Der Vorfall
Der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Peter Wurm, ein Tiroler, hat im Nationalrat am 24.4. von „Umvolkung“ gesprochen: als etwas, das „mit Ansage“ eingetreten sei. Das hat zu einem Aufschrei anderer Abgeordneter geführt, die einen Ordnungsruf für Wurm für die Verwendung nationalsozialistischen Vokabulars wollten. Der SPÖ-Abgeodnete Kai Jan Krainer hat das in aller Ruhe erklärt.
Der Nationalratspräsident Rosenkranz – ebenfalls FPÖ – hat den Ordnungsruf verweigert. Er habe im Duden nachgesehen und das Wort „Umvolkung“ habe neben „den von Ihnen unterstellten“ noch andere, verschiedene „Konnotationen“.
Es ist darauf eine Sitzungsunterbrechung entstanden, nach der Wurm den Ausdruck zurücknahm – „wenn Sie so wollen“.
Aber was hat Rosenkranz im Duden gesehen? Er muss das gesehen haben:
Eindeutiger geht es nicht! Kann Rosenkranz nicht lesen? Oder will Rosenkranz nicht lesen?
Das eigentliche Problem
Man braucht dazu keinen Duden! Man braucht nur etwas historisches Wissen. Das fehlt offenbar sowohl bei Wurm als auch bei Rosenkranz. Dass Umvolkung ein Nazi-Begriff ist, kann man wissen – und mit einem Mindestmaß an politischer Bildung, das man von Nationalratsabgeordneten eigentlich erwarten dürfte, braucht es dazu keinen Duden.
Das ur-eigentliche Problem
Ich vermute freilich, dass das ur-eigentliche Problem noch etwas tiefer liegt. Wurm und Rosenkranz wissen – vermutlich! – sehr wohl, dass Umvolkung ein Nazi-Wort für einen Nazi-Begriff für eine Nazi-Idee ist und wollen mit der Verwendung der Vokabel eine Sorte sehr naiver Wähler:innen bedienen.
Sind Rosenkranz und Wurm unfähig? Oder „zu allem fähig“?
Das „Nebenproblem“
Es findet keinerlei „Umvolkung“ statt. Die Idee „Umvolkung“ ist strohdumm.
In unserer Welt gibt es „Migration“: Menschen wandern irgendwo aus und irgendwo ein, auf der Suche nach besseren Lebensumständen, auf der Flucht vor Verfolgung, aus Liebe, aus verschiedenen Gründen. Das war schon immer so; und wir brauchen diese Migration auch: z.B. für unser Sozialsystem, für unseren Arbeitsmarkt. Wir sind ein Zuwanderungsland – seit Jahrhunderten.
Wenn wir unsere Telefonbücher durchschauen, finden wir tschechische, slowakische, ungarische, slowenische, windische, serbische, kroatische, bosnische, bulgarische, polnische, jüdische, russische, türkische, italienische und viele andere Familiennamen. Alle sind die zugewandert, vor Jahren, vor Jahrzehnten oder vor Jahrhunderten. Und die Müllers, Mairs, Mosers und Hubers auch – halt vielleicht noch etwas früher. Na und?
Was täten wir ohne die vielen Alabas?