michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Die grüne Erneuerung? Vorschläge dazu

Das grüne Nationalratswahlergebnis – 3,9% Prognose heute am 16.10. – ist eine Katastrophe für die grüne Partei und ein ernstes Problem für die österreichische Politik. Auch wenn es sich mit dem Einzug in den Nationalrat mit der Auszählung von Wahlkarten noch ausgehen sollte: Katastrophe bleibt es. Es sieht derzeit nicht nach Nationalratsmandaten aus: auch finanziell wäre das eine Katastrophe für eine Partei, die kaum von Mitgliedsbeiträgen und Spenden, sondern vor allem von der staatlichen Parteienförderung lebt. Das Überleben der grünen Partei ist derzeit in Gefahr; machen wir uns nichts vor. Aus welchem Geld soll mittelfristig eine Bundeszentrale finanziert werden? Sollen die Landesorganisationen Personal abbauen, damit es noch eine Zentrale geben kann?

Die offiziellen Gründe

Einige Gründe für das Wahldebakel werden in der Presse regelmäßig genannt: der öffentlich ausgetragene Streit mit der eigenen Jugendorganisation mit abschließendem Ausschluss der Jugend, der (viel zu späte) Rücktritt der Bundessprecherin Glawischnig, die Nicht-Wahl von Peter Pilz mit anschließender Gründung der Konkurrenzliste. Ja, das sind Gründe, aber nicht die einzigen.

Grüne wären wichtig

Ich finde eine grüne Partei im Parlament immer noch sehr wichtig und notwendig, obwohl ich den kläglichen Versuch, die Nationalratswahl zu einer Abstimmung über den Klimaschutz umzufunktionieren, auch für einen gravierenden Fehler halte, weil dieser Versuch nur ein allzu durchsichtiges Wahlkampfmanöver war. So dumm lassen sich vor allem grün-nahe WählerInnen nicht verkaufen. Ich will eine Rückkehr zu einer an grünen Grundwerten wie ökologisch, solidarisch, gewaltfrei und basisdemokratisch orientierten Partei – wobei der Grundwert basisdemokratisch sicherlich neu zu denken und mit neuen Inhalten zu füllen wäre.

Grundwerte

Ich finde es notwendig, den sogenannten Grundwert feministisch endgültig zu entsorgen. Feminismus kann kein Grundwert sein: der Grundwert müsste Gleichberechtigung lauten. Der sogenannte Grundwert feministisch führt systematisch zur Blickverengung; er führt zu subtil-dummen Slogans wie „Sei ein Mann: wähl eine Frau“, die auch engagierte Frauen abschrecken (und die Stimmen gekostet haben). Ja, es ist richtig und wichtig, dass auf wählbaren Plätzen Frauen und Männer in Summe gleichermaßen berücksichtigt werden, aber der Zwang zum Reißverschluss wird immer wieder Unsinn produzieren. An so einem Unsinn ist auch eine grüne Kandidatur von Peter Pilz gescheitert.

(Gleichzeitig könnte man auch den absolut nichtssagenden „Grundwert“ selbstbestimmt entsorgen.)

Kanten!

Es braucht eine grüne Partei, die ein kräftiges NEIN zu unsinniger und falscher Politik sagt – und nicht aus Koalitionsdisziplin herumlaviert. Grüne in den Bundesländern und in Städten sind in Regierungen und dort oft inhaltlich durch Regierungskompromisse gelähmt. Ein sehr gutes Beispiel ist die Tiroler Olympia-Abstimmung. Die Tiroler Grünen haben lange überaus „staatstragend“ keine klare Stellung bezogen; sie haben einen Abstimmungstext eingebracht oder zugelassen, der so grün-suggestiv wie nur möglich war. Trotzdem hat die Bevölkerung jenes NEIN gesagt, das schon zuvor die Partei hätte sagen müssen: Koalitionsdisziplin hin oder her.

Eine allzu kompromissbereite Regierungsarbeit macht unwählbar. Wir brauchen Grüne, die sich NEIN sagen trauen. Lavierende Grüne ziehen keine enttäuschten WählerInnen an.

Wir brauchen im Parlament eine kantige, grüne Opposition, die in Fragen der Ökologie, der gesellschaftlichen Solidarität, der Gewaltfreiheit und der Demokratie jede beliebige Regierung vor sich hertreibt. Es ist zu erwarten, dass die nächste Regierung egal welcher Farbzusammenstellung ökologische und „solidarische“ Fragen kaum oder falsch beantworten wird. Hier würde es Tätigkeitsfelder geben.

Die „Grüne Alternative“ muss Alternative sein. Ohne Kanten ist sie das nicht.


Und noch ein Nachsatz: was ich am liebsten gar nicht mehr hören würde: „Wir sind die einzigen gegen Schwarz-Blau“ (oder „gegen die FPÖ“, oder „gegen die Rechten“ …). Dieser Versuch einer unique selling proposition, wie das die Werbefritzen nennen, ist 1. nicht wirklich wahr, 2. nicht glaubwürdig, 3. nicht relevant. Ich will eine positive Definition der Grünen kennen, nicht die negative über die Gegenposition zur FPÖ. Ich hab überhaupt nichts dagegen, wenn man klar macht, dass man mit denen nicht koalieren möchte. Aber ich will konkrete Gründe für die Grünen hören, nicht nur Argumente gegen die FPÖ.


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Kommentare

3 Antworten zu „Die grüne Erneuerung? Vorschläge dazu“

  1. Avatar von michael bürkle
    michael bürkle

    sozusagen PS: Ja, ich habe grün gewählt, ich habe sogar zur wahl der grünen (in tirol) aufgerufen.
    mb

  2. Avatar von Andrea Sulzenbacher
    Andrea Sulzenbacher

    Hallo Michael, jetzt hab`ich dich zufällig gefunden und gelesen, ich stimme dir voll zu!
    Ökologisch, solidarisch und gewaltfrei fände ich schon ausreichend, weil Gleichberechtigung heißt doch auch solidarisch mit dem anderen Geschlecht. Ich hab‘ natürlich grün gewählt, bin halt eine treue Seele 😉 aber….
    ja, und Das – wir sind gegen blau (ja eh logisch) hat sich meiner Meinung nach zum Boomerang entwickelt, wenn alle Grünen, die genau darum jetzt Rot gewählt haben, bei uns geblieben wären, wären wir jetzt weiter im Parlament, aber das ist jetzt auch die Chance für einen Neuanfang, wobei ich da Zweifel habe, schon auf Grund der Zusammensetzung der Mitglieder, Alle voll engagiert, aber keine gemeinsame Strategie jede/r hat sein eigenes Thema, das für ihn/sie gaanz wichtig ist. Viele Mitglieder mit Zeigefinger (DAS nervt die Menschen am meisten, wenn ich mich so umhör‘) das ist natürlich mit nur Basisdemokratie nicht zu stemmen, der/die Vorderste muss immer Rücksicht auf Alle nehmen, das ist nicht wirklich durchführbar. Ich wünschte mir EINE Klare Linie mit KONKRETEN Vorschlägen FÜR etwas.
    liebe Grüsse Andrea

  3. Avatar von Whisker
    Whisker

    > Ich finde es notwendig, den sogenannten Grundwert feministisch endgültig zu entsorgen.
    > Feminismus kann kein Grundwert sein: der Grundwert müsste Gleichberechtigung lauten.
    Da kann ich nur beipflichten.
    Gleichberechtigung baut für mich auf zwei Grundsätzen auf:
    1) Männer und Frauen müssen sich auf Augenhöhe begegnen können.
    2) Ist das nicht der Fall, dann muss entsprechend nachgeregelt werden.

    Feminismus dagegen sehe ich mittlerweile schon seit langem problematisch.
    Nicht per se, sondern weil sich da seit Jahrzehnten einerseits Wirrköpfe mit mehr oder weniger abseitigen oder gar inakzeptablen Ideen und andererseits Trittbrettfahrerinnen und Trittbrettfahrer eingenistet haben, denen es gar nicht um Feminismus und dessen Ziele geht.
    Sondern nur noch darum, persönliche Vorteile für sich selbst zu ermogeln oder persönlichen Befindlichkeiten quasi Gesetzeskraft zu verleihen.

    Genau das vergiftet den Feminismus immer mehr, und am deutlichsten wird das z.B., wenn man sich ansieht, welche Auswüchse der Feminismus über die Jahre entwickelt hat, speziell in den USA: Da sind es nämlich gerade selbsternannte Feministinnen und Feministen, die Zensur massiv einfordern und ebenso massiv versuchen, abweichende Meinungen mundtot zu machen. Und das ganze mit der perfiden Begründung, man wolle ja nur Menschen vor Dingen wie „Mikroaggressionen“ und ähnlichem schützen.
    Tatsächlich gehts in solchen Fällen jedoch in der Regel nur darum, Diskussionen zu vermeiden, die „unangenehm“ werden könnten, weil man eventuell auch die eigenen Positionen mal kritisch hinterfragen müßte.

    > Der sogenannte Grundwert feministisch führt systematisch zur Blickverengung
    Ja, eben. Und dann kommt es zum Beispiel zu Sachen wie bei der letzten Landesversammlung der Grünen, wo eine Frau zur Spitzenkandidatin gewählt wird und sich bei der Wahl für den zweiten Listenplatz in der Fragerunde eine Frau darüber aufregt, dass „nur“ vier Männer zur Auswahl stünden und keine Frau.

    Für mich war das damals ein Indiz dafür, dass der Feminismus mittlerweile sehr problematisch geworden ist.
    Denn sinnvoller als noch mehr Regelungen einzuführen, damit Frauen ja nicht unterrepräsentiert sind, wäre es, wenn genau solche Frauen wie die von der LV sich entweder selbst aufraffen und kandidieren würden. Oder andere Frauen in ihrem Umfeld stärken und überzeugen würden, dass sie sich eine Kandidatur zutrauen können und sollen, wenn sie die Kompetenzen für ein politisches Amt hätten.
    Wie mir Eva Lichtenberger bei der LV gesagt hat: Sie hat sichs selbst am Anfang auch nicht zugetraut, aber sie hats probiert (und wie es mit der Eva weiterging, ist allgemein bekannt, denk ich).

    Oder auch die Geschichte um die Wahl von Georg Willi als Spitzenkandidaten bei der Bezirksversammlung im Frühjahr: Da waren nicht wenige Grüne ziemlich angestochen, weil die Sonja nicht gewonnen hat.
    Auf einmal gab es da Gerüchte, dass der Georg nur gewonnen hätte, weil auf einmal soviele neue Leute da gewesen wären und es wurde der Vorwurf laut, dass die Wahl mit Hilfe dieser Wähler geschoben worden wäre, damit der Georg gewinnt.
    Und dazu hieß es quasi, wir Grünen hätten gefälligst nur eine Frau zu wählen.

    Wenn Feminismus nach grüner Lesart jetzt so aussieht wie in den beiden Beispielen, dann liegen die Grünen und ich beim Thema „Feminismus“ wohl mittlerweile in etwa so weit auseinander wie die ÖVP und ich beim Thema „Sozialer Staat“.
    Wenn es da nur noch darum geht, Frauen pauschal und unreflektiert zu pushen, dann geht das für mich schon ziemlich deutlich in Richtung einer weltanschaulichen Bankrotterklärung. So etwas ist kein Feminismus mehr, sondern nur die Forderung nach einem Patriarchat mit geändertem Vorzeichen. Und das lehne ich genauso entschieden ab wie die Benachteiligung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts.

    Zur Erinnerung:
    Meine Forderung lautet „Gleichberechtigung“, und das bedeutet:
    Begegnung auf Augenhöhe, und wenn das nicht der Fall ist: Nachregeln.

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