michael bürkle

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Michael Bürkle

„Vorlesungen“ in der Schule? Wie bitte?

Ich habe heute, offenbar wie sehr viele oder alle LehrerInnen, einen Brief von Frau Bildungsministerin Sonja Hammerschmid erhalten. Als „liebe Pädagoginnen und Pädagogen“ werden wir angesprochen.

Die Ministerin erklärt uns das neueste Reformpaket, das mehr Schulautonomie bringen soll. Es sei nicht als Sparpaket gedacht: „Eines möchte ich gleich zu Beginn klarstellen: das Autonomiepaket ist kein Sparpaket“ schreibt Frau Hammerschmid. Die Öffnung der Klassenschülerhöchstzahl sei „nicht dazu gedacht, um heimlich Dienstposten einzusparen, sondern um flexibel zu agieren: Sie selbst [also: wir LehrerInnen, Anm. mb] sollen entscheiden können, dass Sie z.B. vor einer größeren Gruppe eine Vorlesung zu einem bestimmten Thema halten […]“

Die „Vorlesung“ als Unterrichtsmethode? Im Ernst? Wer hat die Ministerin – von der ich bisher viel gehalten habe – hier beraten? Es war kein guter Ratgeber, keiner, der sich auskennt. Wer schreibt so was?

Welche Lehrerin, welcher Lehrer hält heute noch „Vorlesungen“? Niemand! Wir kommen manchmal auf einen Informationsblock von 10 Minuten, ja das kommt vor. Aber auch der ist keine „Vorlesung“. (Ist die Vorstellung der Ministerin „Steinzeitpädagogik“? Nein, es ist bloß Mittelalter. „Vorlesungen“ waren der mittelalterliche Vorläufer der Kopiergeräte. Im Klosterskriptorium las einer vor, die Mönche schrieben auf. Am Schluss hatte man vom vorgelesenen Werk mehrere Exemplare.)

An der Uni gab und gibt es noch sogenannte „Vorlesungen“. (Ja, die Uni hinkt didaktisch schon lange hinterher; und vielleicht gibts an der Uni tatsächlich, trotz elektronischer Medien, noch Situationen, wo eine Vorlesung Sinn hat. Mag sein.) Aber das gibt es nicht mehr an den Schulen. Nicht in der Volksschule, nicht in der Sekundarstufe I (der Neuen Mittelschule oder der Gymnasiumsunterstufe) und auch nicht in der Sekundarstufe II (der „Oberstufe“).

Frau Minister Hammerschmid: ich bin höchst irritiert!


PS: Ministerin Hammerschmid hat schnell Stellung bezogen. Sie können die Stellungnahme der Ministerin als Kommentar lesen!

 


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Kommentare

Eine Antwort zu „„Vorlesungen“ in der Schule? Wie bitte?“

  1. Avatar von michael bürkle
    michael bürkle

    Frau Minister Hammerschmid hat mir geantwortet! (25.10., 18:18) Respekt!, Frau Minister, für die Antwort an sich, noch mehr Respekt für die Geschwindigkeit der Antwort:

    Frau Minister Hammerschmid hat geschrieben:
    – – –
    Lieber Herr Bürkle,

    das Autonomiepaket soll den Schulen bzw. den Pädagoginnen und Pädagogen einen möglichst großen pädagogischen Spielraum verschaffen. Ich wollte mit dem Beispiel einer „Vorlesung“ aufzeigen, dass es auch Freiheiten bei den Klassengrößen gibt: Wenn man einen Vortrag, eine Vorlesung – oder wie auch immer Sie es nennen möchten – hält, kann die Anzahl der Schülerinnen und Schüler größer sein. Bei der vertiefenden Bearbeitung ist es wiederum sinnvoll in Kleingruppen zu arbeiten. Sie können aber auch ganz andere Unterrichtsmethoden anwenden, Sie sollen in der Gestaltung Ihres Unterrichts möglichst frei sein.

    Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, was im Rahmen der Autonomie alles möglich sein kann.

    Ihre Sonja Hammerschmid
    – – –

    Okay, wenn „Vorlesung“ nur ein (extremes) Beispiel sein soll … Das Beispiel kommt halt in der Schulpraxis de facto nicht vor. Wir müssen Klassen- oder Modulgrößen nach der Möglichkeit aller Arbeitsformen planen.

    Aber noch einmal: vielen Dank, Frau Minister!

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