Veröffentlicht in Bildung, Politik

„open the future“

Gestern verabschiedeten wir am Abendgymnasium Innsbruck 38 MaturantInnen des Wintertermins 19/20. Motto des Abends war „open the future“. Zu den direktoralen Verpflichtungen gehört die Rede des Direktors.

Sie ging ungefähr so:


Liebe Absolventinnen, liebe Absolventen,
liebe Freunde und Familienanghörigen unserer Absolventen,
liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste!

Die heutige Maturafeier steht unter dem Thema „open the future“. Wie kommt es zu so einem Thema? Das ist so etwas wie die allsemestrige direktorale Reifeprüfung. Eine kleine Gruppe von Kolleginnen stellt mir ein paar Themen, ich kann mir eines aussuchen und soll dann was Vernünftiges dazu sagen. Ich habe diesmal „open the future“ gewählt: das Bild mit der Holztür und der Türklinke hat mir gefallen.

Ja, liebe AbsolventInnen, Sie haben einen großen Schritt in Ihre nun zu öffnende Zukunft getan. Sie machen eine Tür auf.

Aber welche Zukunft erwartet Sie? Können Sie etwas für diese Zukunft tun? Sie haben jetzt eine Reifeprüfung. Sie können formulieren und verstehen auch mehr oder weniger komplizierte Texte; Sie können 2 Fremdsprachen, mehr oder weniger. Sie beherrschen Mathematik, mehr oder weniger. Sie haben mehr als nur eine Ahnung von der Erde, der Geschichte, den Formen des Lebens, dem Funktionieren der Natur. Sie verstehen was von Computern und haben durchaus wertvolle Kenntnisse über Ökonomie, Ökologie, Psychologie, Philosophie. Sie sind prädestiniert, in dieser Gesellschaft der Zukunft gestaltende Funktionen zu übernehmen. Ja: Sie können Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten in einem Studium an einer Universität oder Hochschule noch verfeinern und auf die Spitze treiben.

War’s schwierig? – – Insgesamt 216, mehr als ein Viertel aller Studierenden, hatten sich neben den schriftlichen zu fast 300 mündlichen Maturaprüfungen angemeldet. 61 von Ihnen zu den endgültigen Prüfungen, zum Haupttermin. 4 konnten nicht zugelassen werden: da fehlten noch Kleinigkeiten, einzelne Module. Von den 57 zugelassenen traten 6 nicht an, aus eingestandenen Prüfungsängsten oder wegen Erkrankungen. Ja, es gab die ärztlichen Bestätigungen über einen Krankenstand vom 31.1. bis zum 31.1.; da war die ärztlich bestätigte Prüfungsangst spürbar. Von den 51 antretenden bestanden 38, also nur zwei Drittel der Zugelassenen. Trotzdem wurde es noch der zweitgrößte Jännertermin des letzten Jahrzehnts. Die Matura am Abendgymnasium ist nicht etwas, was einem „nachgeschmissen“ wird. Sie haben ausgezeichnete Leistungen vollbracht. Doch es ist spürbar: Ja, wir – auch Sie – haben mit Lernproblemen und Prüfungsängsten zu kämpfen. Das sind Dinge, die man nicht nebenbei im Unterricht lösen kann. Lernprobleme sehen wir schon länger; Prüfungsängste kann man auch als Auswirkungen von Lernproblemen sehen. Wir machen uns Gedanken über die Ursachen und wir stellen uns dem Problem und entwickeln Ideen dazu.

Zurück zu Ihnen und Ihrer Zukunft. Ja, Sie können etwas für diese Zukunft tun. Es ist vermutlich dringend nötig, sagt uns eine junge Frau aus Schweden – und nicht nur sie. Sie meint, es gehe nicht um „Einsparungen“ von CO2. Sie meint es gehe um ein radikales Rückfahren von Treibhausgasen, um den Klimawandel noch halbwegs einzufangen, um einen radikalen Umbau unserer Zivilisation. „fridays for future“ nennt sich die Bewegung. Die junge Frau aus Schweden, Greta Thunberg, ist bereits bei 2 Maturafragen zum Thema geworden.

Wissen Sie, wer bei der UNO-Klimakonferenz in Madrid klare Maßnahmen für Klimaschutz verhindert hat? Ja, die USA. Auch Brasilien. Auch Australien. Wenn Sie wissen wollen, wie Klimakatastrophen aussehen: blicken Sie nach Australien. Oder Sie blicken auf die Vorarlberger Gletscher – es gibt praktisch keine mehr, in Tirol haben wir noch ein paar – und auf die Tankwagen, die Trinkwasser in Vorarlberger Gebirgstäler bringen.

„open the future!“ Es geht um Sie, liebe Maturantinnen und Maturanten. Ich hoffe, Ihre Matura ist eine Matura for future. Es geht um den Einfluss, den Sie bekommen werden und den Sie so oder so geltend machen können. Die Welt erwartet Sie; die Zukunft erwartet Sie. Machen Sie etwas Gescheites daraus. Es ist Ihre Zukunft und die Ihrer Kinder.

Vielen Dank.


Was ich nicht gesagt habe, aber gern noch gesagt hätte:

Liebe Absolventinnen und Absolventen. Meine Generation hinterlässt Ihnen einen schwer erkrankten Planeten. Es tut mir leid. Jeder einzelne  meiner Generation kann nicht viel dafür, manche fast gar nichts, manche doch ein bisschen was. Es tut mir leid, dass Sie sich darum kümmern müssen, das aufzuräumen, was wir Ihnen hinterlassen.

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Whisker
Whisker
4 Jahre alt

Okay, das würde mich jetzt interessieren: Warum hast du das, was du gerne gesagt hättest, ausgelassen?