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Nation und Nationalismus

Schwierige Begriffe zum Nationalfeiertag

Heute „feiern“ wir den Nationalfeiertag; ich habe die Hymne noch nicht gesungen, ich habe keine Angelobungsrituale von Präsenzdienern besucht – obwohl ich mich durchaus als guten Österreicher empfinde. Als Vorarlberger bin ich auf die Welt gekommen und aufgewachsen; in Tirol habe ich studiert und gearbeitet: es gelingt mir deshalb nicht ohne Weiteres, mich als Vorarlberger oder Tiroler zu fühlen. Beides stimmt nicht ganz; als Österreicher hab ich kein Problem; Europäer bin ich auch.

Nation

Nation meint eine Zusammengehörigkeit; ursprünglich eine der Geburt. Man hat versucht das auch auf Sprache zu beziehen; auch Religion ist herangezogen worden. Letztlich geht es aber um gemeinsame Traditionen. Im serbokroatischen Sprachgebiet gibt es vermutlich drei Nationen: Bosnier, Kroaten, Serben. Alle sprechen sie gleich, aber Traditionen über Religion und Schrift definieren Nationen. Im deutschen Sprachgebiet gibt es auch vermutlich drei Nationen: Deutsche (im engeren Sinn), Österreicher, Schweizer. Alle sind sie durch verschiedene Traditionen gekennzeichnet; Religion spielt da keine wirkliche Rolle; aber Konversationsmaximen spielen eine wesentliche Rolle. (In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird nach verschiedenen Regeln kommuniziert, und das stimmt sehr gut mit der Staatsgrenze überein. Das ist auch sprachwissenschaftlich gut untersucht. Alle sprechen sie Deutsch, aber nach verschiedenen Konversationsregeln. Man merkt das in sich wiederholenden Missverständnissen.)

Manche Rechtsextreme sehen das anders: sie meinen, Österreich sei keine Nation. Sondern Teil des „Deutschtums“. Diese Deutschtümelei ist eine Deutschdümmelei; der Großpopulist aller Populisten, ein gewisser Jörg Haider, hat sich sogar im Jahr 1988 zur Aussage verstiegen, die österreichische Nation sei eine „ideologische Missgeburt“. Ab und zu flackert das in rechtsextremen Kreisen noch auf, aber im Prinzip haben die allermeisten kein Problem.

Die „einheitliche Geburt“, der ursprüngliche Nationsbegriff, ist sowieso völlig obsolet. Über Jahrhunderte sind Völkerschaften gewandert und haben sich genetisch vermischt. Und haben aus ihren Traditionen dann durch das Zusammenleben gemeinsame gemacht. Man sehe sich ein österreichisches Telefonbuch und ein österreichische Kochbuch an. Oder ein deutsches Telefonbuch und ein deutsches Kochbuch.

Eine sehr gute Idee zum heutigen Nationalfeiertag hatte der Radiosender Ö1. Er stellte den Nationalfeiertag unter das Motto „Nationalfeiertag der Vielsprachigkeit“ und ließ Österreicherinnen und Österreicher in vielen Sprachen zu Wort und Ton kommen. Es gibt da viel in der österreichischen Nation.

Nationalismus

Wenn man den Begriff Nation übersteigert, entsteht Nationalismus: der Versuch, etwas, was man als „eigene“ Nation begreift, über die Maßen hoch zu werten – und damit anderes abzuwerten. Nation ist weder gut noch schlecht, sondern einfach die Übereinstimmung von Traditionen. Nationalismus ist aber eine Art Krankheit, die schon zu verheerenden Katastrophen geführt hat.

Deswegen bin ich bei Nationalfeiertagen immer wieder skeptisch. Das Feiern einer Nation kann leicht in milde Formen des Nationalismus kippen. Ich finde Waffenschauen an Nationalfeiertagen nicht klug; Waffen sind immer auch „gegen andere“ gerichtet. Ich finde es durchaus proto-nationalistisch, wenn ein paar hundert Rekruten gemeinsam „ich gelobe“ brüllen. Man kann „geloben“ nicht auf Befehl; das geht nicht; das gilt nicht.

Man kann harmlosere Spielarten des Nationalismus oft beim Sport sehen, z.B. gestern im Fernsehen. Der österreichische Tennisspieler Dominic Thiem hat gegen den US-Amerikaner Tommy Paul knapp (2:6, 7:6, 7:6) gewonnen; vor heimischen Publikum. Die Fratzen, die heimische Tennisfans bei den Punkten für Thiem gezogen habem, waren abgrundhässlich und aggressiv: laut schreiend, Fäuste schwingend; Triumphgeheul. Da war österreichische Identifikation sichtbar – und auch die Abwertung des Gegners.

ismus ist das Problem

Wenn man eine Eigenschaft zum Prinzip erhebt, kann man das sprachlich mit dem Suffix -ismus tun. Die Nation ist ein interessanter, nicht völlig eindeutiger Begriff; der Nationalismus ist eine gesellschaftliche Krankheit. Der Islam ist eine in Österreich anerkannte Religion; der Islamismus als Versuch, das gesamte gesellschaftliche Leben auf den Regeln des Islams zu organisieren, ist eine gesellschaftliche Krankheit. Auch das Christentum hat Fundamente; das gesamte gesellschaftliche Leben am Christentum auszurichten, ist (christlicher) Fundamentalismus und eine gesellschaftliche Krankheit.

(Ich weiß eh, dass nicht jeder –ismus schon per se eine Krankheit erzeugt; krank ist immer die Aufwertung des Eigenen in der Abwertung des Anderen.)

Das Schöne an den Traditionen der Nation Österreich ist an sich ein gewisse jahrhundertelang geübte Aufgeschlossenheit gegenüber dem Anderen. Das sollte man pflegen.

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