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Umfragen Unfragen

tja, Umfragen …

Ich weiß ich weiß: Umfragen nach möglichen Wahlergebnissen darf man nicht allzu ernst nehmen. Es gibt für (fast) jede Umfrage einen Auftraggeber; der hat Interessen. Wenn das Umfrageinstitut die Interessen nicht erfüllt, kann der Auftraggeber nächstes Mal ein anderes Institut beauftragen. Es gibt Qualitätskriterien für Umfragen, die keineswegs allgemein eingehalten werden. Außerdem: die veröffentlichten Umfragedaten sind nie – nie! – die tatsächlich erhobenen Daten, die „Rohdaten“. (Die werden praktisch nie publiziert.) Jedes Meinungsforschungsinstitut errechnet nach bestimmten mathematischen Modellen aus den tatsächlich erhobenen Daten die dann später veröffentlichten Daten aus. In diese Rechenmodelle fließen Meinungen, Einschätzungen und auch Auftraggeberwünsche ein. Vor allem, wie der große Teil der Befragten, die keine Antwort geben, einzuschätzen ist, ist oft Kaffeesudleserei höherer Sorte. (Oft ist nicht einmal angegeben, wie viele Befragte keine Antwort geben, aber so ein Drittel bis zu 40% können es immer sein.) Im Umrechnen der Rohdaten auf ein realistisches Umfrageergebnis zeigt sich die Meisterschaft des Meinungsforschungsinstituts, aber oft auch die Fehlerhaftigkeit der verwendeten Rechenmodelle.

Das alles gilt selbstverständlich auch für mögliche Ergebnisse einer österreichischen Nationalratswahl.

Derzeit in Österreich

Trotzdem: ich hab mir in Bezug auf österreichische Nationalratswahlen die Ergebnisse von Meinungsumfragen der letzten Monate angesehen. Die verdienstvolle web site neuwal.com sammelt solche Ergebnisse, kommentiert und bewertet sie und tut auch sonst interessante Datenaufbereitung zur österreichischen Politik. (Sie stellt z.B. Rede- und Interviewtranskripte zur Verfügung.)

Das einzelne Umfrageergebnis ist uninteressant. Eine Menge von Ergebnissen verschiedener Institute und Auftraggeber kann interessant werden:

In den Umfrageergebnissen der letzten Monate war immer die ÖVP stärkste mit stabilen 31-33%. Die SPÖ kommt auf 25-28% und ist meistens zweite, die FPÖ kommt auf 23-29% und ist in der Regel dritte. Die Regierung kommt auf relativ stabile 55-60%, die Opposition auf 39-42%. Das stimmt alles recht gut zu den Ergebnissen der Nationalratswahl am 15.10.2017 mit ÖVP 31,5%, SPÖ 26,9%, FPÖ 26%, Neos 5,3%, Pilz 4,4% und Grüne 3,8%. Wählerwanderungen gibt es derzeit nur in geringen Ausmaßen zwischen ÖVP und FPÖ bzw. zwischen SPÖ und FPÖ.

Es tut sich zwischen den Lagern nicht viel. Die Regierung verliert trotz ihrer Politik kaum Stimmen. Die Opposition gewinnt trotz Regierungspolitik nichts. Naja: wesentliche Teile der Opposition sind in einem unverantwortlichen Ausmaß fast ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. (Die Satireseite Tagespresse hat das Desaster um die Liste Pilz bereits als Regierungsprojekt zur Ablenkung von ihrer Sozialpolitik enttarnt.) Oder sie sind in einem unverantwortlichen Ausmaß als Opposition absent. (Das gilt für die Grünen, aber auch für die SPÖ.)

Grüne und Liste Pilz sind kommunizierende Gefäße. Gemeinsam kommen sie regelmäßig auf 6-8%, selten ein bisschen mehr. Wenn die Liste Pilz in einer Umfrage schlecht abschneidet, kommen die Grünen halbwegs gut davon – und umgekehrt. So wie die oppositionelle Lähmung die eigentliche Stärke der Regierung ist, so ist das Pilz’sche Chaos derzeit die einzige Stärke der Grünen. Die Grünen werden kaum als Oppositionspartei wahrgenommen: wenn sie wahrgenommen werden, dann durch ihre Regierungsbeteiligungen auf Landesebene: Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Wien. Eine grüne, notgedrungen außerparlamentarische Oppositionspolitik auf Bundesebene ist immer noch nicht wahrnehmbar. Es wird für die Grünen schwierig werden, sie auf der Basis von Regierungsbeteiligungen in den Ländern wahrnehmbar zu machen.

Die Liste Pilz ist erfolgreich dabei, sich ihrer WählerInnen zu entledigen. Mit einem einzigen Ausreißer von 6% dümpelt sie nur mehr zwischen 2 und 3% herum.

Die Stärke dieser Bundesregierung ist vor allem die Schwäche ihrer Opposition.

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