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Michael Bürkle

„freebirthing“ – ein riskanter Hype

Alleingeburt?

Ich finde im Deutschlandfunk (DLF) einen Artikel „«freebirthing» / Der riskante Hype um die Alleingeburt“. Und ein gravierendes Missverständnis in der Tageszeitung Kurier.

Alleingeburten ohne Hebammen oder Ärzte – das propagieren sogenannte Freebirthing-Coaches und Birthkeeperinnen auf Social Media: ein gefährlicher Trend, hinter dem auch ein Geschäftsmodell steckt.

So fasst der DLF einen Trend oder doch bloß einen Hype zusammen. Junge Influencerinnen machen Stimmung für eine „freie“ Alleingeburt – ohne Hilfe einer Hebamme, ohne Beisein einer Ärzt:in. Jetzt ist eine dieser Influencerinnen, eine Stacey Hatfield, nach einer Alleingeburt verstorben. Das meldet der Kurier – aber er vereinfacht unzulässig: sie sei nach einer „Hausgeburt“ gestorben. Das stimmt so nicht; es handelt sich um ein gravierendes Missverständnis bzw. eine glatte Fehlinformation.

Hausgeburt

Eine Hausgeburt ist „eine Form der außerklinischen Geburt. Sie findet, im Gegensatz zu Geburten im Krankenhaus oder Geburtshaus, in einer Privatwohnung statt und wird im Normalfall von einer Hebamme betreut“. Das sagt die Wikipedia; ähnlich viele andere Seiten. Es kann gute Gründe geben, die für eine Hausgeburt statt einer Geburt im Krankenhaus sprechen.

Ich habe selbst bei zwei Hausgeburten als Vater teilgenommen und habe gesehen – ohne in Details zu gehen, dass Geburten recht lange Prozesse sein können, in denen bisweilen kritische Situationen auftreten. Wir waren froh, dass wir eine erfahrene Hebamme hatten, die schon vor der Geburt als Ratgeberin und Helferin präsent war und auch bei der Geburt sehr konstruktiv helfen und eingreifen konnte.

Ich finde es gut, wenn Frauen selbst zwischen einer Hausgeburt und einer Geburt im Krankenhaus entscheiden können; ich finde es auch gut, wenn es für diese Entscheidung eine kompetente Beratung gibt – schließlich sind Geburten heute im Gegensatz zu früher meist „singuläre“ Ereignisse, in die eine Frau nicht mit bereits vielen einschlägigen Erfahrungen geht. Hebammen sind nicht umsonst über die Jahrhunderte ein wichtiger Berufsstand (a) gewesen und (b) geworden.

Die Alleingeburt als Coaching-Zone

Im Gegensatz zur Hausgeburt steht die Alleingeburt, das „freebirthing“. Hier wird auch auf die Beratung und Betreuung durch eine Hebamme verzichtet. An ihre Stelle treten dann  Geburts-„Coaches“ und influencer:innen. Allerdings ist coach kein geschützter Begriff: jede und jeder kann sich Coach nennen – ganz ohne Vorbildung. Man kann schon von einem „Geschäftsmodell Freebirthing“ sprechen: das sind dann relativ teure Kurz-Kurse, in denen bei Weitem nicht das Wissen und die Fähigkeiten einer Hebamme vermittelt werden und die keinen Ausbildungsstandards unterliegen.

Aber eine „Alleingeburt“ im strengen Sinn würde ja nicht einmal einen Coach erlauben. Ich rate – mit meinen bescheidenen Erfahrungen – dringend davon ab. Bezeichnenderweise ist im Wikipedia-Artikel zum Stichwort „Alleingeburt“ ein Foto einer Gebärenden zu sehen, die ganz sicher nicht allein ist.


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