michael bürkle

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Michael Bürkle

Liste Pilz wählen?

Bei den Nationalratswahlen der letzten Jahrzehnte konnte ich relativ leicht grün wählen. Das wird für mich immer schwieriger. Es bräuchte – dringend! – eine Partei, die auf Grundwerte wie solidarisch, ökologisch, gewaltfrei und basisdemokratisch ausgerichtet ist. (Wobei ich bei basisdemokratisch mittlerweile einige Klärungen für nötig halte.)

Aber sind die Grünen das noch? Ich sehe gravierende Mängel – und habe die hier im Blog auch schon beschrieben. Und es stellt sich die Frage, ob die „Liste Pilz“ eine Alternative sein könnte.

Ich bin auch da nicht sicher. Was spricht dafür?

1. Natürlich gäbe es für einen erfahrenen Aktivisten gegen den korrupten österreichischen Filz aus (Teilen der) Industrie, (Teilen der) Parteien und (Teilen der) Verwaltung im Parlament Wichtiges zu tun. Pilz hat da viel geleistet, andere, z.B. die Grünen Moser und Kogler, auch.

2. Pilz präsentiert durchaus interessante KandidatInnen. Am meisten begeistert mich bisher die Kandidatur der Molekularbiologin Renée Schroeder, die nicht nur eine hervorragende Naturwissenschaftlerin ist, sondern weit über ihr Fach hinaus einer der gescheitesten Menschen, den wir haben. Ich habe sie schon oft so wahrnehmen können.

Was spricht dagegen?

Ja, die Liste Pilz (www.listepilz.at) präsentiert zwar durchaus interessante KandidatInnen: Menschen, die in verschiedenen wichtigen Bereichen ExpertInnen sind und die sich bisher kaum parteipolitisch betätigt haben. Aber gibt es ein politisches Programm? Auf der web site der Liste Pilz heißt es „Wir Kandidatinnen und Kandidaten sind die Programme unserer Liste.“ Das ist ausgesprochen mager, finde ich. Wenn ein Kandidat aufhört: ist dann der Programmpunkt weg? Ich denke, eine politische Partei muss mehr sein als die Summe ihrer KandidatInnen. Das Ganze ist sehr auf eine Person ausgerichtet: Was geschieht mit der Liste Pilz, wenn Pilz erkrankt? Oder nicht mehr mag? Wiederholt sich dann ein Zerfall wie bei Stronach?

Klar: es wird noch etwas spezifiziert:

Für alleinerziehende Frauen und gegen Kinderarmut, für Konsumentenschutz und Tierschutz, für Startups und gegen Konzernprivilegien, für Informationsfreiheit und gegen Überwachungsstaat, für eine faire Umverteilung von Arbeit, Einkommen und Lebenschancen, endlich wieder in die richtige Richtung, von oben nach unten.
Und für unsere Heimat Europa – unsere Grundrechte von Meinungsfreiheit bis Pressefreiheit, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, unsere unabhängige Justiz, die Trennung von Religion und Staat, unsere Demokratie und vor allem: unser Recht, so zu leben wie wir wollen.
Und damit gegen die, die das gefährden: die nationalistische Rechte und der politische Islam.“

Das kann ich alles teilen, selbstverständlich. (Wobei mir nicht nur der „politische Islam“ ein Gegner ist, sondern jede Religion, die den Anspruch erhebt, für die gesamte Gesellschaft Regeln aufzustellen.)

Insgesamt überzeugt mich der Auftritt der Liste Pilz noch nicht wirklich. Aber vielleicht wird das ja noch.

Mit einiger Ironie kann ichs positiv sehen: ich habe jetzt eine Wahl zwischen Dingen, die mir nicht völlig passen. Bisher war da meist nur eines; jetzt sinds wenigstens zwei.

 

 


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Kommentare

10 Antworten zu „Liste Pilz wählen?“

  1. Avatar von michael bürkle
    michael bürkle

    Was mir bei der Liste Pilz fehlt: eine Klarstellung, dass in der Flüchtlingsfrage die Menschenrechtskonvention als Maßstab gilt.
    Das fehlt natürlich auch bei FPÖVP; vermutlich bei fast allen anderen. Ich werd noch naschschaun, wie das wo aussieht.
    m.b.

    1. Avatar von peppone
      peppone

      Dass bei einer eventuellen Schwammerlnpartei die Menschenrechtskonvention und die Rechtsstaatlichkeit aus dem Aug verloren werden, würd mir jetzt bei den bekannten Persönlichkeitsmustern ganz sicher kein Kopfzerbrechen bereiten.

      Was mir zwar jetzt nicht „fehlt“ aber was ich mir für den Diskurs bezüglich des politischen Islam für nach der Wahl wünschen würde ist, dass eine Volksabstimmung zur finalen Säkularisierung Österreichs initiiert wird.

      Also Auflösung des Konkordat, Rückstellung sämtlicher „Kirchen“ auf Vereinsstatus, generelles Verbot der Bimmelei (Ausnahmen nur bei +50% extra-Abstimmungen in den jeweiligen Gemeinden), keinerlei Staatshilfe oder Staatsknete für jedwedere religiöse Organisationen. Entsprechende Umstellung an Unterrichts- und Bildungs- und öffentlichen Einrichtungen bzg. Lehrplan, Kruzefixe etc

      1. Avatar von m.b.
        m.b.

        lieber peppone,
        ich teile dein ziel einer völligen und sauberen trennung von kirchen und staat; religion muss privatsache sein. ich bin mir aber sehr unsicher, ob deine forderung nach einer „Volksabstimmung zur finalen Säkularisierung Österreichs“ derzeit sinnvoll wäre. wird sie tatsächlich initiiert, kann sie daneben gehen: ich stell mir gerade die unheilige allianz aller kirchenvertreterInnen vor, vom kardinal über don camillo bis zur frauenbeauftraten der iggö. die würden gemeinsam darstellen, wie wichtig religion für den staat ist.
        das muss argumentativ noch sehr gut vorbereitet werden.
        m.b.

        1. Avatar von peppone
          peppone

          Da bin ich bei dir.
          Eine JEDE Volksabstimmung muss gut vorbereitet werden. Das ist ja auch zB in der Schweiz so (bei Zwentendorf wars vielleicht etwas sehr lobbyingmässig, hatte aber trotzdem zum „richtigen“ Votum geführt, wie man nun nach Jahrzehnten und dem Rückenwind für EE sicherlich sagen darf) und es muss auch eine entsprechend lange Vorlaufzeit geben damit eine Diskussion auch stattfinden kann.

          Natürlich kann sowohl ein positives als auch ein ablehnendes Votum das Endergebnis sein. Das ist bei demokratischen Abstimmungen ja genau jener Freiheitsgrad den wir als BÜRGER in Summe haben und nützen können.

          Dass eine Volksabstimmung – zum Thema finale Säkularisierung – die EINZIGE wirklich demokratische Entscheidungsfindung ist, davon bin ich felsenfest überzeugt.

          Ob die Zeit dafür reif ist, darüber kann man sicher geteilter Ansicht sein.

          Angesichts des drohenden Rückfalls in die Barbarei der KIRCHENkriege – nicht der RELIGIONS-Kriege, wie das bewusst fälschlich immer dargestellt wird – siehe aktuelles Beispiel politischer Islam – „glaube“ ich, dass der Zeitpunkt nicht richtiger sein könnte.

          1. Avatar von peppone
            peppone

            Aus aktuellem Anlass:
            Was die öffentliche Meinung zur „unheiligen Allianz“ anbelangt kann man sich hier ein Bild dazu machen:
            http://derstandard.at/2000063395350/Ausklammern-von-Religion-aus-Kindergarten-ist-fatal

            Die Reaktionen sind bemerkenswert pragmatisch, wenn auch die Standard Poster vielleicht nicht für den Österreicher bzw die ÖsterreicherIn ganz repräsentativ sein dürften.

  2. Avatar von Whisker
    Whisker

    > Wobei mir nicht nur der „politische Islam“ ein Gegner ist, sondern jede Religion, die den
    > Anspruch erhebt, für die gesamte Gesellschaft Regeln aufzustellen.
    Da stimme ich dir vollkommen zu. Allerdings denke ich gleichzeitig, dass der „politische Islam“ derzeit ein größeres Problem darstellt als politische Strömungen anderer Religionen.

    Ich betrachte grundsätzlich politische Strömungen aller Religionen ohne Unterschied und immer als Problem; allerdings sehe ich den „politischen“ Islam zum jetzigen Zeitpunkt als akutestes davon, das darum auch bis auf weiteres etwas mehr Aufmerksamkeit verlangt.

    Meiner Meinung nach ist es aus zwei Gründen gerechtfertigt, ja notwendig, den Islam zumindest vorläufig genauer im Auge zu behalten als dessen Konkurrenz:
    1) Nicht nur, um damit Verbrechen zu verhindern, die z.B. aus einem religiösen Wahn heraus geschehen.
    2) Sondern weil das auch unbedingt nötig ist, um Moslems differenziert zu betrachten und individuell(!) als „gut“/“bös“(*) etc. wahrzunehmen und entsprechend mit ihnen umzugehen.
    Denn mit Pauschalierungen schießt man sich da nur selbst ins Knie, weil dass z.B. auch zur Radikalisierung von Moslems beitragen kann, bei denen das in einer Umgebung, die sie respektiert, vielleicht nie passieren würde.

    Das ist so wie mit einem Korb voller Äpfel: Wenn man die faulen Äpfel finden und aussortieren will, damit nur die guten übrigbleiben, dann muss man eben dort genauer hinschauen und die Birnen im Korb daneben einfach mal kurz ausklammern, bis man fertig ist.

    (*):
    „Gute“ Gläubige sind für mich allgemein diejenigen, die einfach für sich ihr Ding machen und alle anderen ihres machen lassen. Das steht ihnen aufgrund der Glaubensfreiheit selbstverständlich zu und das verteidige ich (_gerade_ als überzeugter Atheist) auch in jedem Fall.
    „Böse“ Gläubige sind für mich diejenigen, welche anderen ihren Glauben in irgendeiner Weise aufzwingen wollen, und sei es nur, dass sie verlangen, dass auch alle die Regeln ihres Glaubens einzuhalten hätten -auch jene, die gar nicht diesem Glauben angehören (und diejenigen, die sowas mit Gewalt durchsetzen wollen sowieso, keine Frage).
    Und dazwischen gibts natürlich auch Abstufungen, z.B. ist für mich ein Moslem, der sich zwar an die Gesetze hält, aber seinen Glauben über diese stellen würde, wenn er es könnte, zumindest nicht ganz koscher und verdient ein gewisses Mißtrauen.

  3. Avatar von Whisker
    Whisker

    Was „Wir Kandidatinnen und Kandidaten sind die Programme unserer Liste“ angeht: Ja, das ist durchaus noch etwas mager.
    Andererseits sind die Positionen und Schwerpunkte dieser Partei ja im Wesentlichen durchaus bekannt, und da diese Partei noch ganz am Anfang steht, ist ein komplett ausformuliertes Programm auch ein wenig eine Zeitfrage.
    Keine Frage, auf Dauer würde mir so etwas als Grundsatzprogramm auch nicht ausreichen, weil damit einfach nicht ausreichend klar wäre, wofür diese Partei genau steht.

    Andererseits denke ich mir ganz pragmatisch: wenn wir die „Partei“ eines ungehobelten Egozentrikers wie Frank Stronach verkraften können, dann hat ein Peter Pilz es locker genauso verdient, ebenfalls eine Chance zu bekommen; vor allem, weil man von letzterem doch deutlich eher erwarten kann, dass er im Gegensatz zu eher kabarettreifen politischen Eintagsfliegen wie dem Team Stronach auch tatsächlich etwas leisten wird.

    Deswegen tendiere ich persönlich dazu, dass ich morgen eventuell Pilz eine Chance geben werde, und falls ich mich in ihm irren sollte, dann muss ich den Fehler eben in spätestens fünf Jahren wieder korrigieren. Aber bis jetzt habe ich den Eindruck, dass die Liste Pilz für die nächsten fünf Jahre im Parlament sitzen zu haben durchaus ein „akzeptables Risiko“ darstellt. *gg*

    1. Avatar von peppone
      peppone

      Nun ist die Liste Pilz seit gestern tatsächlich im Nationalrat, wenn auch ohne „he himself“ – der mir und wohl auch vielen anderen sehr sehr abgehen wird (bei einigen mags allerdings noch länger dauern, bis diese Erkenntnis durchsickert).
      🙂

      Ich bin durchaus gespannt, wie sich die nicht ganz freiwillige aber doch einzige 50/50 Quoten „Bewegung“ auf dem öffentlichen Parkett schlagen wird.
      Haben, doch sowohl der Kickl als auch die Hosek unmissverständlich klar gemacht dass es Essig ist mit irgendwelchen 100 Tagen Schonfrist. Ich schätze mal, die paar 100 Sekunden bis diese beiden das loswerden konnten war denen schon zu lang.
      🙂

      Wichtige und interessante Sachthemen wurden von der (noch) Liste Pilz ja bereits mehr als genug angerissen und in einer der ersten NR-Reden auch gleich wieder am sozial-solidarischen „Frauen und deren Kinder aus der Armutsfalle retten“ aus dem Wahlkampf angeknüpft.
      🙂

      1. Avatar von Whisker
        Whisker

        > Nun ist die Liste Pilz seit gestern tatsächlich im Nationalrat, wenn auch ohne
        > „he himself“ – der mir und wohl auch vielen anderen sehr sehr abgehen wird
        Ja, das tut er mir jetzt schon. Genau solche Leute wie Peter Pilz gehen mir bei den Grünen immer mehr ab: also aufmüpfige, unbequeme und manchmal nervige Typen, die dort nachbohren, wo viele nicht gern so genau hinsehen wollen, aber wo es notwendig ist.
        Aber wenn das die Grünen nicht mehr machen, dann muß eben jemand anderer ran, und das ist ja jetzt der Fall.
        (Ich habe als alter Grüner diesmal selbst Pilz gewählt, weil sich meiner Meinung nach jede Partei vor jeder Wahl jede einzelne Stimme zu verdienen hat – und genau das haben die Grünen eben diesmal vollkommen versemmelt. Zumindest was mich betrifft.)

        > Ich bin durchaus gespannt, wie sich die nicht ganz freiwillige aber doch einzige 50/50
        > Quoten „Bewegung“ auf dem öffentlichen Parkett schlagen wird.
        Ja, das wird noch spannnend werden. Meiner Meinung nach ist da prinzipiell noch das ganze Spektrum offen, von einem Rausflug bei der nächsten NR-Wahl bis zur Etablierung als quasi-Nachfolger der Grünen. Meine persönliche Prognose ist jetzt mal, dass sich die Liste Pilz jedenfalls langfristig halten wird, wenn auch vermutlich früher oder später unter einem anderen Namen.

        > Wichtige und interessante Sachthemen wurden von der (noch) Liste Pilz ja bereits mehr
        > als genug angerissen und in einer der ersten NR-Reden auch gleich wieder am sozial-
        > solidarischen „Frauen und deren Kinder aus der Armutsfalle retten“ aus dem Wahlkampf
        > angeknüpft.
        Yep, und das Tragische daran ist: Das ist auch genau eines der Themen, bei denen die Grünen eigentlich von ihren Grundpositionen her aber sowas von ein Heimspiel gehabt haben müßten.
        Das zeigt meiner Meinung nach auch wieder, dass und vor allem wie sehr die Grünen jetzt in sich gehen und zurück zu ihren Wurzeln finden müssen, wenn sie nicht als historische Fußnote enden wollen.

        Denn z.B. der sprichwörtlichen alleinerziehenden Mutter, die sich und ihre Kinder mit einem Halbtagsjob beim Billa durchbringen und deswegen jeden Euro dreimal umdrehen muß, der wirds wohl kilometerweit am Allerwertesten vorbeigehen, ob zum Beispiel eh überall brav gegendert wird.
        Das verbessert nämlich rein gar nichts an ihrer realen Situation, egal wie sich das manche Menschen mit ideologischem Tunnelblick in ihrer Naivität gerne ausmalen.

  4. Avatar von peppone
    peppone

    Inzwischen, also nach knapp 3 Monaten, haben wir ja den Hauch einer Ahnung was die Liste Pilz – auch ohne he himself – kann und wohin sie will:

    – die auf deren homepage verfügbaren Videos von ihren Beiträgen im NR sowie die Anfänge der Bürgerbeteiligungsplattform zeigens deutlich
    – die aktuell Hyperventilierenden zeigens vielleicht noch deutlicher

    Auch haben wir inzwischen den Hauch einer Ahnung welche Hürden sich auf dem Weg dorthin auftun können

    – die Be- und An- und Vorwürfe, welche (ich behaupte mal frech: geplanter Weise) rechtlich sauber nie mehr auf-klärbar sein werden, zusammen mit dem taumeln zwischen Rücktritt und Rücktritt vom Rücktritt zeigen, dass auch P. Pilz „kein Übermensch“ ist.
    Ob einer mit gar keinen, ggf. verzeihbaren oder mit unnachsehbaren Mängeln behaftet, sei – öffentlicher Wissensstand heute – dahingestellt.

    Wie auch immer es weiter- und ausgehen wird, als skandalträchtiges Kasperletheater – wie medial krampfhaft versucht wird es hinzuinterpretieren – ist diese Liste/ Bewegung weder angelegt noch wird sie mMn jemals dazu werden, zumindest solange P.P. und A.N. darin etwas zu sagen haben.

    Rede zum Concordia Publizistikpreis:
    https://www.youtube.com/watch?v=QFdM867Y-YY

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