älteren Religionen abgeschrieben sind), und finde verschiedene Aspekte von Religionen lächerlich bis schlicht gemeingefährlich.
    Aber wenn jemand seinen Glauben einfach nur für sich ausübt und dabei darauf achtet, niemanden anderen damit zu sehr zu behelligen, dann respektiere ich das und bemühe mich auch, diesem Menschen die ungestörte Ausübung seines Glaubens zu ermöglichen.
    Hätte er z.B. von mir verlangt, dass ich jetzt gefälligst für fünf Minuten aus dem Abteil zu verschwinden hätte, dann hätte ich ihm vermutlich zu verstehen gegeben, was er mich kann und dass er sich irgendwo anders einen Platz suchen soll. Stattdessen hat er mich freundlich gebeten, dass ich ihn einfach fünf Minuten lang sein Ding machen lasse, und deswegen ich sah keinen Grund, warum ich ihn daran hindern sollte.

    Weil eben jeder Mensch genauso das Recht hat, an etwas zu glauben, wie ich das Recht habe, das eben nicht zu tun. Und weil es schlichtweg unhöflich ist (und außerdem in keinster Weise produktiv), religiösen Menschen ohne einen Grund unter die Nase zu reiben, welch ahnungslose und ignorante Trottel sie doch wegen ihres Glaubens wären.
    Okay, das kann man denken und eventuell auch laut sagen, wenn sich jemand z.B. als „religiöser Egozentriker“ outet – also jemand denkt, aufgrund seines Glaubens keine Rücksicht auf andere nehmen zu müssen oder fordern zu dürfen, dass Menschen, die nicht demselben Glauben angehören, ebenfalls die Regeln des eigenen Glaubens zu befolgen hätten.

    Aber ohne einen solchen Anlaß wäre das weder klug noch anständig, sondern schlicht unhöflich, unreif und dumm – und man würde sich damit auf dieselbe Stufe stellen wie intolerante religiöse Menschen, die den eigenen Glauben für das einzig Wahre halten.

    Wie es so schön heißt: Leben und leben lassen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

1
0
Would love your thoughts, please comment.x