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Wahlergebnisse

Nein, nicht nur EU-Wahl 2019. Eine Übersicht über alle bundesweiten Wahlergebnisse im Österreich des 21. Jahrhunderts weist über den aktuellen Wahltermin hinaus.

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Die ÖVP gewinnt die EU-Wahl 2019 in Österreich und gibt sich überglücklich. Die SPÖ kann aus der Regierungskrise keinen Gewinn erzielen, verliert leicht Wähleranteile und schweigt betreten. FPÖ und Grüne  verlieren gegenüber der letzten EU-Wahl 2014 ebenfalls – zeigen sich aber auch glücklich. Und auch die Neos jubeln.

Wie geht das?

In der nachfolgenden Tabelle sind alle bundesweiten Wahlergebnisse in Österreich im 21. Jahrhundert zusammengefasst – also Nationalrats- und EU-Wahlen. Das erklärt dann einiges.

Typ Jahr ÖVP SPÖ FPÖ Grüne Neos andere nämlich, z.B.
NR 2002 42,3 36,51 10,01 9,47 1,71 LiF 0,98
EU 2004 32,7 33,33 6,31 12,89 14,77 Martin 13,98
NR 2006 34,33 35,34 11,03 11,04 8,26 BZÖ 4,11
NR 2008 25,98 29,26 17,54 10,43 16,79 BZÖ 10,7
EU 2009 30,0 23,7 12,7 9,9 23,7 Martin 17,7
NR 2013 23,99 26,82 20,51 12,42 4,96 11,3 Stronach 5,73
EU 2014 26,98 24,09 19,72 14,52 8,14 6,55
NR 2017 31,47 26,86 25,97 3,8 5,3 6,6 Pilz 4,41
EU 2019 34,6 23,9 17,2 14,1 8,4 1,8

Als Grafik sieht das z.B. so aus:

Die Tabelle enthält nur die Anteile der gültigen Stimmen. Damit gehen leider alle ungültigen Stimmen und alle, die gar nicht gewählt haben, verloren. Das Nicht-Wähler-Potenzial: das größte aller Potenziale. So viele Menschen sind von unserer Parteien-Demokratie gefrustet. Manche wählen gar nicht mehr, manche den gerade aktuellen Populisten, manche die aktuell „coolsten“ Populisten.

Die fetten Wahlergebnisse sind die besten im Betrachtungszeitraum, die kursiven die schlechtesten. Man kann langfristige Trends erkennen.

Analyse

Ich sehe in den o.a. Daten i.W. 2 „kommunizierende Gefäße“: Schwarz-Blau und (nicht so ausgeprägt) Rot-Grün. Die FPÖ gewinnt, was die ÖVP verliert und umgekehrt. Einzige Ausnahme ist der Zeitraum von 2014 bis 2017, wo ÖVP, SPÖ und FPÖ zulegen, weil sich die Grünen davor zerlegt haben. Eine Konstante ist, dass Österreich an sich ein strukturkonservatives Land ist, das eine relativ stabile knappe Mehrheit Mitte-Rechts hat. Nur Kreisky hat es geschafft, mittelfristig liberale WählerInnen an sich zu binden.

Die SPÖ verliert an sich kontinuierlich. Ihre StammwählerInnen, die PensionistInnen, sterben ihr weg; sie schafft es nur unzureichend, junge WählerInnen statt dessen zu gewinnen. Mit kleinen Ausnahmen markieren die Wahlergebnisse der SPÖ einen permanenten Niedergang, der nicht im gleichen Ausmaß von grünen Wahlergebnissen kompensiert werden kann.

Die Grünen haben seit der letzten EU-Wahl leicht verloren: aber sie haben das beste ihrer Wahlergebnisse der letzten 19 Jahre nur knapp verfehlt. Offenbar hat sich die Grüne Partei, die ja immer noch in zahlreichen Landes- und Stadtregierungen sitzt, wieder gefestigt. Das katastrophale Abschneiden 2017, das nach einer Serie gravierender Eigenfehler entstanden war, konnte wiedergutgemacht werden. Gleichzeitig scheint im grün-alternativen Wählersegment eines klar zu werden: Die „Liste Pilz“ (jetzt „Jetzt“) hat den Anspruch, dieses Segment zu vertreten, offenbar verloren. Eine gemeinsame Kandidatur kann wohl nur noch unter grünem Vorzeichen verfolgt werden.

Ist das Ergebnis der ÖVP wirklich so gut, wie der Jubel nahelegt? Ich glaube nicht. Dass die ÖVP bei FPÖ-Verlusten ein gutes Drittel der Stimmen machen kann, ist nicht neu; nur für EU-Wahlen ist es „das beste“ der Ergebnisse. Am Anfang dieses Jahrhunderts, vor 17 Jahren, war die ÖVP noch bei über 40% – da hatte es davor aber die FPÖ in Knittelfeld geradezu zerrissen.

Und der Jubel der FPÖ? Der kann wohl nur so zu erklären sein, dass die viel Schlimmeres erwartet haben. Mit 2 blauen Augen davon gekommen. Ob sich ein weiterer Niedergang ankündigt wie von 1999 (26,91%) bis Knittelfeld 2002 (10,01%), wird sich zeigen. Das Ibiza-Video ist erst eine gute Woche her; Langzeitwirkungen können da noch nicht wirklich abgeschätzt werden.

Und die Neos? Die dürften leicht dazugewinnen. Aber nur leicht. Für die fundamentalen Zerwürfnisse im schwarz-blauen Lager hätte ich mir bei den Neos einen deutlicheren Zugewinn erwartet.

Weitere „Gefäßkommunikationen“

Es gibt auch einen Fluss zwischen Rot und Blau. Die Wählerschaft der FPÖ ist gespalten. Es gibt den „intellektuellen“, durchaus „identitär“ angehauchten Teil aus dem Burschenschaftlermilieu – ich will die Intellektualität da nicht überschätzen, dafür wird zu viel Bier konsumiert und zu oft mit Säbeln auf Schädel eingedroschen – und den „proletarischen“ Teil ungelernter oder schlecht qualifizierter Arbeiter, die sich als Innovationsverlierer verstehen und früher eventuell SPÖ gewählt haben oder hätten. Das zeigt sich in Wiener Arbeiterbezirken und in den Hochhäusern von Neurum gleichermaßen. Kommunal starke SPÖ-Ergebnisse gehen da Hand in Hand mit regional und staatlich besten FPÖ-Resultaten. Auch hier hat die SPÖ noch keine Antwort gefunden, obwohl die Zeit drängt.

Es gibt auch Wählerwanderung zwischen Schwarz und Grün. Wer als WählerIn sich heute christlich-sozial fühlt, wird bei den Grünen in aller Regel besser aufgehoben sein als bei den Schwarzen (deren „Schwarz“ ja einmal ein klerikales war).

Und dann gibt es natürlich noch das mit allen anderen kommunizierende Gefäß derer, die nicht mehr wählen.

Es sind – natürlich! –  nicht nur „2 Lager“.

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