michael bürkle

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Michael Bürkle

Gipfel der Scheinheiligkeit: Schächten als Tierquälerei

Ein niederösterreichischer FP-Politiker will Kunden von Fleisch, das durch Schächtung entstanden ist, registrieren lassen: das betrifft dann vor allem Juden und Moslems, die ihren Glauben streng auslegen.

Damit hätte man die Voraussetzung für eine Datenbank strenggläubiger Juden und Moslems.

Dass das Juden und Moslems beunruhigt, verstehe ich. Durchaus.

Das „Argument“

Der FPÖ-Politiker bezeichnet die Schächtung als Tierquälerei. Bei der Schächtung, die aus der Sicht strenggläubiger Juden und Moslems nötig ist, um Fleisch zu erhalten, das koscher bzw. halal ist, werden dem Tier mit einem scharfen Messer auf der Halsunterseite mit einem Schnitt die großen Blutgefäße und die Luft- und die Speiseröhre durchtrennt. Zweck ist ein möglichst restloses Ausbluten des Tieres, da in strengen Varianten des Judentums oder des Islams der Verzehr von Blut verboten ist.

Tatsache ist, dass beim Schächten das Tier nach erfolgtem Schnitt betäubt wird. Ob und inwiefern eine Betäubung vor dem Schnitt rituell korrekt ist, ist umstritten.

Der Gipfel der Scheinheiligkeit

Dass das Schächten kein schöner Vorgang ist, dass damit eine gewisse Qual von Tieren verbunden ist: das ist mir so weit klar. Insofern: Tierquälerei.

Dass es reicht, zu notieren, wer Schächten darf oder nicht: das ist mir auch klar. Wir brauchen nicht die Käufer. Klar soll sein, wer es tun darf.

Dass es aber überhaupt scheinheilig ist, von Tierquälerei in Bezug auf manche Arten des Schlachtens zu reden, ist für mich evident. Man kann sich in genügend vielen seriösen Dokumentarfilmen ansehen, wie „human“ es in unseren ganz konventionellen Schlachthöfen zugeht: gar nicht! Da werden Tiere bei lebendigem Leib lange gequält: Rinder, Hühner, Schweine, Schafe.

Schlachten ist immer mit einer gewissen Qual verbunden – da braucht sich der Herr Landesrat nicht über das Schächten zu echauffieren. Ich unterstelle ihm, dass es ihm auch gar nicht um das Schächten geht, sondern um eine Minderheitenerhebung.

Essen und Tierquälerei

Wenn es um die Vermeidung von Tierquälerei ginge, müsste der Herr Landesrat die konventionellen Schlachthöfe verbieten. Dann wäre es aber aus mit dem Schweinsschnitzel und der Wurst im Zeltfest und im Wirtshaus.

Wenn es um die Vermeidung von Tierquälerei geht, kann man schnell zum Schluss kommen, dass die Fleischwirtschaft unmoralisch ist und man auf Fleisch an sich verzichten sollte. So weit und vegetarisch bin ich schon: wegen mir muss weder geschächtet noch konventionell geschlachtet werden. Mir gehts auch um keinerlei Religion. Es geht ohne Fleisch und ohne Religion.

Konsequent weitergedacht müsste man dann aber auch auf Milch und damit auch auf Milchprodukte verzichten, denn die Milchwirtschaft ist die andere Seite der Fleischwirtschaft. (Keine Milch ohne ein Kalb: Wohin mit dem Kalb?) Das ist dann vegan. Da tu sogar ich mir schwer: ein Bergkäs ist schon was Gutes.


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Kommentare

4 Antworten zu „Gipfel der Scheinheiligkeit: Schächten als Tierquälerei“

  1. Avatar von michael bürkle
    michael bürkle

    Ein Freund macht mich aufmerksam: er meint, ich überschätze den Herrn FPÖ-Landesrat. Dem sei sowohl die Tierquälerei als auch die Minderheitenerhebung über strenggläubige Juden und Moslems egal. Dem gehe es nur darum, für die eigene Kernwählerschaft befriedigende Botschaften zu senden; praktische, umsetzbare Politik sei gar nicht intendiert.
    Wenn mein Freund recht hat, hätt ich den Herrn Landesrat einfach ignorieren sollen: keine Öffentlichkeit schaffen.
    Mag sein …

  2. Avatar von Whisker
    Whisker

    Ich denke, es wäre da dringend notwendig, zwei Dinge differenziert zu betrachten.

    Einerseits: Die Aktion von Waldhäusl erscheint mir äußerst durchsichtig.
    Denn für mich sieht es danach aus, dass es ihm da eben nicht in erster Linie um den Tierschutz geht, sondern eher wie ein Versuch, den „eigenen“ Leuten (sprich: Rechten) eine versteckte Botschaft zukommen zu lassen: „Keine Sorge, Kameraden, wir sind schon noch auf Linie“.
    Oder, einfachere Variante: Er hat sich als Rechter möglicherweise schlicht und einfach verplappert, seine Gesinnung ist ihm quasi „herausgerutscht“.

    Zweitens:
    Auf der anderen Seite sehe ich das Schächten durchaus kritisch, und zwar aus meinem säkularen Denken heraus.

    Exkurs:
    Ich bin der Meinung, wenn Menschen einen „unsichtbaren Freund“ haben wollen: dürfen sie und sollen sie.
    Das ist durch die Religionsfreiheit gedeckt (quasi als „Erweiterung“ der Meinungsfreiheit) und ist auch in Ordnung so. Sprich: es ist solange zu akzeptieren, wie Gläubige ihre Religion als ihr „Privatvergnügen“ betreiben und damit niemandem schaden, niemanden stören und nicht verlangen, dass sich Menschen, die nicht derselben Religion angehören, trotzdem an deren Vorschriften zu halten hätten.
    Ansonsten haben religiöse Menschen eine auf die Finger verdient (metaphorisch gesprochen).
    Exkurs Ende.

    Jetzt werden beim Schächten allerdings die Tiere getötet, ohne sie vorher zu betäuben. Meines Wissens nach ist die Begründung im jüdischen Glauben: die Betäubung vor dem Schlachten kommt einer Verletzung gleich und damit wäre das Fleisch nicht mehr koscher (die Begründung im Islam ist meines Wissens nach ähnlich, ich hab sie jetzt allerdings nicht genau im Kopf).
    Ich bin aber der Meinung: auch Tiere dürfen nicht unter religiösen Vorschriften zu leiden haben, denn sie haben genauso das Recht, vor unnötigem Schmerz und Leiden geschützt zu werden (gut, jetzt könnte man diskutieren, das Schlachten selbst wäre bereits unnötiges Leiden, aber lassen wir das mal außen vor, denn das ist da jetzt nicht das Thema). Und ich stelle diesen Schutz eindeutig über die Befindlichkeiten religiöser Menschen.

    Gut, angeblich verliert ein Tier bei fachgerecht ausgeführtem Schächten innerhalb von Sekunden das Bewußtsein, aber da gehen die Aussagen auseinander, die Datenlage scheint da uneinheitlich zu sein. D.h. meiner Meinung nach darf es da keine Ausnahme geben, sondern wenn es möglich ist, dem Tier auch den Schmerz zu ersparen, bevor es das Bewußtsein verliert, dann hat das ausnahmslos so gemacht zu werden und es darf keine „Extrawürste“ geben – auch nicht aus religiösen Gründen.

    Abgesehen davon gibt es da zwei Möglichkeiten, wie Juden und Moslems die Regeln ihres Glaubens beachten können, ohne dass dabei ein Tier möglicherweise leiden muß:
    1) Fische, die Flossen und Schuppen haben, sind in beiden Religionen ebenfalls erlaubte Nahrungsmittel und da fällt das Schächten komplett weg. Das bedeutet, strenggläubige Juden und Moslems könnten problemlos auf Fleisch verzichten und dieses durch Fisch ersetzen, so wie es auch Pescetarier machen.
    2) Eine weitere Möglichkeit wäre eine vegetarische Ernährung, d.h. strenggläubige Juden und Moslems könnten Fleisch einfach ganz weglassen.

    Fazit:
    Ich denke, Waldhäusl hat die Kritik durchaus verdient, denn seine Initiative geschieht meiner Meinung nach aus den falschen Motiven und ist deswegen nur verlogen.

    Genauso finde ich es jedoch notwendig, dass man über die Sinnhaftigkeit des Schächtens trotzdem diskutieren können muß, ohne z.B. sofort als antisemitisch oder islamophob diffamiert zu werden. Das ist nämlich ebenfalls unredlich, weil das nichts anderes als Totschlagargumente sind, mit denen versucht wird, einer Diskussion auszuweichen und Kritik mit unredlichen Mitteln zum Schweigen zu bringen.

    1. Avatar von michael bürkle
      michael bürkle

      eh. du hast völlig recht; d.h.: seh ich genau so.
      wo ich das besonders scheinheilig find: wenn man weiß, wie es in unseren schlachthöfen zugeht, braucht man sich über schächten an sich nicht aufzuregen. kein grund!
      (leider hast du den namen des herrn verraten. für mich wär der nicht nennenswert gewesen 😉
      m.b

      1. Avatar von Whisker
        Whisker

        > leider hast du den namen des herrn verraten. für mich wär der nicht nennenswert gewesen
        Naja, ich bin halt der Meinung, dass es gerade solche Leute absolut verdienen, „geoutet“ zu werden, denn meiner Meinung nach dient das dazu, dass man dann bei Menschen erkennen kann, woran man bei ihnen ist.

        Aber ich will damit jetzt nicht behaupten, meine Sicht wäre die einzig richtige, sondern denke, das ist immer ein bißchen ein Dilemma. Denn natürlich kann das einem Menschen auch quasi als „Umwegrentabilität“ mehr Publicity bei den falschen Leuten verschaffen, da ist schon was dran.

        Allerdings denke ich persönlich, solche Dinge öffentlich zu machen zahlt sich meistens auf lange Sicht eher mehr aus. Weil mit jedem Vorfall klarer wird, wes Geistes Kind solche Menschen sind und damit auch die Anzahl der Argumente zunimmt, mit denen mal solchen Leuten eventuell doch irgendwann einmal am Zeug flicken kann.

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