Veröffentlicht in Bildung, Politik

Die usp der SPÖ

Unlängst (am Sonntag) im ORF „Im Zentrum“ eine Diskussion über die SPÖ und ihren Zustand; sie ist noch online erreichbar. Titel: „Gefangen im SPÖ-Labyrinth – Welche Richtung stimmt?“. Es diskutierten unter Leitung von Claudia Reiterer SP-Bundesgeschäftsführer Deutsch, SP-Tirol-Landesobmann Dornauer, Ex-Burgenland-LH Niessl, Traiskirchens SP-Bürgermeister Babler, eine Wiener SP-Bezirksrätin Costa und eine Politikwissenschaftlerin.

Das Alleinstellungsmerkmal

Nach einem kurzen Rückblick auf glorreiche Verhältnisse unter Kreisky sprechen in kurzen Filmsequenzen die Ex-Kanzler Klima, Gusenbauer, Faymann und Kern von der nötigen Erneuerung. Und Frau Reiterer fragt dann in die Runde nach dem „Alleinstellungsmerkmal“ der SPÖ. Weil die Parteivorsitzende Rendi-Wagner auf eine diesbezügliche Frage mit „Daran arbeiten wir“ geantwortet habe.

(Das „Alleinstellungsmerkmal“ – im marketing-Englisch auch „unique selling proposition“ / „usp“ genannt: was verkaufen wir als einzige? – ist die heilige Kuh der Werbefritzen und -fritzinnen.)

Und alle gehen ihr auf den Leim. Deutsch spricht von der „Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Verteilungsgerechtigkeit“, Niessl von der „Verteilungsgerechtigkeit“ und dehnt das auch auf den Abbau von Bildungsbarrieren und auf eine „gute soziale und medizinische Versorgung“ aus, Dornauer redet von „sozialer Gerechtigkeit“, auch Babler und Costa stimmen zu und ergänzen, dass das Alleinstellungsmerkmal „gegen direkte Ausbeutung“ und „gegen die Ausbeutung der Natur“ und „gegen das neoliberale Dogma“ beinhalte.

Ja, glaubt da irgendwer wirklich, dass damit eine einzigartige politische Position der SPÖ beschrieben sei? Die Grünen haben in ihren Grundwerten immer schon neben ökologisch, gewaltfrei und basisdemokratisch den Wert solidarisch. Alle Parteien sind heute nominell für Gerechtigkeit, Chancengerechtigkeit, Verteilungsgerechtigkeit – die einen glaubwürdiger, die anderen weniger, manche kaum. Was man unter Gerechtigkeit versteht, ist halt letztlich recht verschieden.

Zwei Probleme

Das eine Problem ist: es gibt kein Alleinstellungsmerkmal, keine „usp“ der SPÖ. Alle Forderungen der SPÖ werden auch von anderen Parteien erhoben – mehr oder weniger glaubwürdig.

Das andere Problem ist: Mit der Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal kann man FunktionärInnen aller Ebenen innerhalb der SPÖ sofort aufs Glatteis führen. Die ehrlichste ist noch die Parteivorsitzende: „Daran arbeiten wir“. Aber es hat keinen Sinn, an einem „Alleinstellungsmerkmal“ zu arbeiten. Alleinstellungsmerkmale sind marketing-Schimären; es gibt sie nicht. Aber das Denken in marketing-Schimären ist in der SPÖ heimisch geworden.

historisch

Dass das politische Ziel Gerechtigkeit – in der französischen Revolution als egalité und auch fraternité formuliert – mindestens auch von den Grünen glaubwürdig vertreten wird, zeigen die Wahlergebnisse der letzten 30 Jahre – das Wachstum der Grünen und das Schrumpfen der SPÖ sind analoge Prozesse. Immer mehr Menschen ahnen, dass ein moderner Begriff von Gerechtigkeit einen wesentlichen generationsübergreifenden Aspekt hat. Das kommt in der Forderung nach dem Schutz von Lebensräumen zum Ausdruck – als Naturschutz, als Umweltschutz, als Klimaschutz. Es hat keinen Sinn, das Volkseinkommen gerecht zu verteilen, wenn für die nächsten Generationen dann nichts übrig bleibt. Es gibt Teile in der SPÖ, die das auch schon ahnen.

Worum es geht

Es geht nicht um Alleinstellungsmerkmale: es geht um Glaubwürdigkeit. Und da sind Politiker wie ein Dornauer, der die SPÖ gleichzeitig „sozial- und gesellschaftspolitisch nach links“ und „in der Migrationsfrage nach rechts“ führen will, ein Problem. Kein Wunder, wenn es die SPÖ da zerreißt.

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