(Vorweg: ich war nie beim Bundesheer; ich bin „untauglich“.)
Bei der Grundausbildung der Garde in Horn ist ein Rekrut verstorben. Das ist überaus tragisch; die Umstände sind noch nicht restlos geklärt (vgl. Artikel in der Wiener Zeitung). Offenbar wurde bei Temperaturen um die 35° ein Marsch angeordnet. Ein Obduktionsergebnis der StA Krems ergibt „Herzstillstand aufgrund von Überhitzung“ als Todesursache; das Bundesheer spricht von einer Infektion.
Der Fall wird untersucht; der Verteidigungsminister verspricht „lückenlose Aufklärung“. Das sollte selbstverständlich sein.
Wir sollten eigentlich keine Todesfälle beim Bundesheer brauchen, um Strukturen in Frage zu stellen. Eigentlich.
Elitetruppe
Gardeeinheiten waren in der Militärgeschichte immer Eliteeinheiten. Das österreichische Bundesheer vermeidet in der Selbstdarstellung den Begriff Elite; immerhin sei die Garde „einer der wichtigsten militärischen Verbände in Wien“; ihre Uniform sei „einzigartig“ durch „scharlachrote Kragenspiegel“ und ein „scharlachrotes Barett“ (web site des Bundesheers).
Als ersten Zweck der Garde nennt das Bundesheer „[…] das offizielle Österreich zu repräsentieren. / Die Garde unterstützt den Bundespräsident, Vertreter der Bundesregierung sowie der öffentlichen Behörden bei deren protokollarischen Verpflichtungen, Staatsbesuche, Empfänge ausländischer Botschafter oder Generalstabschefs. / Das ganze Jahr über bilden Ehrenformationen und Gardemusik auch den feierlichen Rahmen für Staatsakte, bei festlichen Veranstaltungen des Bundes und der Länder sowie bei den vielfältigen militärischen Feiern.“ (web site des Bundesheers)
Auftritte der Garde sind durch diverse Videos dokumentiert – z.B. 2013 zum 75. Geburtstag des damaligen Bundespräsidenten Dr. Fischer, bei Staatsbesuchen, beim „Showexerzieren“ oder zur Angelobung von Bundespräsident Dr. van der Bellen am 26.1.2017.
Solche Auftritte sind natürlich nur nach viel Drill möglich. Es geht dabei darum, das Verhalten des Soldaten vom Großhirn ins Kleinhirn zu bringen, zu automatisieren. Es geht darum, das Denken auszuschalten. Unter dieser Voraussetzung macht dann natürlich auch ein Marsch bei Hitzegraden Sinn. Unter dieser Voraussetzung kann ein Unteroffizier auch auf „Schwindelgefühle“ eines Soldaten nicht sofort reagieren: da ist blinder Gehorsam gefragt.
Drill erzeugt kritische Situationen. Kein Wunder, wenn 2006 ein Gardeoffizier auch schon durch Selbstmord den Dienst quittiert hat.
Die Frage ist: brauchen wir das?
Brauchen wir das?
Nein, das brauchen wir nicht. Ich bin für ein Bundesheer des Mitdenkens; da brauchen wir keine Garde, keinen Drill. Die Republik Österreich kann sich bei Angelobungen und Staatsbesuchen nicht durch etwas repräsentieren lassen, was sich durch die Ausschaltung des Denkens „auszeichnet“. Das Bild Österreichs soll nicht durch eine Garde skizziert werden.
Oder Albert Einstein: „Wenn jemand Freude daran hat, bei Musik in Reih‘ und Glied zu marschieren, dann verachte ich ihn schon deswegen, weil er sein Gehirn nur wegen eines Irrtums bekommen hat; ein Rückenmark hätte gereicht.“ (Aus: „Wie ich die Welt sehe“; Zitat nach wikiquote)
Wozu brauchen wir das Bundesheer?
Ich denke, eine wichtige Aufgabe des Bundesheeres ist der Katastrophenschutz. Im Zuge des Klimawandels werden Überschwemmungen, Vermurungen, Steinschläge immer häufiger und dramatischer. Da brauchen wir junge Leute, die einsetzbar sind. Die auf die Schnelle eine Brücke bauen, einen Damm errichten oder einen Tunnel graben können. Das ist eine Aufgabe des Bundesheers; das sollen junge Leute üben können, nicht blindes Exerzieren. Da ist auch Führung mit Verstand nötig, nicht blinder Gehorsam.
Auch die Rettung von Menschen, ein Sanitätsdienst ist sinnvoll. Auch das muss geübt werden, mit Verstand.
Mit solchen Pionieren und Sanitätern kann sich Österreich auch an UNO-Mandaten beteiligen. Das ist sinnvoll.
Grenzschutz? Klar ist es Aufgabe des Bundesheers, die Grenze gegenüber Aggressoren zu schützen. Gegenüber Einzelpersonen oder zivilen kleinen Gruppen ist das eher eine Sache der Polizei. Klar gibt es Grenzfälle im Grenzschutz und wenn große zivile Gruppen kommen, kann ein Assistenzeinsatz des Bundesheers durchaus gerechtfertigt sein.
Brauchen wir Waffen beim Bundesheer? Brauchen wir das Bundesheer zur Verteidigung? In absehbarer Zeit wohl nicht, und wenn, dann nicht in einer Feldschlacht. Welche militärischen Bedrohungen gibt es für Österreich?
In einem Dritten Weltkrieg kann Österreich besetzt werden. Dann brauchen wir so etwas wie Guerilleros, die einem Besatzer Sabotageakte und andere Nadelstiche versetzen können. Das könnte man trainieren. Nicht mit Exerzieren; ganz im Gegenteil.
Beim internationalen Terrorismus ist die Frage, ob man ihn als Verbrechen oder als Form der Kriegsführung interpretiert. Im ersten Fall sind Terroranschläge eine Sache der Polizei, im zweiten Fall eine des Heeres. Wenn wir den Islamischen Staat als quasi-Staat verstehen, sind seine Terroranschläge kriegerische Akte. Dann hätte es einen Sinn, im Bundesheer auch das Verhalten gegenüber Anschlägen zu trainieren. Das sähe vermutlich recht ähnlich aus wie ein Training von Guerilla-Aktionen.
Die Garde ist ein Relikt; Drill ohne Hirn ist passé und gefährlich. Ich bin für eine völlige Auflösung der Garde und für eine Investition des eingesparten Geldes in Ausrüstung und Ausbildung für Katastrophenschutz und Menschenrettung. Rettung, nicht Schikane junger Männer.
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