Ein Lesefehler
Der Standard hat mich heute erschreckt mit der Schlagzeile „Nur sieben Prozent sind mit Demokratie zufrieden“. Erst bei genauerer Hinsicht hab ich gesehen: da war noch ein „sehr“ dabei. Die Überschrift auf Papier lautete also: „Nur sieben Prozent sind mit Demokratie sehr zufrieden“. Online noch ein bisschen anders: „Nur sieben Prozent voll mit Demokratie zufrieden“.
Die Daten
Die Daten stammen aus einer vom Standard beauftragten Befragung des Linzer Market-Instituts (November 2025; 818 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigte). Es stellt sich heraus: 35% der Befragten sind „eher zufrieden“; 14% sind „eher unzufrieden“ und gar 12% „sehr unzufrieden“. 29% der Befragten geben „geteilt“ an. Insgesamt schneidet „die Demokratie“ mit 42% Zufriedenen und 26% Unzufriedenen noch halbwegs positiv ab.
Und es kommt natürlich darauf an, wie und wen man fragt. In der ÖVP, bei den NEOS und bei den Grünen sind relativ viele „zufrieden“, in der FPÖ nur relativ wenige. Zwischen Frauen und Männern gibt es nur geringe Unterschiede; auch die Altersgruppen sind da überraschend ähnlich.
Und ich?
Naja: ich bin mit der „Demokratie, so wie sie unserem Land existiert“ – so war die Fragestellung – auch nicht völlig zufrieden. Aber die Demokratie an sich ist für mich unverzichtbar: man muss sie nur besser gestalten.
Gerade hat uns der abgegangene Wirtschaftskammerpräsident bewiesen, dass mit der Demokratie in der Wirtschaftskammer viele Betroffene nicht zufrieden sind. Ich bin mit der Arbeiterkammer andrerseits im Großen und Ganzen sehr zufrieden – obwohl sie mich als Beamtenpensionisten gar nicht vertritt. Ich bin mit der Durchlässigkeit der Staatsgewalten – Legislative, Exekutive, Judikative, „vierte Gewalt“ – nicht besonders zufrieden: Gesetze werden de facto von der Exekutive (der Regierung) gemacht und von der Legislative nur mehr abgenickt: Klubzwang usw. ist an sich eine demokratische Katastrophe. Aus Vertreter:innen der „vierten Gewalt“ (Journalist:innen) werden plötzlich Staatssekretär:innen – und auch umgekehrt; im Parlament sitzen viele Richter:innen und Anwält:innen: die gehören an sich zur Jurisdiktion. Es gibt neben der demokratischen Verfassung eine mächtige Realverfassung: die „Landeshauptleutekonferenz“ steht nirgends in der Verfassung; die „Sozialpartnerschaft“ allenfalls in Spurenelementen (z.B. Kammern).
Da ist Vieles nicht ideal; da könnte man einiges verbessern.
Aber
Aber m.E. gibt es zur Demokratie an sich keine ernstzunehmende Alternative. Sie ist sowieso nie völlig fertig und immer ein Prozess. Eine gewisse Basis an Unzufriedenheit ist da vermutlich sogar notwendig.

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