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Diskussion in der „Letzten Generation“

In den letzten Tagen habe ich innerhalb der „Letzten Generation“ ohne Absicht eine Diskussion entfacht und habe dabei „auf Granit gebissen“. Im Anschluss an ein Rechtshilfe-Coaching online am 5.1. hab ich am 6.1. an die Innsbrucker Gruppe („Keimzelle Innsbruck“) geschrieben:

Ein Vorschlag

Liebe Leute;
ich sehe durch die Jännerwelle in Wien (und auch sonst) einige Geldstrafen auf uns zukommen, zum Teil empfindliche, denn die Jännerwelle wird höhere Strafen geradezu provozieren. Viele von uns werden nicht frei entscheiden können, ob sie Verwaltungsstrafen bezahlen oder „absitzen“ wollen.
Ich halte deshalb die Einführung eines Rechtshilfe- oder Prozessfonds für unbedingt nötig. Wir sollten die entstehenden finanziellen Belastungen möglichst verteilen. Ich meinerseits warte seit Wochen auf den IBAN für ein Spendenkonto, habe aber noch keinen erhalten. Offenbar gibt es noch kein reguläres Spendenkonto. Das wäre aber notwendig. Im Prinzip geht es lediglich darum, ein Konto zu akzeptablen Bedingungen zu eröffnen und ca. 3 Zeichnungsberechtigte zu benennen; das kann ja keine Einzelaktion sein.
michael b.

Das hat zunächst eine kleine Diskussion in der Innsbrucker Gruppe ausgelöst – durchaus auch mit Zustimmung, aber eine vehemente in der österreichischen fundraising-Gruppe der Letzten Generation auch mit Äußerungen aus der Kerngruppe – dem innersten Führungskreis.

Die Antwort

Ich will das jetzt im Einzelnen nicht aufdröseln; der Tenor der Leitungsstruktur war, dass jetzt auf keinen Fall zur Unterstützung der Aktivist*innen Spenden eingesammelt werden sollten; alle Aktivist*innen sollten die Folgen ihres Einsatzes selber tragen; (Teil der sog.) „legal strategy“ sei: „Wir zahlen keine Strafen“ (sondern lassen uns verklagen und versuchen, die Verwaltungsstrafen letztlich abzusitzen).

Ich habe dann am 7.1. für die Innsbrucker Gruppe das so aufgelöst:

Liebe Leute,
ich möchte die Vorbereitung der Jännerwelle nicht stören, aber einige Infos sind mir wichtig.

1. Mein gestriger Vorschlag (12:22) für einen Rechtshilfe- und Prozessfonds hat zunächst hier in der Keimzelle zu Diskussion und dann im Rahmen der Fundraising-Gruppe und der Kerngruppe zu heftiger Ablehnung geführt. Wir sollen jetzt keine Spenden für Rechtshilfe sammeln, sei die „legal strategy“ der LG, war die Begründung. „Das ist so.“ Befürchtet wird, dass die Strafen dann höher werden und dass wir sowieso nicht alle Strafen abdecken können. (Teil der) „legal strategy“ sei es, nichts zu zahlen, sich klagen zu lassen und die Klagen dann relativ lang hinziehen. „Wir zahlen keine Strafen“.

2. Eine gewisse „Opferbereitschaft“ sei Teil des zivilen Widerstands: „ernsthaften zivilen widerstand ohne persönliche opferbereitschaft gibt es nicht.“ Das beziehe sich auch auf finanzielle Opfer. „Das geltende Prinzip muss sein, dass Menschen, die zivilen Ungehorsam ausüben, die Konsequenzen selbst tragen. Dadurch wird deren Entschlossenheit unterstrichen.“

3. Ich halte das für einen Fehler. Die Aktivist*innen bringen eh schon Opfer: zeitlich, gesundheitlich, mental. Ich bin immer noch der Ansicht, dass man wenigstens die finanziellen Belastungen aufteilen sollte. Ich nehme an, dass alle, die über ein reguläres Einkommen verfügen, sich nicht „frei“ zwischen „zahlen“ und „absitzen“ entscheiden können. Ich fände deshalb das Sammeln von Spenden jetzt schon für sinnvoll, bin da aber im Gegensatz zur Kerngruppe und zur fundraising-Gruppe. Die wollen erst sammeln, wenn konkret Strafen anfallen. Das halte ich für zu spät.

4. Bis Ende Jänner wird es voraussichtlich einen Verein und ein Vereinskonto geben, auf das man einzahlen kann. Ich habe gestern erfahren: es gibt auch jetzt schon eine Kontonummer, die darf / soll / kann man aber nicht öffentlich zur Verfügung stellen, „nur als PN“ (privatnachricht).

Ich bin also in einer wichtigen Frage im Gegensatz zur Leitungsstruktur der LG. Ihr müsst meine Vorschläge auf diesem Hintergrund interpretieren. Ich muss mich wiederum fragen, ob ich da am richtigen Platz bin. Mir würde es darum gehen, Aktivist*innen zu entlasten und neue zu gewinnen; der Führungsstruktur geht es darum, über Opferbereitschaft die Glaubwürdigkeit zu unterstreichen.
michael b.

(Ich halte diese „legal strategy“ für kurzsichtig und für keine „Strategie“. Denn eine Strategie denkt etwas über mehrere Schritte durch, im Idealfall von A bis Z. Das ist hier m.E. nicht der Fall.)
Mir geht es darum, möglichst vielen Menschen einen einigermaßen geschützten Zugang (ohne allzu große finanzielle Risiken; man „opfert“ ja schon Zeit, Gesundheit, Belastung) zu den Aktionen der „Letzten Generation“ zu ermöglichen. Ich bin damit im Gegensatz zur Kernstruktur der Organisation, die auf „glaubwürdige Opferbereitschaft“ setzt. Und ja: ich muss mich fragen, ob ich da „richtig bin“.

Wir werden in der nächsten Zeit sehen, wie sich die Dinge entwickeln.

Eine erste conclusio

Ich bin mit der „Letzten Generation“ einig, dass unsere Regierung „den Klimanotfall nicht im Griff hat“. (Das ist aber ungenau: keine Regierung weltweit hat die Klimakatastrophe „im Griff“.) Wir sind uns einig, dass eine Rettung der Biosphäre des Planeten für die kommenden Generationen eine wesentlich andere Politik bedeuten muss; dass wir das nicht nur über die Umstellung von Lebensgewohnheiten im privaten Bereich stemmen können – die braucht es aber auch, sondern dass die Regierungen Volkswirtschaften schnell aus den fossilen Brennstoffen hinaussteuern müssen, viel schneller als das bislang geschieht. Viel schneller! Es bleibt nicht mehr viel Zeit.

Wir sind auch einig, dass es Protestformen braucht, die wachrütteln, die stören. Ein Wecker, der sanfte Musik bimmelt, holt dich nicht aus (un-)seligem Schlaf.

Über Organisationsformen der Klimaproteste haben wir durchaus Meinungsverschiedenheiten.

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