Veröffentlicht in Politik

„Die Türkei droht der EU …“

„Türkei stellt Ultimatum zu Flüchtlingsdeal“ ist heute eine der Spitzenmeldungen im ORF. Und: „Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu stellt ein Ultimatum, wonach das Abkommen mit der EU über die Flüchtlingsrücknahme platzen wird, wenn die Visapflicht für türkische Reisende in die EU nicht bis Oktober fällt.“

Ich finde, man sollte auf dem Rücken von Flüchtlingen keine „Deals“ mit Autokraten aushandeln. Weder mit den Erdogans noch den Putins. (Schon das Wort „Deal“ klingt für mich hier nach Menschenhandel.) Die EU hat ihr Flüchtlingsproblem selbst zu lösen, nicht per Gegengeschäft mit Visafreiheit auf eine Türkei abzuwälzen, in der demokratische und humanitäre Grundsätze schon lange mehr als fraglich sind und derzeit massiv abgebaut werden. Ich bin zutiefst der Überzeugung, dass das sogenannte „Flüchtlingsproblem“ der EU mindestens so viel Chance wie Problem ist und dass die EU alle Ressourcen hätte, die zwangsläufig entstehenden Schwierigkeiten zu lösen. Wenn man nur will. 1956 und 1968 waren wir als Gesellschaft ärmer, aber deutlich hilfsbereiter gegenüber Flüchtlingen aus Ungarn und der Tschechoslowakei. (1956 noch mit US-amerikanischer Unterstützung über den Marshall-Plan.)

Das sog. Flüchtlingsproblem kann allerdings nicht nur im Süden der EU, auf Lesbos und Lampedusa gelöst werden. Es muss möglich sein, einen Asylantrag für „die EU“ zu stellen, nicht nur für das Land, in dem man zum ersten Mal „sicheren“ europäischen Boden betritt. (Was heißt schon „sicher“? Ist das heutige Ungarn „sicher“?) Asylanträge sollten in den Botschaften der EU-Länder gestellt werden können. Das würde Schlepperei verhindern.

Und das sind nur kurzfristige Ansätze. Langfristig ist das Problem das Problem einer EU-Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, die dafür Sorge zu tragen hat, dass im Nahen und im Mittleren Osten und in Afrika Lebensbedingungen hergestellt werden, die Menschen nicht zur Flucht zwingen. Da haben alle europäischen Staaten auch historische Verantwortlichkeiten. „Wir“ – nein, nicht Sie und ich als Individuen – sind an den miesen Zuständen dort mitschuldig, seit Generationen, und das „Flüchtlingsproblem“ – das eben keineswegs nur als Problem gesehen werden muss – ist nur eine Folge davon.

 

 

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