michael bürkle

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Michael Bürkle

Das Ergebnis der Sondierungen

ÖVP und Grüne halten sich nach Abschluss der Sondierungsgespräche äußerst bedeckt. Weder Kogler noch Kurz ist eine Andeutung über das Ergebnis zu entlocken. Keine verwertbare Zeile.

Also muss man zwischen den Zeilen lesen.

Tatsache ist: die ÖVP lässt den Grünen den Vortritt. Die Grünen werden morgen, am Sonntag, im Erweiterten Bundesvorstand („EBV“) ihre Entscheidung fällen. Die ÖVP wird erst nach dem Wochenende, am Montag, ihre Entscheidung bekannt geben. Einstweilen kündigen beide Teile an, noch einige „Telefongespräche“ zu führen.

Ich denke, das kann man lesen.

In den Sondierungsgesprächen sind offensichtlich bereits Inhalte geklärt worden. Die Grundstruktur eines Regierungsprogramms steht bereits; auch Personalentscheidungen sind zu einem guten Teil bereits besprochen. Das Paket sieht so aus, dass es äußerst fragwürdig ist, ob ein Grüner Bundeskongress das akzeptieren kann. Die ÖVP versucht, die Grundlinien des neuen Regierungsprogramms vorzugeben; die Grünen bekommen außer einzelnen sog. „Leuchtturmprojekten“ im Bereich Klimaschutz und Sozialpolitik kaum Gestaltungsmöglichkeiten. Trotzdem könnte der EBV zustimmen: in der trügerischen Hoffnung, dass in weiteren Verhandlungen noch Substanzielles erreichbar wäre; genährt auch durch andere Hoffnungen.

(Wenn Kogler ein wirklich positives Zwischenergebnis aus den Sondierungen vorzuweisen hätte: nichts müsste Grüne und ÖVP abhalten, einen vorsichtigen Optimismus anzudeuten.)

Ich nehme an …

Ich nehme an:
– der grüne EBV wird weiteren Verhandlungen zustimmen
– die ÖVP wird das am Montag dankend annehmen
– bei weiteren Verhandlungen kommt nichts mehr Substanzielles hinzu
– die Verhandlungen werden nach einiger Zeit abgebrochen. Oder: das Koalitionsabkommen fällt am Grünen Bundeskongress wegen Substanzarmut durch

Eine Alternative

Alternative dazu:
– schon der EBV lehnt das  Ergebnis der Sondierungen als Basis für weitere Verhandlungen ab
– am Montag erklärt die ÖVP, dass sich das schon während der Sondierungsgespräche abgezeichnet habe, dass also mit den Grünen keine vernünftige Politik zu betreiben sei
– FP-Chef Hofer erklärt sich bereit, angesichts der veränderten Umstände die Positionierung der FPÖ zu überdenken. (Ja, ich denke, Kurz wird auch mit Hofer „telefonieren“.)

Jedenfalls: sagt der grüne EBV „ja“, sagt auch die ÖVP „ja“. Sagt der EBV „nein“, sagt auch die ÖVP „nein“. Was sicher nicht passieren wird: dass die Grünen „ja“ sagen und die ÖVP „nein“. Da stünde der türkisschwarze Kanzlerkandidat ja ganz schlecht da.


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Kommentare

4 Antworten zu „Das Ergebnis der Sondierungen“

  1. Avatar von Schüler a. D.
    Schüler a. D.

    Eine weitere Option, welche vermutlich bewusst ausgespart wurde, vermisse ich in diesem Bericht. Ich schätze die Möglichkeit einer Koalition zwischen Kurz-ÖVP und den Grünen als durchaus realistisch ein.
    Denn einerseits scheint die innerparteiliche Demokratie seit dem Wahlfiasko einen herben Dämpfer erlitten zu haben (z. b. Die diktierte oder die „intuitive“ Message control) – auch werden Alleingänge Koglers inzwischen geflissentlich abgenickt (z. b. Bestellung von Alma Zadic). Des Weiteren sind gerade bei den „linken Grünen“ klare opportunistische Tendenzen zu erkennen, die einem türkisem Koalitionspapier mit grünem Anstrich zustimmen könnten.

    1. Avatar von michael bürkle
      michael bürkle

      Lieber „Schüler a.D.“,
      naja: ein „Bericht“ war meine Kaffeesudleserei nicht. Ich habe angenommen, dass EBV und ÖVP Koalitionsverhandlungen zustimmen: das ist eingetreten. Ich bin immer noch sehr skeptisch, ob es möglich ist, ein sinnvolles Regierungsprogramm auszuhandeln. Aber tatsächlich siehts im Moment nach schwarz-grünem Koalitionswillen aus. Ich werd mir das Programm – wenn es denn eines gibt – genau ansehen.
      Mit deinen anderen Befunden kann ich wenig anfangen. Die innerparteiliche Demokratie ist bei den Grünen mit Kogler sicher deutlich besser als noch unter Glawischnig. Alma Zadic als Alleingang Koglers – das versteh ich nicht. Zadic ist ein guter Neuzugang, finde ich. Und auch die „opportunistischen Tendenzen“ „gerade bei den linken Grünen“ vermag ich nicht zu erkennen. Auch mein heutiger Kaffeesud nicht.
      Ich glaube, Kurz tut alles was ihm nützt. Das ist seine einzige Maxime. Für sein standing in der EU wär eine Koalition mit Grünen ganz praktisch. Da ist er womöglich auch bereit, auf grüne Forderungen einzugehen, wenn sie seiner Stammwählerschaft nicht weh tun.
      Wenn lange genug verhandelt wird, erzeugt das Druck auf den grünen Bundeskongress. Da besteht die Gefahr, dass dann auch ein sehr seichtes Koalitionsabkommen letztlich abgesegnet wird, weil die Alternativen nicht mehr oder als gefährlich gesehen werden. Damit wäre es dann mit der grünen Blüte schnell wieder vorbei.
      mb

  2. Avatar von Schüler a. D.
    Schüler a. D.

    Ich versuchte in aller Kürze eine weitere mögliche Variante zu deiner Kaffeesudleserei hinzuzufügen und diese mit einer kritischen Betrachtung zu untermauern. Jedoch dürfte meine Argumentation doch zu Kurz geraten sein. Ich bleibe bei der Kritik und sehe diese nicht als so abwegig an. Daher versuche ich meine genannten Punkte ein wenig zu präzisieren.

    – in puncto opportunistische Tendenzen: vielleicht ist diese Phrase zu sehr Phrase, deshalb versuche ich sie mit Inhalt zu füllen.
    Dabei möchte ich in Erinnerung rufen, dass gerade diejenigen, die Kurz und seine Schnöselpartie am lautesten kritisierten, jetzt plötzlich „Vertrauen in ihn haben“ und seine von Rassismus geprägte Geisteshaltung ausblenden. Kurz ist immer noch derjenige, der sich am meisten dafür rühmte, die Balkanroute geschlossen zu haben und die vielen „Einzelfälle“ der FPÖ hauptsächlich mit Schweigen quittierte. Natürlich könnte man nun damit argumentieren, dass jetzt nicht mehr Wahlkampf ist und alles vorher gesagte reine Politshow war. Jedoch lässt sich womöglich daraus auch eine etwas flexible Haltung erkennen, sobald es darum geht „Verantwortung zu übernehmen“.

    – in puncto innerparteiliche Demokratie:
    In den sozialen Netzwerken wird meiner Meinung zu Recht darüber diskutiert, inwieweit die verordnete oder nicht verordnete Parteidisziplin in einem Zusammenhang mit innerparteilichen Demokratiedefiziten steht. Kaum jemand von den Grünen formulierte bisher eine Kritik zu den Verhandlungen. Das ist ungewöhnlich, da die Grünen bisher nicht als homogene Gruppe, sondern als Vielfalt mit ausgeprägter Meinungspluralität wahrgenommen wurden. Als Außenstehender macht es den Anschein als agiere die Partei in trauter Eintracht mit dem eingeschlagenen Kurs. Bei den Verhandlungen mit der ÖVP im Jahr 2002 (mir ist bewusst, dass das schon länger her ist) wurde eine scharfe Kritik von damals einflussreichen Grünen Funktionsträger*innen formuliert und nach außen transportiert.

    Zum neuen Kaffeesud:
    Kurz ist zweifellos ein machtgetriebener Mensch. Doch auch wenn die BundesÖVP nach außen hin hauptsächlich von Kurz repräsentiert wird, kommen noch die Länder, Wirtschaftskammer, Kapitalgeber, etc. Hinzu. Man darf gespannt sein, ob sich die Grünen in diesem Moloch irgendwie behaupten können.

    PS: Verstehe meine Kritik nicht als persönliche Kritik. Ich habe sehr positive Erinnerungen an die gemeinsamen Mathestunden und bin deshalb auf diese Seite gestoßen. Ich schätze die hier ausgeführten Gedanken und fühlte mich nun eingeladen, kontrovers mitzudiskutieren.

    1. Avatar von michael bürkle
      michael bürkle

      ah, doch, ein richtiger ehemaliger schüler von mir … freut mich sehr, auch wenn ich im moment keine ahnung habe, wie er heißt.
      diskussion ist wichtig, immer nur gleiche standpunkte wär fad; ich hab gar nix dagegen, wenn man hier im blog nicht mit mir einer meinung ist. no problem, no bad feelings.
      ja, ich bin auch gespannt, was das verhandlungsergebnis sein wird und wie die grünen mit dem „moloch“ umgehen werden. ein bisserl haben sie den moloch ja schon kennengelernt in den letzten jahren: V, T, S, OÖ, … ja. es wird ein „wagnis“. es reicht nicht, wenn türkis-grün nur ein bisserl besser oder weniger schlimm ist als türkis-blau. wenn das so werden würde, wärs für die grüne partei erneut lebensgefährlich – und für einen großteil der bevölkerung schädlich. es müsste schon eine ganz andere qualität werden.
      mb

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