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Michael Bürkle

„So geht’s uns heute“ – laut Statistik

So geht’s uns heute

Heute hat mich ein Freund auf den gerade neu erschienenen Bericht „So geht’s uns heute: die sozialen Krisenfolgen im zweiten Quartal 2025“ aufmerksam gemacht. Die Statistik Austria macht immer wieder interessante und / oder wichtige Untersuchungen. Der zitierte Bericht stellt die „Politische Teilhabe“ in den Vordergrund und wird offenbar vom „Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz“ herausgegeben; es steht also letztlich Ministerin Korinna Schumann (SPÖ) dahinter.

Autor:innen sind Claudia Reiter, Katarina Spoljaric, Florian Kärcher, Monika Mühlböck, Janina Enachescu, Lena Wittmann, Nadja Lamei. Der Bericht ist „netto“ 53 Seiten lang, „brutto“ mit div. Verzeichnissen 75 Seiten. Man kann sich das herunterladen und in Ruhe studieren.

Für Schnellleser:innen gibt es auf den Seiten 4-6 eine „Zusammenfassung“ und dazu noch auf den Seiten 52-53 ein „Fazit“. Es sind aber auch im Text viele interessante Daten vorhanden. (Manches ist auch no-na.) Ich zitiere hier nur Zusammenfassung und Fazit.

Die Zusammenfassung

Ziel der Studie ist es, zeitnahe und aussagekräftige Informationen über Veränderungen der sozialen Lage in unsicheren und herausfordernden Zeiten zu gewinnen. Ende 2021 starteten insgesamt elf EU-Staaten mit diesem Projekt, das durch die Europäische Statistikbehörde Eurostat und das damalige Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz kofinanziert wurde. Seit Anfang 2024 wird das Projekt auf nationaler Ebene auf Basis der Finanzierung durch das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMASGPK) fortgeführt. In Österreich werden 3.000 bis 3.880 Personen quartalsweise wiederholt befragt, um Veränderungen gezielt zu messen. Die Ergebnisse liefern Informationen zu Lebensbedingungen verschiedener Gruppen und sind eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Interessenvertretungen und Politik. Bei der 15. Befragungswelle im zweiten Quartal 2025 (Q2/2025), welche im Zeitraum von Mai bis Juni 2025 durchgeführt wurde, nahmen 3.847 Personen im Alter von 18 bis 74 Jahren teil.
Die wichtigsten Ergebnisse der Befragung im zweiten Quartal 2025 und die Veränderungen gegenüber dem Vorjahr und dem Vorquartal können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Im zweiten Quartal 2025 berichteten 23% der Befragten – hochgerechnet etwa 1,5 Millionen Menschen – in den vergangenen zwölf Monaten Einkommens­verluste erlitten zu haben. Für rund 38% der Befragten hat sich die Einkommens­­situation verbessert. Damit zeigt sich gegenüber dem Vorjahr eine weitgehend stabile Entwicklung (22% mit Einkommens­verlusten in Q2/2024). Insbesondere Personen mit niedrigem Haushaltseinkommen sowie aus von Arbeitslosigkeit betroffenen Haushalten berichteten von Einkommens­verlusten.
  • In der 15. Befragungswelle gaben hochgerechnet etwa 683.000 Menschen (10%) an, dass sie Schwierigkeiten hatten, mit ihrem laufenden Einkommen auszukommen. Im Vergleich zum Vorjahr (Q2/2024: 13%) ist dies ein leichter Rückgang.
  • Trotz der stabilen Einkommenssituation vieler Haushalte im zweiten Quartal 2025 gaben 35% der 18- bis 74-Jährigen an, dass sie (viel) schlechter mit dem Haushaltseinkommen zurechtkamen als noch ein Jahr zuvor. Besonders häufig berichteten Personen mit Einkommens­verlusten von einer Verschlechterung (72%). Als Grund hierfür wurden weiterhin insbesondere die gestiegenen Ausgaben für Lebensmittel sowie Wohn- und Energiekosten genannt.
  • Im zweiten Quartal 2025 gaben 15% der Befragten an, dass sie durch Wohnkosten finanziell stark belastet waren. Dieser Wert bleibt seit dem letzten Quartal stabil (Q1/2025: 15%). Vulnerable Haushaltsgruppen berichteten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung von einer deutlich höheren Wohnkostenbelastung. Am stärksten betroffen sind Personen mit geringem Einkommen, von denen rund 34% eine erhebliche Belastung verspürten. In Haushalten, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sowie in Ein-Eltern-Haushalten liegt der Anteil jeweils bei 28% und ist gegenüber dem Vorquartal rückläufig.
  • Rund 23% der Befragten erwarteten, dass sich ihr Haushaltseinkommen im Verlauf der nächsten zwölf Monate verringern würde. Dieser Anteil ist gegenüber dem Vorjahresquartal leicht gestiegen (19%).
  • Auch im zweiten Quartal 2025 blickten die Befragten mit deutlicher Skepsis auf die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich. 61% der 18- bis 74-Jährigen gingen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage in Österreich in den kommenden zwölf Monaten verschlechtern werde. Dieser Anteil liegt nahezu auf dem Niveau des Vorquartals (64%). Demgegenüber rechneten lediglich 8% der Befragten mit einer Verbesserung.
  • Im Rahmen der 15. Befragungswelle wurde ein Schwerpunkt auf das Thema politische Teilhabe gelegt. Die Ergebnisse zeigen, dass 21% der Gesamtbevölkerung sehr an Politik interessiert sind und 46% ein gewisses Interesse bekundeten. Das politische Interesse ist besonders hoch bei Personen mit hoher Bildung, während es bei Menschen mit niedrigem Einkommen gering ausfällt.
  • Politische Aktivitäten beschränken sich bei den meisten Befragten auf die Teilnahme an Wahlen; andere Formen des politischen Engagements – wie z.B. das Engagement in einer Partei oder die Teilnahme an einer Demonstration – werden lediglich von einer kleinen Minderheit wahrgenommen.
  • Fast vier Fünftel der Befragten fühlen sich in politischen Fragen nicht gehört: 33% der 18- bis 74-Jährigen gaben an, dass ihre Stimme überhaupt kein Gehör finde, weitere 47% fühlten sich eher nicht gehört. Demgegenüber stimmten 20% der Befragten der Aussage „Ich habe das Gefühl, dass meine Stimme in politischen Fragen gehört wird“ sehr oder eher zu.
  • In bestimmten Gruppen fällt die Einschätzung noch negativer aus: 42% der Personen mit Einkommensverlusten und 40% der von Arbeitslosigkeit betroffenen Haushalte gaben an, dass ihre Stimme überhaupt nicht gehört werde. Auch nach Bildungsniveau zeigen sich Unterschiede: Unter Personen mit maximal Pflichtschulabschluss liegt der Anteil bei 38%, bei Hochschulabsolvent:innen dagegen bei 27%.
  • Auch bei der Frage, ob die eigenen Interessen im Land vertreten werden, ergibt sich ein kritisches Bild. Insgesamt gaben 70% der Gesamtbevölkerung an, dass ihre Interessen in politischen Fragen nicht oder eher nicht vertreten werden. Besonders stark ausgeprägt ist dieses Empfinden bei Personen mit Einkommensverlusten (76%). Vergleichsweise positiver fällt die Einschätzung in Mehrkind-Haushalten aus sowie bei Personen mit höherer Bildung: 39% bzw. 40% sahen ihre Interessen im Land sehr oder eher vertreten.
  • Die wahrgenommenen Einflussmöglichkeiten im direkten Lebensumfeld wurden von der Gesamtbevölkerung überwiegend positiv eingeschätzt: Mehr als die Hälfte der 18- bis 74-Jährigen stimmte der Aussage zu, durch ihr Handeln im Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsumfeld einen Unterschied machen zu können. Besonders häufig gaben Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft sowie Befragte mit höherer Bildung an, im direkten Lebensumfeld Einfluss nehmen zu können. Deutlich zurückhaltender schätzten dagegen vulnerable Gruppen ihre Wirksamkeit ein.

Das Fazit

Die Ergebnisse der 15. Befragungswelle der vierteljährlichen „So geht’s uns heute“-Befragung von Statistik Austria zeigen, dass die finanzielle Situation vieler Haushalte in Österreich weiterhin angespannt ist. Zwar sind einige Belastungswerte im Jahresvergleich leicht zurückgegangen – etwa bei der subjektiven Wohnkostenbelastung oder beim Anteil jener Personen, die unerwartete Ausgaben nicht bestreiten können –, doch bleibt die Betroffenheit vor allem in vulnerablen Gruppen hoch. Diese nahmen deutlich häufiger als die Gesamtbevölkerung eine Verschlechterung ihrer finanziellen Lage wahr; insbesondere für einkommensschwache und arbeitslose Haushalte stellte sich die finanzielle Situation im Frühjahr 2025 als besonders herausfordernd dar.

Hinsichtlich des Anteils jener Befragten, die im zweiten Quartal 2025 von Einkommensverlusten betroffen waren, zeigt sich im Vergleich zum Vorjahr eine weitgehend stabile Entwicklung. Dazu dürften sowohl die sozialpartnerschaftlich ausgehandelten Lohnerhöhungen als auch die Anpassung vieler Sozialleistungen beigetragen haben, die für eine gewisse Entlastung sorgten. Gleichzeitig gaben jedoch 35% der 18- bis 74-Jährigen an, im zweiten Quartal 2025 (viel) schlechter mit ihrem Haushaltseinkommen ausgekommen zu sein als ein Jahr zuvor. In vulnerablen Gruppen lag dieser Anteil deutlich höher, insbesondere unter Personen mit Einkommensverlusten. Als Hauptgrund wurden besonders häufig gestiegene Ausgaben für Lebensmittel genannt – ein Anteil, der gegenüber dem Vorquartal zugenommen hat. Trotz rückläufiger Inflation und gestiegener Einkommen ist die finanzielle Entlastung somit nicht bei allen gleichermaßen angekommen: Während einige Haushalte leichte Verbesserungen wahrnehmen, bleiben andere – insbesondere einkommensschwache – weiterhin erheblich durch laufende Ausgaben und unerwartete Kosten belastet.
Ein Schwerpunkt der Erhebung widmete sich der politischen Teilhabe. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Großteil der Befragten einigermaßen oder sehr an Politik interessiert ist. Während die Mehrheit der Bevölkerung an Wahlen teilnimmt, spielen andere Formen politischen Engagements für die meisten jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Zugleich fühlten sich rund 80% politisch kaum oder gar nicht vertreten und gehört – ein deutlicher Hinweis auf ein geringes Vertrauen in politische Institutionen, besonders ausgeprägt in einigen vulnerablen Gruppen und bei Personen mit niedriger Bildung. Im direkten Lebensumfeld wird die eigene Einflussmöglichkeit dagegen positiver wahrgenommen:

Viele berichteten, dass sie im Wohn-, Ausbildungs- oder Arbeitsumfeld durch ihr Handeln einen Unterschied machen können. Unterschiede nach Bildung, ökonomischer Lage und politischem Interesse verdeutlichen, dass politische und gesellschaftliche Teilhabe stark vom sozialen Kontext abhängen. Insgesamt weist die flächendeckend besorgniserregend geringe Wahrnehmung politischer Repräsentation jedoch auf eine gewisse Politikverdrossenheit hin – mit potenziell langfristigen Folgen für das Vertrauen in demokratische Institutionen.

Die Erwartungen zur wirtschaftlichen Entwicklung bleiben im Frühjahr 2025 von Skepsis geprägt. Zwar blieb der Anteil jener, die einen Einkommensverlust erwarten, gegenüber dem Vorquartal stabil, doch die allgemeine Unsicherheit bleibt hoch. Viele Haushalte planten, größere Ausgaben zu vermeiden, und schätzen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung pessimistisch ein: Zwei Drittel der Befragten rechneten mit einer Verschlechterung der Wirtschaftslage in den kommenden zwölf Monaten – ein weiterhin hoher, wenn auch leicht rückläufiger Wert. Diese verbreitete Unsicherheit kann sich in zurückhaltendem Konsumverhalten niederschlagen und eine zunehmende Ausrichtung auf Sparsamkeit begünstigen.


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