Veröffentlicht in Politik

Mehrheitswahlrecht? Kern pokert hoch.

Bundeskanzler Kern hat eine Art Mehrheitswahlrecht vorgeschlagen. Die stärkste Partei soll automatisch den Kanzler stellen und zusätzliche Mandate bekommen. Ähnlich wie auch in Griechenland.

Kern pokert hoch.

In der Auseinandersetzung mit Mitterlehner / Kurz und Strache und Glawischnig und Strolz würde er derzeit vermutlich noch gewinnen. Kein Wunder, dass die FPÖ momentan strikt gegen Kerns Vorschlag ist. Momentan. Aber Kern sollte wissen: Bei schlechter Wahlbeteiligung können auch üble Populisten „stärkste“ werden: Donald Trump.

Und Kern spielt falsch.

Ein Mehrheitswahlrecht zementiert politische Zustände ein – bis sie dann völlig kippen. Ein ausgeprägtes Mehrheitswahlrecht führt konsequent zunächst in ein Zweiparteiensystem, denn keine „neue“, zusätzliche Kraft kann sich etablieren, keine „neue Gruppe“ wird gleich Mehrheiten machen. In einem Österreich mit Mehrheitswahlrecht wären weder die Grünen noch die Neos je zu relevanter Größe gekommen. Und auch die FPÖ wäre eingegangen. Kanzler Kreisky hat sie gerettet, indem er das Gegenteil von Mehrheitswahlrecht versprach und hielt.

Ein Mehrheitswahlrecht führt zum Modell „Republikaner vs. Demokraten“ oder „Tories vs. Labour“.

In letzter Konsequenz führt ein Mehrheitswahlrecht in eine politische Monopolisierung (oder eine Diktatur). In der Mehrheitsposition kann eine Partei einen Staat umbauen, auf dass sich diese Mehrheit strukturell verfestigt. Das konnten wir in den letzten Jahren in Ungarn verfolgen, das passiert jetzt in Polen und das geschah auch ab dem 5. März 1933 in Deutschland, an dem die NSDAP knapp 44% der Stimmen erzielte. (In der nächsten Wahl im November 1933 gab es dann nur mehr eine NSDAP-Einheitsliste.)

Die Forderung nach einem Mehrheitswahlrecht ist demokratisches Falschspiel. Hans Rauscher hat Recht, wenn er im Standard Kerns Vorschlag als Schritt in die „Dritte Republik“ wertet.

Das Missverständnis:

Bundeskanzler Kern hat überdies offenbar die Bundespräsidentschaftswahl missverstanden. Österreich hat gerade mit deutlicher Mehrheit den Präsidenten van der Bellen gewählt, der ausdrücklich nicht unbedingt den Chef der stärksten Partei zum Kanzler bestellen will.


Quellen:
Wikipedia-Artikel zur Reichstagswahl 5.3.1933
Rauscher im Standard zur „Dritten Republik“

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