Veröffentlicht in allgemein, Bildung, Politik

Ein Muster unserer Politik(er)

Die Regierung will die CO2-Bepreisung verschieben …

Das ist einerseits verständlich. Die Regierung steht unter Druck. Die Inflation ist hoch und wird von den Preisen für fossile Energie angetrieben.

Das ist andererseits ein Blödsinn, denn damit löst man das Problem nicht: im Gegenteil. Die Preise für fossile Brennstoffe werden noch viel mehr steigen, denn fossile Brennstoffe werden ausgehen – zuächst einmal immer knapper werden. Das Angebot wird immer geringer; bei steigender Nachfrage explodieren die Preise. Dass wir durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine das derzeit noch beschleunigt erleben, ist nur ein momentaner zusätzlicher Faktor.

Tatsächlich müssen wir uns an saftige CO2-Bepreisungen gewöhnen – je schneller desto besser. Eine verantwortungsvolle Regierung würde das nicht verschieben: nicht auf November, nicht auf Oktober. Aber Regierungen sind natürlich der kurzfristigen Logik von Parteipolitik unterworfen. Und da muss – scheinbar – etwas gegen Inflation unternommen werden, auch wenn die Maßnahmen aus einer mittel- bis langfristigen Logik völliger Unsinn sind.

Die NGO VCÖ rechnet vor, dass eine Verschiebung der CO2-Bepreisung denen nützt, die viel Auto fahren – das sind grosso modo die Wohlhabenden (und die, die das Klima versauen). Klug wäre, die CO2-Bepreisung für die weniger Wohlhabenden mit entsprechendem Klimageld abzufangen.

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Unfähigkeit!

Und da sind wir bei einem grundlegenden Problem: demokratisch legitimierte Regierungen müssen an Wahlen und Wahlergebnisse denken. Sie sind damit unfähig für eine zeitlich und räumlich „umfassende“ Politik. Sie sind unfähig, wirklich global zu denken – sie denken in den Grenzen ihrer Nationalstaaten – und sie sind unfähig, über die Regierungsperiode hinaus zu denken – sie denken bis zum nächsten Wahlergebnis.

Damit ich nicht missverstanden werde: autoritäre, undemokratische Regierungen sind um nichts besser. Sie denken an ihren Machtklüngel. Putin, Orban, Erdogan – um nur die bekannteren europäischen Vertreter zu benennen.

Der Mensch ist gut

Ohne Ironie: ich bin der Überzeugung, dass der Mensch (an sich) gut ist. Er ist nicht besonders schnell – im Tierreich gibts schnellere; er ist nicht besonders stark – im Tierreich gibts stärkere. Aber er ist „gut“ in dem Sinn, dass er sich hervorragend sozial organisieren kann. Wir haben als Menschheit die Evolution nicht überlebt, weil wir stärker oder schneller waren, sondern weil wir intelligent organisieren konnten. (Auch Tierrudel können ganz gut organisieren, aber zu derart komplexen Organisationsleistungen wie Menschen sind Tiere nicht fähig.)

Allerdings: auf welcher Ebene haben wir als Menschen organisieren gelernt? Zunächst auf der Ebene der Großfamilie, der Sippe – mit so 20-30 Personen. Dann auf der Ebene des Stamms – mit mehreren 100 Personen. Mit zusätzlichen Techniken – „Demokratie“ in all ihren Spielarten – haben wir auch Staaten mit Millionen Menschen organisieren gelernt. Mehr oder weniger gut; es hapert immer wieder.

Kernpunkt der sozialen Organisation ist immer der Ausgleich zwischen den Interessen der Individuen und denen der Gemeinschaft. Die Interessen der Individuen sind potenziell gefährlich: sie gefährden die Gruppe. Der Kapitalismus geht davon aus, dass die Interessen der Individuen in Summe das Interesse der Gruppe, das Gemeinwohl abbilden. Das ist Unsinn; vielfach widerlegt.

Und wir müssten uns heute global organisieren – mit einer globalen Wirtschafts-, Sozial-, Bildungs- und Gesellschaftspolitik. Und das haben wir nie gelernt. Nicht im Neandertal, nicht in Europa, nicht in Amerika, nicht in Russland und China. Und es funktioniert deshalb auch nicht. Wir haben nie gelernt, Milliarden Menschen sozial zu organisieren. Wir können das nicht.

Und ich fürchte sehr, dass wir das nicht schnell genug nachlernen können.

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