Veröffentlicht in allgemein, Bildung

Die Coolness der Kandidatin

31. Jänner, 14:43 Uhr. Am Abendgymnasium läuft die Matura. Eine mündliche Chemieprüfung ist gerade in der Zielgeraden. Zwei Kandidatinnen und ein Kandidat bereiten sich vor: eine der beiden Kandidatinnen seit 14:30 für ihre Reifeprüfung in Informatik. Ihr PC ist eingeschaltet; man kann Spuren ihrer Vorbereitung erkennen.

14:44. Stromausfall. Kein Licht, kein Beamer, kein PC. Nervosität in der Prüfungskommission. Es ist noch hell genug, um „normal“ zu prüfen. Aber was ist mit Informatik? Die prüfende Lehrperson meint, man müsse abbrechen. Kollege B. eilt zur Schulwartin. Als er zurückkehrt, berichtet er von einem großflächigen Stromausfall in Innsbruck.

Ich sitze in der Kommission und habe die Informatik-Fragen vor mir. In der Spezialgebietsfrage gehts um das Binärsystem, in der Kernstofffrage um Datenbankdesign. Im Spezialgebiet, finde ich, ist kein PC-Einsatz erforderlich, in der Kernstofffrage wird in Aufgabe b) die Software Access verlangt. Die Teilaufgaben a) und c) erfordern nicht unbedingt Access, wohl aber Durchblick und Sachverstand. Ohne Access ist das schwierig, wenn man das mit Access gewöhnt ist. Die Kandidatin jedenfalls arbeitet weiter.

15:10. Die Kandidatin könnte beginnen. Ich skizziere namens der Kommission die Situation und frage die Kandidatin, ob sie sich angesichts der Umstände den Prüfungsantritt zutraut. Die Kandidatin antwortet kurz: „Ja“. Wir beginnen den Prüfungsprozess.

Die Kandidatin skizziert der Aufbau der Datenbank. Sie nennt die notwendigen Tabellen und benennt die Schlüsselfelder. Sie skizziert die Verbindungen zwischen den Relationen. Alles richtig. Sie deutet noch an, wie in Access die Tabellen grafisch verschoben werden könnten, um die Beziehungen besser darzustellen. Auch Zwischenfragen aus der Kommission – nach dem Zweck der Schlüsselfelder z.B. – beantwortet sie korrekt.

Auch im Spezialgebiet: keinerlei Mängel. Die Kommissionsvorsitzende dankt. Die nächste Prüfung beginnt; noch ist es hell genug.

15:26. Der Strom ist wieder da. Der Prüfungshalbtag ist gerettet.

Am Schluss des Prüfungshalbtags stellt sich heraus, dass die Kandidatin nicht nur in Informatik, sondern in allen Fächern mit Note „Sehr gut“ maturiert hat.

Diese Prüfung war vermutlich der „coolste“ Auftritt bei unseren Reifeprüfungen. Die Abgebrühtheit, mit der die Kandidatin den Ausfall ihres Hauptwerkzeuges wegsteckte, war phänomenal. Eine wahrhaft „reife Leistung“.

Wir haben aber noch viel mehr „reife Leistungen“ gesehen. Ich habe einige brilliante Prüfungen erlebt (und auch einige meisterhafte Darbietungen an Mäeutik). Ja, klar: es gab auch den einen, den zähen, den mühsamen Nachmittag. Den mühsamsten, an den ich mich erinnern kann.

Obwohl ich sicher noch nichts dafür kann: ich bin stolz auf unsere Schule, unsere AbsolventInnen und unsere PrüferInnen.

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