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Michael Bürkle

Tiefer Zwiespalt in Israel

Militärchefanwältin zurückgetreten und festgenommen

Schon vor einem Jahr ist ein Video öffentlich geworden, das zeigt, wie israelische Soldaten einen gefangen genommenen Palästinenser foltern – bis er krankenhausreif ist. Folter eines gefangenen Feinds ist vermutlich in jedem Krieg immer wieder auf der Tagesordnung – obwohl das nach der „dritten Genfer Konvention“ nicht erlaubt ist. Allerdings betrachtet das israelische Militär gefangene Hamas-Aktivisten nicht als Kriegsgefangene und entzieht ihnen damit die ihnen zukommenden Rechte.

Auf der Basis dieses Videos wurden 5 israelische Soldaten wegen schwerer Misshandlung angeklagt. Inwieweit sie auch verurteilt wurden, ist mir derzeit nicht bekannt.

Nun hat die israelische Militärchefanwältin Jifat Tomer-Jeruschalmi die Verantwortung dafür übernommen, dass dieses Video an die Öffentlichkeit gelangt ist. Sie ist außerdem von ihrer Funktion zurückgetreten und sie ist von den israelischen Behörden festgenommen worden. Von ihr ist offenbar ein Rücktrittsschreiben vorhanden, in dem sie erklärt, „die israelische Armee sei «eine moralische und gesetzestreue Armee, und daher muss sie auch während eines schmerzhaften und langwierigen Krieges illegale Handlungen untersuchen»“.

Ja, ich finde das richtig. Auch im Strudel völkerrechtswidriger Grausamkeiten kann man versuchen, so etwas wie rechtsstaatliche Grundlagen zu retten und Gewaltexzesse zu verhindern.

Eine Feindfigur

Frau Tomer-Jeruschalmi ist damit aber zu einer Feindfigur für die rechtsextremen Parteien geworden, die auch in der israelischen Regierung vertreten sind. Der rechtsextreme Verteidigungsminister Israel Katz hat ihr vorgeworfen, israelische Soldaten „verleumdet“ zu haben. Damit verdreht Katz – wie im Krieg üblich – die Wahrheit. Wer die Wahrheit berichtet, indem er / sie ein Video den Medien zugänglich macht, verleumdet nicht, sondern macht eine unangenehme Wahrheit zugänglich.

Auch Ministerpräsident Netanyahu stößt ins gleiche Horn: er sieht in der Veröffentlichung des Videos den „möglicherweise schlimmsten Anschlag“ auf das Image Israels seit der Staatsgründung. Auch Netanyahu sagt nicht Wahrheit: nicht die Veröffentlichung des Videos ist ein Anschlag auf Israels Image, sondern die Tatsache, dass in der israelischen Armee gefoltert wird.

Was lernen wir daraus

Krieg an sich ist immer von Übel. Auch an sich „zivilisierte“ Staaten oder Institutionen wie das an westlichen Werten orientierte Israel werden im Krieg bisweilen zu Monstern.

Allerdings ist Israel nicht ein zur Gänze an westlichen Werten orientierter Staat. Rechtsextreme und ultraorthodoxe Menschen – Wähler:innen und Politiker:innen – leben nach Wertvorstellungen aus der Bronzezeit. Nach denen „gehört“ ihnen das ganze Land Palästina, weil ihnen das von „Gott gegeben“ wurde; und nach diesen Wertvorstellungen gilt auch das Prinzip der Rache: „Aug um Aug, Zahn um Zahn“, so lange, bis alle zahnlos und blind sind. Mit denen ist kein moderner, demokratischer Staat zu machen.

Wir – wir alle, alle Menschen, alle Staaten – müssen vom Staat Israel das Einhalten des Völkerrechts einfordern. Israel entzieht sich konsequent dieser Aufgabe und bricht das Völkerrecht permanent: in Gaza, im Westjordanland durch den Bau völkerrechtswidriger Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, durch unter israelischem Militärschutz stattfindende Überfälle auf palästinensische Bauern und Bäurinnen bei der Olivenernte usw. usf.

Aber auch im Krieg und auch in Israel gibt es Menschen, die offensichtliches Unrecht nicht aushalten wollen oder können und im Rahmen ihrer Möglichkeiten dagegen auftreten. Dass es diese Menschen dann manchmal innerlich „förmlich zerreißt“, muss man versuchen aufzufangen. Auf die israelische Regierung ist da kein Verlass. Ich würde Frau Tomer-Jeruschalmi Asyl in Österreich gewähren und ihr eine neue Identität anbieten, wenn sie das will. Ich glaube nicht, dass sie in Israel noch ihres Lebens sicher ist.


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