Veröffentlicht in Bildung

Der „Befreiungstatbestand“
Schulreform: bitte zu Ende denken!

Österreich reformiert die gymnasiale Oberstufe. Es kommt die „NOSt“, die „neue Oberstufe“. Sie kommt als Reform des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG).

Die NOSt wird Dinge, wie sie am Gymnasium für Berufstätige (auf der Basis seines „SchUG-BKV“) nun schon seit Jahren üblich sind, auch in die „normalen“ Gymnasien bringen. Man wird Fächer über Prüfungen wiederholen können und in anderen Fächern trotzdem weiterstudieren können. Und wenn man dann aus einem späteren Semester ein Fach vorgezogen schon erledigt hat, entsteht der … „Befreiungstatbestand“. Das ist also nichts Illegales, das beschreibt eine bereits erbrachte Leistung.

Die NOSt macht einige Schritte vorwärts. Sie stellt z.B. wesentlich auf Semester ab. Das ist an sich vernünftig. Das Schuljahr als Rückmeldezeitraum ist viel zu lang. Immer wieder wachen 15-, 16-, 17-jährige im Mai auf und stellen fest, dass das Schuljahr schief läuft. Nein: schief gelaufen ist. Im Mai ist nicht mehr viel reparierbar.

Die NOSt wird „individuelle Lernbegleitung“ bieten. Das ist sicher gut und wird vielen SchülerInnen helfen. Was ist „individuelle Lernbegleitung“? „Keine Nachhilfe, kein Coaching, keine Bildungsberatung, sondern was ganz eigenes“ (Zitat aus einer Info-Veranstaltung des Bildungsministeriums zur NOSt). Sie wird von LehrerInnen geleistet werden, die dazu auch ausgebildet werden, in 12 Unterrichtseinheiten. (!?)

Die NOSt ist aber sehr österreichisch im schlechten Sinn. Sie denkt Richtiges an, denkt es aber nicht konsequent zu Ende. So wird dann letztlich trotz Orientierung an Semestern doch wieder an eine Schuljahreswiederholung gedacht. Entweder, bei vielen 5ern, verpflichtend, oder, bei wenigen 5ern, „freiwillig“. Man denkt an Semester, behält aber Schuljahre bei. Das ist natürlich Unsinn. Nicht fertig gedacht. (Oder: fauler Kompromiss geschlossen.)

Der Befreiungstatbestand ist als Begriff verräterisch. Etwas Positives – eine irgendwie außerhalb der normalen Klassenstruktur erbrachte Leistung – muss verwaltet werden. Die Verwaltung ist schwierig, weil die Strukturelemente Klasse und Schuljahr dagegen stehen. Deswegen kommt es zur Formulierung einer Leistung als quasi-Vergehen. Ja: Leistungen werden zu störenden Elementen, weil die Schulreform nicht konsequent zu Ende gedacht worden ist.

Mein Tipp für die Schulreformer: Schreiben Sie doch ab. Aus dem SchUG-BKV.

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