michael bürkle

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Michael Bürkle

„wahllos“ vs. „willkürlich“

„Geschlecht“

Das Geschlecht ist ein komplexer Sachverhalt. Der Anlass für den Artikel ist der Fall Walter / Waltraud P. Sein Geschlechtswechsel sei „wahllos“, meint das Innenministerium. Wie bitte?

genetisch

Genetisch ist das theoretisch einfach: Jeder Mensch hat (an sich) 2 Geschlechts­chromosomen. Von ihrer Mutter bekommen alle Menschen ein sog. X-Chromosom und von ihrem Vater ein X- oder ein Y-Chromosom. Kommen X und X zusammen, entsteht ein genetisch weiblicher Mensch; kommen X und Y zusammen, entsteht ein genetisch männlicher Mensch. Das ist das Grundprinzip. Mehr gibt es da (zunächst) nicht. Liefert „Dad“ ein X, entsteht eine Tochter; liefert „Dad“ ein Y, entsteht ein Sohn. „Mom“ stellt immer ein X zur Verfügung.

Aber schon genetisch gibt es auch Abweichungen: es können selten auch 3 Geschlechts­chromosomen zusammenkommen: XXX, XXY und XYY, mit mehr oder weniger großen Problemen.

anatomisch

Mit der genetischen Ebene ist im Normalfall auch eine Anatomie gegeben. Aber Anatomien können sehr verschieden ausgeprägt sein; das ist oft nicht eindeutig. Es gibt kleine Penisse und große Klitorides; es gibt auch bei manchen Männern so etwas wie Brüste und bei Frauen kleine, mittlere und große. Auf Anatomien kann man sich da schwer verlassen.

hormonell

Mit der Geschlechtszugehörigkeit sind auch verschiedene Hormonverhältnisse verbunden, besonders, was Testosteron und Östrogen betrifft. Es gibt Frauen, die aus bestimmten Gründen einen männlich erscheinenden Hormonspiegel haben. Usw. usf. Vor allem Sportlerinnen mit einem ungewöhnlich hohen Testosteronspiegel bekommen mit ihrer Geschlechtszuordnung oft Probleme.

psychisch / psychologisch

Außerdem kommt es durchaus relativ häufig vor, dass sich ein Mensch in seinem Körper nicht wirklich wohl fühlt: eine genetische Frau fühlt sich psychisch als Mann oder ein genetischer Mann psychisch als Frau. Das kann viele Ursachen haben. Das gibt es und das muss man – im Gegensatz zu dem, was Trump 2.0 in den USA betreibt – akzeptieren. Damit ist ein Spektrum an möglichen Problemen angerissen.

sozial

Und dann gibt es noch soziale Rollen. Jetzt wird die Sache allmählich uferlos. Es gibt mütterliche Männer und väterliche Frauen usw. usf.

kompliziert

Also: die Geschlechterverhältnisse sind im Prinzip nicht ganz einfach. Das kann kompliziert sein. Und nur, weil es kompliziert ist, muss man Menschen nicht zwingen, ein Leben lang mit einer Geschlechtszuschreibung unglücklich zu sein.

Wechsel des Geschlechts

Ja, mann / frau soll in entsprechenden Fälllen das Geschlecht wechseln dürfen. Anlassfall für mich hier ist ein Mensch, der als Walter P. den größten Teil seines Lebens als Mann gelebt hat, optisch auch als Mann wirkt und sich als Waltraud P. zur Frau deklarieren hat lassen – um eine Haftstrafe in einem Frauengefängnis verbringen zu können und früher – mit 61 statt mit 65 – in Pension gehen zu können. Das hat er / sie auch zugegeben.

Das sehen viele Menschen nicht ein; ich auch nicht. Im ORF wird das berichtet unter dem Titel „Innenministerium: „Wahllose“ Geschlechtsänderung unmöglich“. Gemeint ist hier vermutlich: „Willkürliche Geschlechtsänderung nicht möglich“. Was „wahllos“ da bedeuten soll, entzieht sich völlig meinem Verständnis.

Walter / Waltraud hat ein psychiatrisches Gutachten vorgelegt. Das wird nun überprüft; es besteht der Verdacht, dass das ein Gefälligkeitsgutachten sein könnte: „Schreib mich zur Frau um, ich zahl dir das großzügig, für mich hat das ein paar Vorteile.“

Auch wenn es nicht bloß aus Gefälligkeit erstellt worden sein sollte, erscheint mir der von Waltraud / Walter P. gewählte Weg ins andere Geschlecht auf der Basis eines einzigen Gutachtens deutlich zu simpel. Ich denke, man sollte die Geschlechtszuschreibung und ‑umwandlung von einer Beliebigkeit fernhalten. Man muss sich da alles ansehen: die genetische, die anatomische, die hormonelle und die psychologische Komponente. (Die rein soziale ist vielleicht nicht so wichtig.) Die willkürliche Entscheidung eines Menschen – und sei es eines Psychiaters – kann es nicht sein.

Vielleicht kommen wir als Gesellschaft auch von der Zuordnung zu bloß 2 Geschlechtern weg: die Verhältnisse sind in speziellen Fällen halt komplex. Wird halt ein bisserl schwierig mit geschlechts­getrennten Bereichen: Klos, Saunas, Umkleidekabinen, Krankenzimmer …


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