Der Star
Wolfgang Hattmannsdorfer ist ein aufgehender Stern in der ÖVP. Er hat in den letzten Jahren einen erfolgreichen Aufstieg bis in die Regierung hinter sich gebracht.
Heute fordert er im Standard auf Seite 1 „mehr Fleiß und Leistungsbereitschaft“ von uns Österreicher:innen. Hattmannsdorfer hat etwas gegen „freiwillige“ Teilzeitarbeit und will Teilzeitarbeit deshalb „weniger attraktiv“ gestalten. Offenbar ist Teilzeitarbeit für Hattmannsdorfer eine Form der gesellschaftlichen Faulheit – aber so sagt er das natürlich nicht. Aber weiß er, was er mit der Forderung nach „mehr Fleiß“ vermittelt? Ist das Absicht?
Wer ist betroffen?
Wen betrifft Teilzeitarbeit in Österreich? Insgesamt rund 1,5 Millionen Menschen. „Bei erwerbstätigen Frauen sind es mehr als 50 Prozent, bei Männern knapp über 13 Prozent.“ So viel Faulheit? Gerade unter Frauen?
Eine Ahnung?
Hattmannsdorfer hat offenbar wenig Ahnung, was die Gründe für Teilzeitarbeit sind. Mehr als 50 Prozent der Frauen sind offensichtlich nicht faul, sondern sie kümmern sich: sie leisten in unzähligen Fällen unbezahlte Care-Arbeit für Kinder und für alte Menschen. Das geht sich mit einem ganzen Job im Normalfall nicht aus. Das ist auch nicht wirklich „freiwillig“, obwohl die Frauen meistens niemand dazu „gezwungen“ hat.
Aber auch die 13% Männer, die in Teilzeit arbeiten, sind nicht „faul“, wie Hattmannsdorfer meint. Die haben unter Umständen auch Pflegepflichten; sie haben vielleicht auch keine Chance auf eine ganze Stelle – so ist es auch mir über mehr als ein Jahrzehnt ergangen. Immer nur „halb“.
Und es gibt noch andere sehr gute Gründe, die Hattmannsdorfer offenbar nicht kennen will. Arbeit ist körperlich-physisch heute im Schnitt vielleicht nicht mehr so stressig wie früher, aber psychisch-mental kann Arbeit heute enormen Stress bedeuten. Da finde ich es vernünftig, wenn Menschen ihre private Arbeitszeitverkürzung in Anspruch nehmen, wenn das geht. Es haben sich Wertesysteme geändert: das hat nichts mit Faulheit zu tun.
Wenig Ahnung!
Ich denke, der Herr Wirtschaftsminister hat von der Lebensrealität arbeitender Menschen wenig Ahnung, wenn er in der Ursachenforschung auf „zu wenig Fleiß und Leistungsbereitschaft“ kommt.
Die Produktivität unserer Wirtschaft steigt unaufhörlich und in ungesundem Maß. (Der Klimawandel ist nur eine Folge davon.) Wir brauchen deshalb eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung. Wir müssen Arbeit fairer fair-teilen. Dann würden auch mehr Menschen „voll“ arbeiten.
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