michael bürkle

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Michael Bürkle

Ethikunterricht verpflichtend! Religion entstaatlichen!

Die Situation

Derzeit gibt es für manche staatlich anerkannte Religionen einen staatlichen Religionsunterricht, nicht überall und nicht für alle. In vielen Schulen gibt es als Schulversuch einen Ethikunterricht für alle SchülerInnen, die sich an keinem Religionsunterricht beteiligen können oder wollen, aber nicht überall und nicht für alle. Wer sich also aus „seinem“ Religionsunterricht abmeldet, kann bzw. muss in manchen Schulen einen Ethikunterricht besuchen; wer „ohne Bekenntnis“ ist auch. In manchen Schulen – z.B. an den Abendgymnasien – kann man sich von Religion abmelden und muss keinen Ethikunterricht besuchen. Das gilt auch für alle Schulen, an denen der Schulversuch Ethikunterricht nicht durchgeführt wird.

Auf diese Weise bekommen viele SchülerInnen …
a) keinerlei Ethikunterricht, auch nicht über einen Religionsunterricht
b) einen religiös orientierten Ethikunterricht

(Wenn wir z.B. einen für einen Djihadismus anfälligen Studierenden an unserer Schule hätten: der würde keinen Ethikunterricht bekommen. Denn er würde sich vom islamischen Religionsunterricht sicherlich abmelden, bzw. bei uns: er würde das islamische Religionsmodul nicht buchen. Und ein anderes sicher auch nicht.)

Außerdem sind Religionsstunden und damit das Beschäftigungsausmaß für ReligionslehrerInnen immer unsicher, weil sich ja SchülerInnen vom Religionsunterricht abmelden können. Religionsunterricht darf auch kaum Leistungsforderungen stellen, denn sonst besteht die Gefahr, dass sich im nächsten Jahr die SchülerInnen abmelden. (Niki Glattauer erzählt heute in Ö1 von einem Religionsunterricht, in dem sehr viel Uno gespielt wird. Aber man sagt nicht „Uno“, sondern „Amen“.

Ja, eh, ich weiß: in unseren Schulen ist es manchmal nicht schlecht, wenn es in einer Stunde pro Woche keinen Leistungsstress gibt.)

Die Lösung

Ich bin dafür, Religion in der Schule endgültig zu entstaatlichen und einen für alle verbindlichen Ethikunterricht einzuführen, der selbstverständlich auch Wissen über Religionen zu vermitteln hat. Für diesen gibt es bereits sehr vernünftige Lehrplanentwürfe, die man nur vereinheitlichen müsste.

Wer darf bisher Ethik unterrichten? Lehrpersonen, die den entsprechenden Lehrgang absolviert haben oder berufsbegleitend absolvieren. Wir werden also für viele zusätzlich notwendige Ethikstunden derzeit zu wenige Lehrpersonen haben.

Ich bin deshalb dafür, dass in einer Übergangszeit alle bisherigen ReligionslehrerInnen nach dem offiziellen Ethik-Lehrplan auch Ethik unterrichten dürfen. Und zwar für eine Übergangszeit von ca. 5 Jahren, in denen sie den Ethiklehrgang nachholen können (wenn sie ihn nicht eh schon absolviert haben). Danach gilt nur mehr das Ethik-Lehramt. (Viele ReligionslehrerInnen müssten sich inhaltlich kaum umstellen. Jeder Religionsunterricht sollte an sich auch ethische Grundlagen und andere Religionen behandeln.)

Wir würden damit sicherstellen, dass …
a) jeder junge Mensch einen Ethikunterricht nach staatlichen Gesetzen bekommt, unabhängig davon, ob er / sie einer staatlich anerkannten, staatlich nicht anerkannten oder keiner Religionsgemeinschaft angehört
b) alle ReligionslehrerInnen weiter beschäftigt werden können, unabhängig davon, ob sich viele SchülerInnen vom Religionsunterricht abmelden oder nicht
c) für alle SchülerInnen die gleichen Stundentafeln gelten
d) in den Schulverwaltungen nicht Extraplanungen für klassenübergreifende Religionsstunden durchgeführt werden müssen; damit wäre die Stundenplangestaltung deutlich einfacher
e) problematische „Ethik“-Auffassungen, die über einen fundamentalistisch orientierten Religionsunterricht transportiert werden können, besser kontrollierbar werden

Wer hätte was davon?

Wer würde profitieren?
a) Die Republik Österreich, denn jeder junge Mensch würde (ohne besondere Mehrkosten für den Staat) eine elementare Ethik-Ausbildung bekommen, etwas, das Familien und Religionsgemeinschaften heute nicht mehr durchgängig leisten können
b) Alle jungen Menschen, denn eine Ethik-Ausbildung ist an sich etwas langfristig Vernünftiges. Das braucht man.
c) Alle ReligionslehrerInnen, denn sie hätten reelle Chancen, ihre Arbeitsplätze als EthiklehrerInnen langfristig zu sichern
d) Schulverwaltungen, denn sie könnten sich den jährlich wiederkehrenden Aufwand um die Religionsabmeldungen sparen und die Stundenplangestaltung würde deutlich einfacher und flexibler
e) Die Religionsgemeinschaften, denn sie könnten sich deutlich besser vor irregeleiteten Fundis in den eigenen Reihen schützen

Ich würde aus den Religions-InspektorInnen Ethik-InspektorInnen machen. Ja, ich hätte kein Problem damit, dass eine ehemalige Inspektorin für islamischen / katholischen / evangelischen / buddhistischen Religionsunterricht einen ehemaligen katholischen / evangelischen / buddhistischen / islamischen  Religionslehrer in seinem Ethikunterricht besucht, in dem auch Kinder ohne Bekenntnis sitzen, um mit ihm danach Anregungen über die gesehene Ethik-Stunde auszutauschen.

Wenn für eine politische Partei (z.B. für Teile der ÖVP) der „konfessionelle Religionsunterricht unverzichtbar“ ist, dann öffnet man damit auch fundamentalistischen Religionsunterrichten (und die gibt es – bei Gott! – nicht nur islamisch) Tür und Tor – und man verzichtet auf eine Ethikausbildung für alle. Religion muss entstaatlicht werden; ReligionslehrerInnen sollen aber weiterhin (halt in leicht veränderter Form) beschäftigt werden können. Wir wollen auf ihre Kompetenzen nicht verzichten, aber wir sollten sie auf einen konfessionell „neutralen“ Lehrplan verpflichten.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Ethikunterricht verpflichtend! Religion entstaatlichen!“

  1. Avatar von Lisa-Maria
    Lisa-Maria

    Michael, ein sehr gelungenes und vor allem ein direkt auf den Punkt gebrachtes Statement, dem ich mich nur anschließen kann. Du hast hier ein Thema angesprochen, dass auch mich schon weit mehr als einmal zu einem ernsten Nachdenken angeregt hat; darum hier ein paar spontane Gedanken meinerseits:
    Auch ich bin der Meinung, dass es, alleine schon im Sinne der Fairness und Gleichbehandlung, eine klare und unmissverständliche Trennung zwischen Religion und Schule geben sollte.
    Dabei sei nochmal klargestellt, dass eine Vermittlung von ethischen Grundwerten sowie einem grundlegenden Wissen über die Weltreligionen definitiv zum Bildungsauftrag einer Schule gehört bzw. auch in Zukunft gehören sollte. Jedoch entzieht es sich auch meinem Verständnis von Logik, warum dies zwangsläufig mit einer bestimmten Religion verknüpft sein muss; zumindest wenn ich die – scheinbar leider in Stein gemeißelten – Privilegien der Kirche mal kurz außer Acht lasse.
    Ich, zum Beispiel, bin aus Überzeugung konfessionslos, habe mich aber nach langer Überlegung dazu entschlossen, meine Kinder taufen zu lassen; allein schon um ihnen das Recht auf den Besuch eines Religionsunterrichtes zu ermöglichen. Dabei ging es mir nicht um die Religion, sondern vor allem darum ihnen einen sprichwörtlichen Ausschluss aus der Gruppe zu ersparen. Außerdem verstand ich nicht, warum meine Kinder, gerade in der Volkschule, auf jegliche Form eines ethischen Unterrichts verzichten sollten. Nur weil ich für mich beschlossen habe, sie nicht nach einer bestimmten Religion zu erziehen, heißt das ja nicht, dass ich sie ohne Moral und Ethik erziehe. Wie man es rechtfertigen kann, dass ein konfessionsloses Kind teils kein (siehe Volksschule) oder zumindest ein nicht vollkommen gleichgestelltes Recht auf einen nicht einer bestimmten Religion zugeordneten Unterrichts von Ethik hat, ist mir schlichtweg unbegreiflich und mehr als fern von jeglicher Idee der Gleichbehandlung unserer Schüler.
    Gerade die jüngste Vergangenheit sollte uns doch lehren, dass anstelle eines traditionellen Religionsunterrichts ein GEMEINSAMER ethischer Unterricht für ALLE, der neben der Vermittlung von allgemeingültigen Werten und Wissen über die verschiedensten Religionen, vor allem auch viel Raum für Aufklärung und Diskussion bietet, viel sinnvoller und notwendiger wäre; vor allem auch im Hinblick auf eine Prävention und Deeskalation des in jeder Religion vorhandenen Gewaltpotentials.
    Angemerkt sei noch, dass die Trennung der Schüler im klassischen Religionsunterricht wohl nicht gerade als integrationsfördernd bezeichnet werden kann; im Gegenteil, fördert es doch noch mehr eine ohnehin schon vorhandene Gruppenbildung nach Herkunft und Religion. Man raubt sich also freiwillig der Möglichkeit eines regen Austausches und Diskussion über unterschiedliche Glaubensrichtungen, Traditionen, Vorstellungen sowie Kultur im Allgemeinen aus und- das ist das entscheidende- VERSCHIEDENEN Blickrichtungen und Denkweisen unter der Aufsicht und Leitung eines geschulten und weitgehend neutralen Bildungsbeauftragten; was als Konsequenz nichts anderes als einen Verzicht auf eine wichtige Möglichkeit zur Horizonterweiterung unserer Schüler darstellt, eine wie mir scheint, nicht gerade logische Sache.

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