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Globale Ignoranz gegen globalen Klimawandel?

In Europa bekennen sich immer mehr Menschen (sogar Politiker!) zur Wichtigkeit von Klimaschutzmaßnahmen. Tausende Jugendliche gehen an „fridays for future“ auf die Straße und demonstrieren für Klimaschutz. Die österreichische Bundesregierung setzt Maßnahmen und beschließt unter grüner Federführung eine „ökosoziale Steuerreform“, in der zum ersten Mal eine CO2-Bepreisung Teil des Steuersystems wird. Und es entsteht ein Klimaticket, das den gesamten öffentlichen Verkehr des Landes um ca. 1000 Euro jährlich zur Verfügung stellt. In Deutschland hat das Verfassungsgericht das Klimaschutzgesetz von CDU und SPD als unzureichend in der Luft zerrissen; nun verhandeln SPD, Grüne und FDP über eine Regierung jenseits von CDU und der Klimaschutz wird von allen 3 Parteien mehr oder weniger deutlich als wesentliches Ziel der Verhandlungen genannt.

ABER …

Die CO2-Bepreisung in der österreichischen Steuerreform reicht – nach übereinstimmender Meinung aller Fachleute – nicht aus, um einen signifikanten Lenkungseffekt in Richtung klimaschützender Maßnahmen zu bewirken. Der Preis für das ausgestoßene CO2 ist viel zu niedrig. Das Klimaticket ist eine Maßnahme, die motorisierten Privatverkehr eindämmen helfen kann: aber das ist viel zu wenig. Man kann den österreichischen Grünen zugute halten, dass sie eine neue wesentliche Stellschraube im Steuersystem installiert haben; das ist ein wichtiger Schritt für die Zukunft und kann in den nächsten Jahren dazu führen, dass der Preis für CO2 nach und nach ein realistisches Ausmaß erreicht. Aber reicht das als Maßnahme für einen Klimaschutz, der in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weltweit Klimakatastrophen verhindern soll? Das ist eine nette Idee, aber sie ist um Größenordnungen zu langsam.

Deutschland? In den Sondierungsgesprächen mit SPD und Grünen hat es die FDP bereits geschafft, für ihre Klientel sicherzustellen, dass es keine relevante Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen geben wird – und die Grünen haben das bereits gegessen. Die setzen auf Elektromobilität – bei allen Umweltproblemen, die die Herstellung von Millionen Akkus hervorrufen wird. Es sieht ganz nach großen Worten aus – und nach minimalen Veränderungen.

Klimaschutz global?

Und Österreich und Deutschland gehören zu den Ländern, in denen Klimaschutz noch ein sehr relevantes Thema ist. In anderen Weltgegenden sieht das schon ganz anders aus. „fridays for future“ in Frankreich, in Spanien, in Osteuropa, in Indien? Ich hör gerade noch ein bisschen was aus den USA. Dort spricht der Präsident davon und kämpft gegen die Gegner in der eigenen Partei.

Ab 31. Oktober soll die an sich für 2020 geplante 26. UN-Weltklimakonferenz in Glasgow stattfinden. Und im Vorfeld haben einige Staaten massiven Einfluss auf den UN-Klimarat genommen – das ist aus Leaks schon durchgesickert. Saudi-Arabien, Australien und Japan wollen den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bremsen oder verhindern: die Saudis wollen weiterhin Öl verkaufen, Australien will weiterhin sehr viel Kohle exportieren. Indien kritisiert, dass der Weltklimarat zu sehr gegen Kernenergie sei – sieht also die Atomkraft als „Alternative“. Brasilien und Argentinien kritisieren, dass durch den Klimarat „eine vorrangig pflanzliche Ernährung als wichtiger Weg zur Reduktion von Treibhausgasen“ propagiert wird: Brasilien und Argentinien wollen Fleisch produzieren und dafür auch Regenwälder abholzen – etwas vom Dümmsten, was man als Menschheit derzeit tun kann.

Ich fürchte, die Einsicht in eine dringend notwendige Klimaschutzpolitik ist eine, die sich bisher fast nur in Teilen Europas durchgesetzt hat: Nordeuropa, Mitteleuropa. Es wird beim Klimagipfel deshalb um ein Aufeinanderprallen von „ökonomischen Egoismen“ gehen – und es gibt kaum etwas wie eine „globale Einsicht“. (Und ich verstehe den Egoismus von Schwellenländern, die zunächst ihr Stück vom Kuchen retten wollen, irgendwie schon. Die Welt ist verdammt ungerecht, und warum sollen „die Armen“ gleichermaßen verzichten wie „die Reichen“?)

Globale Einsichten?

Natürlich ist nicht von globalen Einsichten auszugehen. Die Klimaveränderung wird die gesamte Welt verändern; sie wird zu Weltkriegen um Land und Wasser führen und zu globalen Fluchtbewegungen – wenn wir zu wenig dagegen tun. Und es sieht ganz danach aus, dass wir – als Menschheit insgesamt – letztlich noch gar nichts dagegen tun wollen, weil uns der lokal-nationale Egoismus näher ist als eine globale Einsicht. Das gilt auch für Europa. Wir in Nord- und Mitteleuropa sind das Luxusviertel der Erde. Wir fahren mit dem Auto 500 Meter, weil wir einen kleinen Einkauf machen wollen. Wir fliegen 500 km in den Urlaub, weil uns die Bahn zu unpraktisch ist. Wenn es uns zu kalt ist, drehen wir die Heizung auf, ganz selbstverständlich. Energie sparen? Gern; morgen!

Die Menschheit ist zu spät. Kein einziges Klimaziel ist realistisch erreichbar, weil es keinerlei Einigkeit in der Zielsetzung gibt. Wir werden uns auf globale Katastrophen einrichten müssen; es wird nicht nur „ungemütlich“: es wird unmenschlich. Das hat bereits begonnen und wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten fortsetzen und verschärfen.

* * *

Die Menschheit ist zu spät. Ist also alles egal? Nicht ganz. Wir sollten uns sehr anstrengen; je mehr wir an Klimaschutz schaffen, desto weniger geschieht an Katastrophen und desto größer ist die Chance, von ihnen nicht allzu heftig getroffen zu werden. Es geht nicht um das Verhindern von Katastrophen; es geht um das Vermindern der Folgen.

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