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piercings, „de Schitzn“ und coolness

Ich kenne, berufsbedingt, eine junge Frau. Ich schätze sie sehr, weil sie nett und beruflich sehr kompetent ist. Sie ist groß, blond, vermutlich keine 30. Und sie trägt, wie viele junge Menschen, piercings. Ihr gesamtes rechtes Ohr ist voll davon; mindestens 6 silberne Teile, diverse Symbole, reihen sich an einander.

Letzthin ist im berufsbegleitenden small talk gefallen, dass sie auch Mitglied einer Schützenkompanie sei und dort eine Art Gruppenleiterin für Jungschützinnen. Und, ja, sie schieße auch selbst.

„Aha“, hab ich mir gedacht, „die Zeiten ändern sich. Auch Schützinnen wollen heute ‚cool‘ sein.“ Und ich hab eher beiläufig gefragt: „Dann sind also piercings bei den Schützen heute kein Problem?“

Die Antwort war dann sehr überraschend. Selbstverständlich nehme sie die Ohr-piercings vor der Gruppenstunde ab. Ja, sie lege Wert darauf, dass die ‚Madln‘ ihre Haare hochstecken. Nein, bei den Schützen trage sie die piercings nicht.

Beweist das was? Statistisch natürlich nicht; Einzelfälle beweisen statistisch nie etwas.

Aber wie sieht das mit den traditionellen Werten bei den Tiroler „Schitzn“ aus? Inwieweit sind moderne Trends wie „body modification“ (piercings, tattoos usw.) mit der Schützen-Ideologie vereinbar? Wollen Jungschützen auch „cool“ sein und heißt „Coolness“ in etwa das gleiche wie bei anderen Jugendlichen? Oder geht das nicht zusammen und junge Leute müssen Schützentum und Coolness trennen? Was ist überhaupt bei welchen Jugendlichen „cool“? Und sind gewisse Formen der body modification nicht Teil der Tiroler Tradition, wie man schon beim Schluiferer nachlesen könnte: das „Flinserl“ beim Tiroler Bauern Jobst Schießling z.B. (der laut Schluiferer von Häuptling Intschu tschuna sowieso kaum unterscheidbar wäre). Haben junge TirolerInnen eine „heim(at)liche Schützen-Identität“ und daneben eine coole moderne? Tiroler Gespaltenheit? Oder „Zwidenken“, wie bei Orwell? Oder ist das alles eh wurscht und ein Missverständnis? Kann man Schützen-Identität auch mit anderen nicht-traditionellen Werten locker koppeln? Auch bei Erwachsenen?

Ich möcht nicht missverstanden werden: „body modification“ und „coolness“ haben für mich überhaupt nichts mit einander zu tun. Mit body modification kann ich gar nix anfangen und werde wohl irgendwann der letzte nicht-gepiercte und nicht-tätowierte Mensch sein. „Cool“ bin ich vielleicht trotzdem manchmal, obwohl ich „kühl“ an sich auch nicht als erstrebenswerten Gemütszustand sehe; mir sind warmherzige Menschen an sich lieber. Und das passt dann eh gut zur angesprochenen jungen Frau.

– – –

PS: Heute ist Prince gestorben. Er sang im Song „Kiss„: „Don’t have to be rich / To be my girl / Don’t have to be cool / To rule my world“


Lit.: Sepp Schluiferer, Fern von Europa, im Besonderen über Jobst Schießling usw…

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