Veröffentlicht in allgemein, Bildung, Politik

Corona und die Straßenverkehrsordnung

„Wir demonstrieren nur für Freiheit, gegen Diktatur.“ Das schreibt mir ein guter Freund und Aktivist gegen die Corona-Gesetzgebung. Er ist gegen Maskenpflicht, gegen Abstandsregeln; er hält Corona für eine Art Grippe und die Rechtsgebung dazu für massiv übertrieben. Er ist aber kein Rechtsextremer, der mit der deutschen Reichskriegsflagge die Treppe des Reichstagsgebäudes stürmt.

Für Freiheit, gegen Diktatur würde ich auch jederzeit demonstrieren. Fast jederzeit – ich würde mir nur vorher kurz überlegen, für welche Freiheit und gegen welche Diktatur.

Einschränkungen der Freiheit, Diktatur des Staates

Ja, mit der Coronagesetzgebung sind Einschränkungen der Freiheit einhergegangen. Wir müssen manchmal Masken tragen; wir müssen Abstände einhalten; wir dürfen Räume nicht beliebig dicht füllen; wir dürfen Verwandte im Krankenhaus z.B. nicht in großen Gruppen besuchen.

Die Gesundheitsminister „diktieren“ hier Gesetze; manche glauben sogar, dass „die Virologen“ Gesetze diktieren.  (Oder die WHO. Oder Microsoft. Oder Bill Gates. Aber das ist dann kein legistisches Missverständnis mehr, sondern einfach nur absurd.)

Aber es stimmt nicht. Die Gesundheitsminister diktieren keine Gesetze, aber sie erlassen Verordnungen. Das tun sie auf der Basis von Gesetzen. Gesetze werden im Parlament beschlossen, von den parlamentarischen Mehrheiten. Die Verordnungen der Minister interpretieren diese Gesetze, müssen sich aber an diese Gesetze halten.

Ich persönlich glaube, dass manche westlichen Staaten insgesamt eine kluge Politik gegenüber dem Coronavirus uns seinen Auswirkungen geschafft haben. Da gehört Österreich dazu. Es gibt auch unter den westlichen Staaten einige, die auf die Pandemie viel zu spät und / oder nicht konsequent genug reagiert haben – die haben jetzt immer noch und immer wieder gröbere Probleme: da gehören Italien, Spanien und das UK dazu. Auch Schweden, die Schweiz und die Niederlande. Am schlimmsten und am längsten daneben lagen die USA.

Ja, diese Politik hat Freiheiten eingeschränkt. Eine Diktatur war es trotzdem nie. Aber darf man Freiheiten einschränken?

Die Straßenverkehrsordnung

Die Straßenverkehrsordnung schränkt z.B. unsere Freiheiten ein: ganz gewaltig. Sie zwingt uns auf der rechten Straßenseite zu fahren. Kann das sein? Darf sie das? Sie zwingt uns in Ortsgebieten unter 50 km/h zu fahren; sie zwingt uns überhaupt dazu, Geschwindigkeitsbeschränkungen einzuhalten. (Das hat gerade in Deutschland schon viele erregt: Unter „Freie Fahrt für freie Bürger“ hat man gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen an sich protestiert.) Man kann aufgrund der StVO zu saftigen Strafen verdonnert werden.

Die StVO zwingt uns, unsere Fahrzeuge betriebssicher und verkehrssicher zu halten. Wir müssen Lampen montieren: man zwingt uns dazu. Wir müssen Bremsen installiert haben – das ist Vorschrift. Wir müssen halten, weil irgendeine Ampel ein rotes Licht zeigt. Wie kommen wir dazu, dass wir uns von elektrischen Geräten unser Fahrverhalten diktieren lassen?

Ist das alles nötig? Könnte man den Straßenverkehr nicht durch „allgemeine Vernunft“ regeln lassen? Jeder tut dann das, was er oder sie momentan für richtig und sinnvoll hält.

Ich glaube, die große Mehrheit der Bevölkerung findet die StVO sinnvoll, richtig und wichtig. Ihre Aufhebung würde eine Unmenge an Leid produzieren.

Die Corona-Verkehrsordnung

Die Corona-Gesetze sind wie die StVO. Sie regeln den gesellschaftlichen Verkehr unter Menschen in einer Pandemie. Die Pandemie ist wie der Straßenverkehr: meistens passiert eh nichts, manchmal passieren kleine Unfälle (im Straßenverkehr Blechschäden, bei Corona harmlose Infektionen), und relativ selten passieren tödliche Unfälle. (Die kann man auch mit der StVO nicht verhindern, aber ohne StVO wären es sicher viel mehr.) Jeder tödliche Unfall ist einer zu viel.

Warum sehen praktisch alle Menschen die StVO ein? Wir haben uns an sie gewöhnt; es ist allen klar, dass es ohne sie extrem gefährlich wäre. Sie betrifft uns alle, aber erst dann, wenn wir auf die Straße gehen. Trotzdem schließen wir alle immer wieder einmal kleine „Kompromisse“ mit der StVO: wir fahren z.B. ein bisschen zu schnell, oder nicht ganz rechts, oder biegen falsch ab …

Bei den Corona-Verkehrsordnungen ist das ganz ähnlich: sie betreffen uns alle, sie schützen uns vor schweren Unfällen (ohne sie zur Gänze verhindern zu können). Aber es gibt 2 kleine Unterschiede: Corona ist neu; wir haben uns noch nicht daran gewöhnt. Und es betrifft uns auch in Innenräumen – zuhause und am Arbeitsplatz, nicht erst auf der Straße.

Widerstand?

Ja, man muss gegen die Corona-Verkehrsordnungen demonstrieren dürfen. Aber solche Demonstrationen müssen sich an die geltenden Gesetze halten. Man müsste sogar gegen die Straßenverkehrsordnung demonstrieren dürfen. Gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen, gegen das Rechtsfahrgebot.

Aber wirkliche Freiheitsbeschränkungen sind die Corona-Verkehrsordnungen nicht. Und schon gar nicht Ausfluss einer Diktatur. Es handelt sich um eine Art Verkehrsregeln. So what?

Gewisse Beschränkungen sind vernünftig; gewisse Freiheiten sind nicht akzeptabel. Die Freiheit, mit 80 durch eine Fußgängerzone zu rasen, wäre dumm, bösartig und unverantwortlich. Nix mit „freie Fahrt für freie Bürger“. Wer sich aktiv gegen elementare Corona-Gesetze verhält, gefährdet nicht nur sich, sondern auch seine Mitbürger. Corona ist harmlos und tödlich zugleich – wie der Straßenverkehr. Da darf es Einschränkungen geben; das sind keine Beschränkungen der (wirklich) wichtigen bürgerlichen Freiheiten.

Subscribe
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments