Der Anlassfall
10 Jugendliche zwischen 16 und 21, die über Monate an verschiedenen Orten ein 12-jähriges Mädchen vergewaltigt / genötigt / in ihrer Selbstbestimmung verletzt haben, sind freigesprochen worden – allerdings nicht rechtskräftig, denn die Staatsanwältin hat – so viel ich weiß – noch keine Stellungnahme zum Urteil abgegeben. (Außerdem hat Justizministerin Sporrer eine Nichtigkeitsbeschwerde angeordnet.)
Der Freispruch ist erfolgt, weil manche Sachverhalte unklar waren: das Mädchen hatte sich in seiner Stellungnahme, die per Video vor Gericht abgespielt wurde, offenbar in Widersprüche verwickelt. (Kein Wunder, bei 10 Tätern, an mehreren Orten „über Monate“ und zahlreichen Handlungen.) Außerdem hatten die Täter behauptet, dass das Mädchen sich als 14-jährig dargestellt habe.
Trotzdem ist ein Freispruch da nicht hinnehmbar, finde (nicht nur) ich. Der Standard schreibt:
Die Verantwortung wird allein dem Mädchen zugeschoben. Das ist unerträglich
Selbst mit etwas Abstand wühlt das Urteil auf.
Ja. Ein wirklich „fatales Signal“ ist dieses Urteil an alle Opfer von Gewalt! „Seid still, wehrt euch nicht, außer ihr habt hieb- und stichfeste Beweise“. (Ja: „hieb- und stichfest“ bekommt hier eine makabre Doppelbedeutung.)
Also ich wäre als Schöffe nach einer Analyse des Problemfalls jedenfalls zum Schluss gekommen, dass die sexuelle Selbstbestimmung des Mädchens vielfach nicht wahrgenommen worden ist. Da verstehe ich das Urteil – bei allen Einschränkungen – nicht.
„Erziehungsanstalt“?
Ministerin Plakolm (ÖVP) sprach sich offenbar heute für die Einrichtung von „Erziehungsanstalten“ aus. Ich weiß nicht genau, was sie damit meint. Ich finde, es reicht, wenn es moderne, zeitgemäß geführte Jugendvollzugsanstalten gibt – in denen jugendliche Straftäter etwas Vernünftiges lernen können & müssen.
Wichtig ist, dass es ein modernes Sexualstrafrecht gibt. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Elternhäuser zunehmend in ihrer Erziehungspflicht versagen, in der legale und illegale Drogen bei vielen Jugendlichen relativ alltäglich sind und in der ein unkontrollierter Zugang zu Gewaltdarstellungen, im Besonderen zu Vergewaltigungsdarstellungen für Jugendliche (und Erwachsene) scheinbar „normal“ ist.
Wenn Plakolm „Erziehungsanstalten“ fordert, höre ich, dass die auch noch nicht verurteilte Jugendliche aufnehmen sollen. Das geht nicht. Ohne Urteil keine Strafen!
Nur Ja heißt Ja
Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) möchte den Grundsatz „Nur Ja heißt Ja“ in das Sexualstrafrecht aufnehmen. Das ist ein vernünftiger erster Schritt. Das würde bedeuten, dass es immer eine explizite Zustimmung zu einer sexuellen Handlung braucht, das also „kein Nein“ noch nichts zulässt. In anderen Ländern wird das bereits so gehandhabt.
Die ultimative Lösung ist auch das noch nicht, glaube ich. In der Situation eines sozialen Drucks – ein Mädchen, 10 Burschen, die auf sie permanent und wiederholt einwirken – kann es schon zu einem scheinbaren, gar nicht freiwilligen „Ja“ kommen. Der Gruppendruck kann das „Ja“ auch „erzwingen“.
Da gehört jedenfall noch viel Aufklärungsarbeit dazu. Die muss u.a. auch Teil eines Strafvollzugs sein. Das Recht auf Selbstbestimmung ist eine wichtige Basis.
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