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Das Beste an Begräbnissen

Das Schöne beim Begräbnis eines lieben Menschen, den man sehr geschätzt hat, ist, dass man viele Leute trifft, die diesen Menschen auch sehr geschätzt haben. Man trifft also Menschen, mit denen man etwas gemeinsam hat, nämlich eine Hochachtung. Das ist vermutlich das Beste an Begräbnissen.

Beim letzten Begräbnis eines lieben Menschen, den ich sehr geschätzt habe, habe ich zwei ehemalige Schülerinnen von mir getroffen. Sie waren wesentliche Teile einer Klasse, in die mein Herzblut floss und die mir dieses zehnfach zurück gab. Ich habe sie trotzdem verlassen und nicht zur Matura geführt. Das tut mir heute noch weh.

Die eine von beiden studiert jetzt Lehramt. Sie ist nicht ganz glücklich damit. Wohl mit ihrem Ziel, aber nicht mit dem Studienbetrieb. Ich habe ihr gesagt, dass wir in Zukunft gute Lehrerinnen brauchen. Sie wäre eine, und ich bin mir da ganz sicher, denn ich kenne sie, seit sie elf war. Immer wieder habe ich ihr gesagt, dass sie eine hervorragende Anwältin wäre, weil sie sich so gut für die Anliegen anderer einsetzen konnte. Wenn sie jetzt Lehrerin wird, ist das nicht nur befriedigend, sondern gut. Ja „sehr gut“.

Die andere studiert jetzt Jus, tatsächlich! Ich habe ihr gesagt, dass wir in Zukunft gute Juristinnen brauchen. Sie wäre eine und ich bin mir da ganz sicher, denn ich kenne sie, seit sie elf war. Ich habe damals in dieser Klasse die Wortarten behandelt und erklärt, dass es typisch für Adjektive ist, dass man sie steigern kann: großgrößeram größten. Ich habe aber auch dazu gesagt, dass es Adjektive gibt, die man nicht steigern kann. Ob wer welche kenne. Die heute angehende Juristin meldete sich, damals, als Elfjährige: „senkrecht, waagrecht, rechtwinklig“. Ich freue mich auf eine brillante Juristin, die alles über Recht weiß, seit sie elf ist. Über senk-Recht, aber auch über waag-Recht und über Recht-winklig. Winkeladvokatin wird die sicher nicht!

Ich habe auch einen ehemaligen Chef von mir getroffen. Er hatte bereits etwas über meinen letzten Karriereschritt gehört und fragte mich, ob ich bereits den Direktor spiele. Mir fiel ein: „Ich halte es da mit Stanislawski. Ich spiele nicht Hamlet; ich bin Hamlet.“

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[…] hab ich längere Zeit nichts mehr von ihnen gehört. Zwei von ihnen habe ich einmal beim Begräbnis einer ehemaligen Kollegin getroffen. Ich habe ihnen meine Irritation darüber mitgeteilt, dass […]