Veröffentlicht in Politik

Warum van der Bellen? Warum Hofer nicht?

Zum 1. Mai: Warum ich van der Bellen wählen werde. Warum man überhaupt van der Bellen wählen sollte. Und ob es sinnvoll und richtig ist, dem Kandidaten Hofer Hitlerbärtchen aufzumalen

Warum Alexander van der Bellen als Präsident

Weil er seit Jahren schon gegenüber der Partei, die ihn aufgestellt hat, weitgehend unabhängig ist. van der Bellen war schon als grüner Bundessprecher oft mit wesentlichen Teilen der Partei nicht einer Meinung. van der Bellen hat das Zeug, ein weitgehend unabhängiger Bundespräsident zu werden.

van der Bellen ist ein ausgewiesener Fachmann im Bereich Volkswirtschaft / Wirtschaftspolitik. Das kann nur nützlich sein.

van der Bellen ist gesellschaftspolitisch liberal und weltoffen. Er genießt international viel Respekt.

van der Bellen vertritt einen einschließenden Heimatbegriff, der nicht primär zwischen „wir“ als denen, die schon seit Generationen da sind, und „denen“, die neu hinzukommen, unterscheidet.

Warum aber Norbert Hofer nicht?

Das ist nicht ganz so leicht. Der Kandidat Norbert Hofer gibt sich ebenfalls offen und sympathisch. Er hat im ersten Wahlgang mit ca. 35% der Stimmen viele Menschen überzeugt. Offensichtlich spricht er eine Stimmungslage vieler Österreicherinnen und Österreicher an.

Allerdings hat er böse Gegner. Auf Plakaten wird ihm immer wieder ein Hitlerschnäuzchen gemalt. In einer Karikatur im Standard vom 27.4. wird er auf Seite 36 als Wolf dargestellt, der vor einer großen Schüssel Kreide steht und grinsend auf 7 Geißlein schielt. Die dummen Geißlein sitzen begeistert daneben und meinen: „jung is‘ er“, „fesch und sexy“, „einfach nett, sympathisch, lieb“, „und was er sagt,“ „hat Hand und Fuß“.

Ist Hofer ein versteckter Nazi? Ein böser Wolf, der Geißlein frisst?

Nein. Ich glaube nicht, dass Hofer ein Nazi ist. Weder ein Alt-Nazi noch ein Neo-Nazi. Hitlerschnäuzchen malen hilft Hofer letztlich, fürchte ich, weil zu viele Menschen sie nicht nachvollziehen können.

Aber Hofer stammt aus dem inneren Kreis der FPÖ. Er ist von einer Unabhängigkeit weit entfernt. Er ist Mitglied einer deutschnationalen Burschenschaft. Er vertritt eine de-facto-Verfassungsänderung mit deutlichen Schritten Richtung Präsidialrepublik. Und er vertritt einen ausschließenden Heimatbegriff, der zwischen „uns“ und „den anderen“ unterscheidet und klare Grenzen zieht.

Hofer gehört damit zu denen, die in der wichtigsten Auseinandersetzung der Zukunft: die zwischen dem reichen „Westen“ und dem  geschundenen „Süden“, die Mauern hochziehen will. Er gehört zu denen, die zugunsten kurzfristiger „Sicherheit“ in Kauf nehmen, langfristig die globalen Gegensätze zu verschärfen und zu vertiefen.

Auch deshalb van der Bellen.

FPÖ und Nazis?

Natürlich gibt es in unserer Gesellschaft so etwas wie Nazis: Neo-Nazis. Menschen, die bei gegebenen Verhältnissen sofort bereit wären, Vernichtungslager zu bauen und Menschen aufgrund ihrer sogenannten „Rasse“ aus der Gesellschaft auszuschließen. Es gibt schon jetzt die, die Asylheime anzünden. Ich glaube aber nicht, dass das sehr viele sind. Norbert Burger, ein verurteilter NS-Wiederbetätiger, bekam bei der Bundespräsidentschaftswahl 1980 mit ca. 140.000 etwa 3,2 % der Stimmen. Kann schon sein, dass die neuen Nazis in den letzten 36 Jahren deutlich mehr geworden sind. Aber ich halte es für einen schweren Fehler, die FPÖ-WählerInnen in ihrer großen Zahl oder auch die FPÖ-FunktionärInnen en bloc als Nazis zu bezeichnen oder zu behandeln. Das sind sie nicht. Nicht einmal die deutschnationalen Burschenschaftler, die durchaus einige Neo-Nazi-Funktionäre hervorgebracht haben.

Natürlich hat die FPÖ als Partei ehemaliger Nazis angefangen. Nach dem 2. Weltkrieg durften sich zunächst viele ehemalige Nazi-Funktionäre nicht politisch betätigen. Manche landeten doch bei den politischen Parteien SPÖ und ÖVP, viele nicht. (Auch in der SPÖ-Alleinregierung nach 1971 gab es ehemalige Nazis; auch die SPÖ-Minderheitsregierung nach 1970 wurde von einer FPÖ unter dem ehemaligen SS-Offizier Peter unterstützt.)

Nach einigen Jahren organisierten sich viele ehemalige Nazi-Politiker im sogenannten „WdU“, später „VdU“. Aus diesen Verbänden entstand dann die FPÖ. Meine sozialistische Großmutter, die Krieg und Nationalsozialismus zur Gänze erlebt hatte, betrachtete die damalige FPÖ wirklich noch als „die Nazi“, ich kann mich gut erinnern.

Dabei muss man natürlich jedem ehemaligen Nazi zugestehen, aus der Geschichte lernen zu können und gelernt zu haben. Wenig gelernt haben Menschen wie der ehemalige FPÖ-Landesparteiobmann von Kärnten, Reinhart Gaugg, der „Nazi“ noch 1993 als „neu-attraktiv-zielstrebig-ideenreich“ buchstabierte.

Heute haben wohl die meisten FPÖ-WählerInnen und FunktionärInnen keine Verbindung zu Nazis. Warum sind sie dann bei der FPÖ gelandet?

Der wirklich gemeinsame Nenner zwischen FPÖ und Nazitum ist heute die Angst vor dem Anderen, verbunden mit der Angst vor dem Verlust eigener Vorteile. Die Angst vor den Juden (und den „Zigeunern“ und den Homosexuellen und den Slawen …) hat die Nazis ausgemacht und ihnen Zulauf verschafft. Die Angst vor den Türken, den Arabern, den Moslems macht die heutige FPÖ (und in Deutschland die AfD, und jenseits von Parteien die sogenannten „Identitären“) aus. Und aus so einer Angst ist schon einmal Vernichtung und Völkermord geworden. Der Nationalsozialismus ist nicht einfach vom Himmel gefallen; er ist schon einmal aus einer „nationalen“ Mitte der Gesellschaft entstanden.

Die Aufgabe heute

Ich meine, es ist das Problem der nächsten Jahrzehnte: einen friedlichen, sozial gerechten, ökologisch verträglichen Interessensausgleich zwischen „uns“ und „den anderen“ zu schaffen. Global, nicht nur „bei uns“.

Deswegen nicht Hofer, sondern van der Bellen.


Nachtrag: es ist kaum mehr auszuhalten. Nach jeder verlorenen Wahl versichern die Politiker von SPÖ und ÖVP, dass es jetzt darum gehen werde, die Sorgen und Ängste „der Menschen“ ernst zu nehmen. Jetzt aber ganz bestimmt…

Die Sorgen und Ängste ernst nehmen: das würde eine Politik bedeuten, die die Schere von Arm und Reich, die immer weiter aufgeht, wieder schließt. Das würde die Ängste nehmen: vor Marginalisierung und vor „den Fremden“, in Österreich wie in anderen Teilen der EU. Damit wäre der Zulauf zu den Rechtspopulisten zu stoppen. Mit Gerede allein nicht.


Und noch ein Link zum Thema:
ein Rauscher-Einserkastl aus dem Standard zum Thema Hofers Allmachtsfantasien

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