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Klimaprotest und Strafrecht

Zwei Systeme

In Österreich gibt es (mindestens) 2 Teil-Rechtssysteme. Das Strafgesetzbuch (StGB) fasst die „ernsten“ Strafen zusammen. Im sogenanten Verwaltungsrecht kommen die kleineren Vergehen unter. Wer falsch parkt, bekommt über ein „Strafmandat“ eine Verwaltungsstrafe und ist deshalb aber noch nicht vorbestraft. Vorstrafen sind Strafen, die nach dem StGB ausgesprochen worden sind. (Vorstrafen sind i.A. Karrierehindernisse, außer vielleicht im Top-Management.)

Verwaltungsstrafen sind meistens Geldbußen; wenn jemand nicht zahlen kann, kann er / sie die Verwaltungsstrafe auch „absitzen“ und zahlt dann nichts. In aller Regel muss man aber zahlen; man kann sich nicht einfach „frei“ aussuchen, ob man sitzt oder zahlt. Der Staat will an sich Geld sehen, nicht Parksünder (u.dgl.) einsperren. Wer ein regelmäßiges Einkommen hat, wird zahlen müssen; nur wer arm genug ist, kann „sitzen“.

Auch Straßenblockaden sind Verwaltungsübertretungen und führen an sich nicht zu Vorstrafen. Eine Häufung der Teilnahme an Straßenblockaden kann dazu führen, dass der Strafbetrag höher wird. (Das ist afaik auch bei Geschwindigkeitsübertretungen so.)

Sind Änderungen nötig?

In letzter Zeit verlangen FPÖ- und manche ÖVP-Politiker, dass man politische Aktionen wie Straßenblockaden dem Strafrecht zuordnet. Alle vernünftigen Jurist*innen, die ich kenne – und das sind ein paar – halten das für Unsinn. Aber die niederösterreichische Landeshauptfrau Mikl-Leitner will das. Auch Staatssekretärin Plakolm (ebenfalls aus Niederösterreich) ist mindestens für eine „Prüfung“ dieses Ansinnens. (Plakolm fordert das nicht; sie ist lediglich für eine Prüfung.)

Ich glaube nicht, dass Mikl-Leitner das StGB für Sitzblockaden „will“. Ich glaube allerdings, dass sie die nächste Landtagswahl gewinnen will. Dazu ist ihr fast jedes Mittel recht – auch dieses. (Plakolm muss keine Landtagswahl gewinnen; also ist sie vorsichtiger.) Mikl-Leitner riecht Stimmengewinne bei „hartem“ Auftreten. Aber womöglich verriecht sie sich da. Man kann sich ja auch verhören, verschauen oder vergucken.

(Schwere) „Sachbeschädigung“ und „Widerstand gegen die Staatsgewalt“

Es gibt im StGB schon jetzt 2-3 Paragraphen, die bei politischen Aktionen schlagend (beinahe im Wortsinn!) werden könnten: die „Sachbeschädigung“ (StGB § 125 bzw. als „schwere“ Variante StGB § 126) und „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ (StGB § 269).

Zur Sachbeschädigung (§ 125)

Wer eine fremde Sache zerstört, beschädigt, verunstaltet oder unbrauchbar macht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

Ja, das ist so.

Aber eine Sitzblockade zerstört, beschädigt, verunstaltet keine Straße und macht sie auch nicht unbrauchbar. Nicht einmal, wenn man sich anklebt. Die Straße wird nicht unbrauchbar.

Zur schweren Sachbeschädigung (§ 126)

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist zu bestrafen, wer eine Sachbeschädigung begeht
1. an einer Sache, die dem Gottesdienst oder der Verehrung durch eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft gewidmet ist,
2. an einem Grab, einer anderen Beisetzungsstätte, einem Grabmal oder an einer Totengedenkstätte, die sich in einem Friedhof oder einem der Religionsübung dienenden Raum befindet,
3. an einem öffentlichen Denkmal oder an einem Gegenstand, der unter Denkmalschutz steht,
4. an einer Sache von allgemein anerkanntem wissenschaftlichem, volkskundlichem, künstlerischem oder geschichtlichem Wert, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung oder sonst an einem solchen Ort oder in einem öffentlichen Gebäude befindet,
5. an einem wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs.1 Z11) oder
(Anm.: Z.6 aufgehoben durch BGBl. I Nr.154/2015)
7. durch die der Täter an der Sache einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt.

(2) Wer durch die Tat an der Sache einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

Ja, so ist das. Es geht einerseits um die besondere Höhe des Schadens oder um Schaden an besonders geschützten Sachverhalten: Religion, Wissenschaft, Kunst.

Für die Letzte Generation käme da allenfalls Zi. 4 in Frage. Naja: wenn man anerkannte Kunstwerke beschädigt, wäre das schwere Sachbeschädigung. Aber die Aktivist*innen, die „Bilder zuschütten“, schauen ja sehr genau darauf, ob und dass diese Bilder durch Glasplatten geschützt sind. Also entsteht da keine Sachbeschädigung, weder eine schwere noch eine gewöhnliche. Nur Aufsehen – das man evtl. nützen kann.

Zum Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 269)

(1) Wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt und wer einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, im Fall einer schweren Nötigung (§ 106) jedoch mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Amtshandlung nötigt.
(3) Als Amtshandlung im Sinn der Abs. 1 und 2 gilt nur eine Handlung, durch die der Beamte als Organ der Hoheitsverwaltung oder der Gerichtsbarkeit eine Befehls- oder Zwangsgewalt ausübt.
(4) Der Täter ist nach Abs. 1 nicht zu bestrafen, wenn die Behörde oder der Beamte zu der Amtshandlung ihrer Art nach nicht berechtigt ist oder die Amtshandlung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt.

Ja, so ist das.

Dasitzen und eine polizeiliche Anordnung nicht befolgen, ist also kein „Widerstand gegen die Staatsgewalt“, weil das weder eine Gewalt darstellt noch eine Drohung mit Gewalt. Dasitzen ist nicht Gewalt. Gewaltanwendung oder mindestens die Drohung damit ist aber ein definierendes Merkmal des „Widerstands gegen die Staatstgewalt“. Einfach nur „Widerstand“ – oder genauer: „ziviler Widerstand“ – ist noch keiner gegen die Staatsgewalt.

Wenn man allerdings von Polizeikräften weggetragen wird und dabei womöglich etwas unkontrolliert herumfuchtelt, kann man von Polizeikräften als Gewalt androhend missverstanden werden. Dann kann es zu einer Anzeige wegen § 269 StGB kommen. Dann ist wichtig, Zeug*innen zu haben, die bestätigen können, dass keine Gewalt oder keine Drohung mit Gewalt im Spiel war.

Verwaltungsstrafen

Der Vollständigkeit halber: das wichtigste Gesetz hier ist das Versammlungsgesetz („VersG“). Politische Aktionen unterliegen meistens – wenn mehr als 2 Personen zusammenkommen – dem Versammlungsgesetz. Versammlungen sind Demonstrationen, Kundgebungen, Sitzblockaden usw. usf.

Solche Versammlungen sind laut VersG 48 Stunden vorher anzumelden, sagt Abs. 1 von § 2 des VersG:

(1) Wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, muß dies wenigstens 48 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (§16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 48 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.

Wenn man das nicht tut und sich trotzdem versammelt, begeht man eine Verwaltungsübertretung. Aber es handelt sich dann immer noch um eine Versammlung – halt eine ohne korrekte Anmeldung.

Die zweite Gesetzespassage, die hier relevant ist, ist der § 14 VersG:

(1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

Eine Versammlung muss beendet werden. Das kann die Versammlungsleitung machen, das kann auch durch die Polizei geschehen. Danach müssen die Versammlungsteilnehmer*innen den Versammlungsort „sogleich“ verlassen.

Was heißt „sogleich“? Das muss man eventuell juristisch klären. Ich würde meinen: „so bald wie möglich“. Wenn man aber festgeklebt ist, ist das nicht „sofort“ möglich.

Eine Warnung an alle ÖVP- und FPÖ-Politiker

Ich möchte alle Politiker*innen – Landeshauptfrauen, Staatssekretärinnen, Minister, Klubobmänner, Stadträte – davor warnen, das StGB in Richtung VersG zu erweitern. Das kann beträchtlich schief gehen. Da könnten sie schnell feststellen, dass sich womöglich auch ihre eigenen Söhne und Töchter und Enkel und Enkelinnen plötzlich Vorstrafen einfangen. ÖVP-Kluobmann August Wöginger weiß, wovon ich spreche.

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