Ein Kopftuchverbot
Vorgestern hat „Integrationsministerin“ Claudia Plakolm auf tiktok angekündigt, an einem Kopftuchverbot für Mädchen zu arbeiten.
Plakolm meint:
Das Kopftuch ist ein Zeichen der Unterdrückung. Mädchen werden in einer ganz entscheidenden Phase, wo sich die Persönlichkeit entwickelt, wo sich der Körper entwickelt, hinter dem Kopftuch versteckt. Und diese extremistischen Tendenzen – gerade bei Kindern – haben einfach an unseren Schulen nichts verloren.
Gestern und heute hat es bereits einige Reaktionen gegeben. Leser:innen auf Plakolms tiktok-Seite sind da durchaus verschiedener Meinung; die islamische Glaubensgemeinschaft IGGÖ hat auch schon Stellung bezogen:
Kindeswohl darf nicht gegen Religionsfreiheit ausgespielt werden; Klarstellung der Ministerin notwendig
Plakolm auf ideologischer Irrfahrt
Plakolm meint, das Kopftuch sei ein Zeichen der Unterdrückung. Das ist unglaublich naiv: zwar nicht unglaublich für eine durchschnittliche 31-jährige Mitteleuropäerin, aber für eine Politikerin, die als Integrationsministerin erfolgreich arbeiten soll, sehr wohl. Ich kann durchaus verstehen, dass die islamische Verschleierung von vielen Menschen als Instrument der Unterdrückung gesehen wird – weil sie als erzwungen gesehen wird. Auch ich kann bestimmte Formen der Verschleierung nicht akzeptieren: die „Totalverhüllung“ zum Beispiel. Ich will Menschen ins Gesicht sehen können.
Ich weiß aber, dass junge muslimische Frauen das Kopftuch auch als Zeichen der Reife tragen wollen. Ich habe das hier bereits in einem Artikel aus eigener Erfahrung diskutiert: „Fatima. Leyla. Und das Kopftuch“ vom 12.9.2018. (Eine Studierende hatte sich am Abendgymnasium bei mir angemeldet; ohne Kopftuch. Am nächsten Tag war ihr erster Schultag: sie trug ein Kopftuch. Ein Jahr später wiederholte sich das mit ihrer Schwester. Für die beiden Mädchen bzw. jungen Frauen war das Kopftuch ein Zeichen ihrer Reife. Sie wollten es tragen.)
Ein freiwillig getragenes Kopftuch ist kein Zeichen einer Unterdrückung. Es ist ein Zeichen einer Unterdrückung, wenn man keines tragen darf, obwohl man das will. Oder wie Plakolm-Leserin „Lisa“ formuliert hat:
Freiheit bedeutet auch zu ENTSCHEIDEN, was ich anziehe und nicht, dass ich gezwungen werde etwas NICHT anzuziehen. Beide Richtungen sind Zwang und nicht okay!
Ich habe auch keine Lösung …
… aber ich denke, in Migrations- und Integrationsfragen ist immer das Gespräch wichtig. Ich schlage vor: wenn ein Mädchen von 12, 13, 14 ein Kopftuch tragen will, soll sie das der Lehrperson mitteilen. Ob das eine freiwillige Entscheidung ist, ist in einem Gespräch zwischen Lehrer:in, der Betroffenen und den Eltern (und evtl. der Direktorin / dem Direktor) zu klären. Wenn für die Schule die Freiwilligkeit wahrscheinlich ist, kann sie es erlauben.
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