michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Grüne Erneuerung, Vorschläge Teil 2

Anschließend an meinen Artikel von vorgestern möchte ich noch einige Beobachtungen und Vorschläge ergänzen.

Grüne und Jugend

Die Grünen altern und es gibt kaum ein systematisches Kümmern um eine Jugendorganisation. Das führt dazu – und ich habe das mehrfach erlebt, dass junge Leute, die bei den Grünen auftauchen, schnell in irgendwelche Parteifunktionen gewählt werden – und dann dort allein gelassen werden. Man kann als junger Mensch bei den Grünen schnell Landesausschussmitglied, Vorstandsmitglied, Mitglied des Erweiterten Bundesvorstands, NationalratskandidatIn, LandtagsabgeordneteR werden. Dort ist man dann allein und allzu oft überfordert und schmeißt dann schnell alles hin und verschwindet auf Nimmerwiedersehen.

Aber wie soll man sich um eine grüne Jugendorganisation kümmern? Sicher nicht so wie in im September in St. Gilgen, wo sich die (damaligen) Parteigranden Felipe, Lunacek und Steinhauser mit Resten der ehemaligen grünen Jugend und relativ jungen ParteifunktionärInnen trafen, bereits den Namen der neuen Jugendorganisation („Grüne Jugend – Grün-Alternative Jugend“) festlegten und ein 6-köpfiges Koordinationsteam aufstellten.

Eine Jugendorganisation kann nicht „top-down“ eingerichtet werden, sie muss „bottom-up“ wachsen. Man muss junge Leute über für sie interessante Themen ansprechen; man muss ihnen Freiraum (und damit auch Budget! über-) lassen, um ihre eigenen Vorstellungen zu entwickeln, auch wenn einem die nicht immer passen, man muss sich mit ihnen auseinander setzen und konfrontieren. Es habe einmal einen Landesgeschäftsführer gegeben, der bei Veranstaltungen der grünen Jugend als Referent und Diskussionspartner aufgetreten sei.

Basisdemokratie

Basisdemokratie ist zu erweitern um wesentliche Elemente direkter Demokratie, wie sie auch der bürgerliche Staat schon kennt. Das ist heute mit modernen Medien auch parteiintern gut organisierbar.

Basisdemokratie ist zu reduzieren um Exzesse wie Mitgliederkauf: eine Abgeordnete legt für 150 neue Mitglieder 1.500 Euro an Mitgliedsbeiträgen hin. Stimmrecht soll man sich nicht erkaufen können.

Grüne Landesversammlungen sollten – wie der grüne Bundeskongress – einem Delegiertensystem unterzogen werden. Jede Regionalgruppe bekommt nach Anzahl der Mitglieder eine bestimmte Delegiertenzahl. Diese Delegierten sind dann stimmberechtigt – nicht jene Mitglieder, die gerade da sind. Das würde dazu führen, dass in den Regionalgruppen Diskussion entsteht, wer DelegierteR sein soll und was von den Delegierten erwartet wird. Diese Diskussion ist gut. Man kann als Regionalgruppe diesen Delegierten auch Aufträge mitgeben. Man muss sich als Regionalgruppe dann auch um diese Delegierten kümmern. Wenn Grüne im Ausland wohnen, sollen sie sich einer Regionalgruppe nach eigener Wahl anschließen dürfen. Von mir aus kann gern jede und jeder an einer Landesversammlung teilnehmen, aber das Stimmrecht muss organisiert sein, nicht der Anreiseentfernung überantwortet.

Ich habe so ein Delegiertensystem für die Landesversammlung der Tiroler Grünen in meiner Zeit als Geschäftsführer einmal vorgeschlagen – das muss 2003 oder 2004 gewesen sein – und bin damit grandios eingefahren. Eine meiner Niederlagen als Geschäftsführer.

Ja, der grüne Bundeskongress soll weiterhin über über wesentliche Parteifunktionen beschließen können. Und: nein, ein Wahlprozess um jeden einzelnen Listenplatz sollte nicht der Bundeskongress vornehmen. Ich habe allzu oft ein geradezu entwürdigendes „Durchreichen“ von KandidatInnen erlebt, aus dem Menschen mit Beschädigungen hervorgegangen sind. Der Reißverschluss als absolutes Prinzip ist hinfällig, und doch ja: wir sollten darauf achten, dass auf wählbaren Plätzen Frauen und Männer gleichermaßen vertreten sind.

Ich denke, ein Spitzenkandidat / eine Spitzenkandidatin soll ein Team vorstellen – sagen wir Plätze 1 bis 10 für die Bundesliste. Dieses Team wird dann mit der Spitzenkandidatur gewählt. Das würde auch eher garantieren, dass einander ergänzende Kompetenzen vorhanden wären und nicht durch die vielen „Zufällen“ unterworfene Wahl im Nachhinein hergestellt werden müssen. Vergleichen wir es mit einer Fußballmannschaft: der Teamchef wird gewählt; er bekommt MitarbeiterInnen, aber niemand kommt auf die Idee, dass der Vorstand des Fußballbunds über jede einzelne Spielerposition abstimmt.

 


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Kommentare

5 Antworten zu „Grüne Erneuerung, Vorschläge Teil 2“

  1. Avatar von michael bürkle
    michael bürkle

    „durchreichen“? das geht so: ein mensch kandidiert z.b. um den 4. platz und verliert knapp. weil er ein mann ist, darf er dann erst wieder um den 6. platz kandidieren. seine kandidatur vorstellen darf er dann nicht mehr, weil er sich ja schon um den 4. platz vorgestellt hat. mittlerweile sind zu denen, die um den 4. platz ebenfalls verloren hatten, die dazu gekommen, die auch nicht 5. geworden sind und natürlich alle die, die ebenfalls 6. werden wollen. also deutlich mehr. unser kandidat verliert mit guter wahrscheinlichkeit wieder. und dann wieder um den 8. platz und so weiter.
    ich verstehe, dass pilz sich so was nicht antun wollte.
    mb

    1. Avatar von Whisker
      Whisker

      > seine kandidatur vorstellen darf er dann nicht mehr, weil er sich ja schon um den 4. platz
      > vorgestellt hat.
      Hatten wir diese Regelung eigentlich 2002 auch schon? Ich glaube mich sehr dunkel zu erinnern, dass das damals anders war, aber ich bin mir da jetzt ziemlich unsicher.

      Obwohl: Dass man seine Kandidatur nur einmal vorstellen darf, ließe ich mir ja noch eventuell einreden. Denn wer z.B. dreimal für einen Listenplatz kandidiert, kommt damit dann letzten Endes auf die dreifache Redezeit wie die Konkurrenten um denselben Listenplatz. Und das klingt für mich etwas unfair.

      Es gibt allerdings ein noch weit größeres Problem, das mir (leider) erst bei den letzten paar LVs auffiel:
      Man ist auch ausschließlich beim ersten Platz, um den man kandidiert, zur Fragerunde zugelassen. Das bedeutet, bei jeder weiteren Kandidatur um einen anderen Listenplatz ist es unmöglich, sich Fragen zu stellen, die sich erst später ergeben, da kann man nur noch zuschauen und hoffen.

      D.h. das ist ein unfairer Vorteil für alle anderen, die davor noch für keinen Listenplatz kandidiert haben, weil eben nicht bei jedem Listenplatz in der Fragerunde dieselben Fragen gestellt werden.
      Und auch deswegen, weil z.B. eine Kandidatur als Spitzenkandidatin oder -kandidat etwas anderes ist als eine Kandidatur, wo es „nur noch“ um einen Listenplatz ab Platz zwei geht.

  2. Avatar von Whisker
    Whisker

    > Das führt dazu – und ich habe das mehrfach erlebt, dass junge Leute, die bei den Grünen
    > auftauchen, schnell in irgendwelche Parteifunktionen gewählt werden – und dann dort allein
    > gelassen werden.
    Oder junge Leute in diese Funktionen gewählt werden oder Jobs in der Partei übernehmen, bei deren Ansichten man gelegentlich befürchten könnte, man holt sich beim deswegen aufs Hirn greifen ein Schleudertrauma.

    Soweit ich mich erinnere, waren 2002 (=als ich bei den Grünen als Aktivist und Mitglied anfing), diejenigen, die studierten, dabei erste politische Erfahrungen in der GRAS sammelten und dann bei den Grünen direkt politische Ämter oder Parteifunktionen übernahmen, eine Minderheit.
    Heutzutage habe ich hingegen den Eindruck, jeder bzw. jede zweite bis dritte Grüne jüngeren Jahrgangs in einer Funktion oder einem politischen Amt hat zuerst Politikwissenschaft studiert (mit oder ohne Erfolg), sich parallel dazu bei der GRAS engagiert und teilweise bereits während des Studiums bei den Grünen ein Amt oder eine Funktion übernommen.

    Genau so entstehen aber Filterblasen. Weil man sich so eben nicht mehr das ausreichend erwirbt, was man vielleicht mit „Lebenserfahrung“ umschreiben könnte, sondern man politisch und weltanschaulich nur noch im eigenen Sud kocht.
    Und dann ist es auch keine sehr große Überraschung, wenn Vorwürfe kommen wie z.B. die Grünen wären nur noch abgehoben. Weil diese Vorwürfe dann auch ihre Berechtigung haben, zumindest bei manchen.

  3. Avatar von Whisker
    Whisker

    > Ich denke, ein Spitzenkandidat / eine Spitzenkandidatin soll ein Team vorstellen – sagen wir
    > Plätze 1 bis 10 für die Bundesliste. Dieses Team wird dann mit der Spitzenkandidatur gewählt.

    Hmmm… Da besteht aber auch das Risiko, dass sich Spitzenkandidaten dann immer nur dieselben Leute für ihr Team aussuchen und sich damit auch wieder ziemlich fixe „Führungscliquen“ herausbilden können, die andere recht leicht bei einer Kandidatur behindern könnten. Denn wenn dich dann die „Chefin“ oder der „Chef“ des Teams nicht in sein Team hinein nimmt, kannst jede Hoffnung auf eine erfolgreiche Kandidatur für ein Amt begraben.

    Vielleicht wär eine Möglichkeit, dass sich Spitzenkandidaten nur einen Teil ihres Teams selbst aussuchen und der Rest gewählt wird? Also z.B. Spitzenkandidat sucht sich fünf Leute für sein Team aus, die restlichen fünf werden von der jeweiligen Versammlung gewählt, und am Ende werden die zehn Leute zu einem Team zusammengeführt. Zum Beispiel, indem man die Listenplätze abwechselnd besetzt.

    Oder man überlegt sich, andere Wahlsysteme einzuführen, z.B. ein System wie bespielsweise das Instant-Runoff-Verfahren, wo Wähler nicht nur eine Stimme für einen Kandidaten abgeben, sondern die antretenden Kandidaten reihen, und aus der Summe dieser Reihungen wird dann ermittelt, wer gewonnen hat.
    Ja, das ist wahrscheinlich etwas aufwendiger. Aber über die Frage, ab wann ein Wahlsystem für eine möglichst demokratische, faire und sinnvolle Wahl zu „aufwendig“ wird, kann man ja diskutieren.

    Ich denke, wir Grünen sollten uns gründlich überlegen und diskutieren, ob wir solche „progressiveren“ Wahlsysteme bei Listenwahlen intern einsetzen (oder zumindest ausprobieren) sollten – besonders deswegen, weil wir Grünen uns ja auch recht gern selbst als progressive Partei sehen. 🙂

  4. Avatar von Whisker
    Whisker

    > Grüne Landesversammlungen sollten – wie der grüne Bundeskongress – einem Delegiertensystem
    > unterzogen werden.
    Okay, das klingt auf den ersten Blick recht interessant.

    Aber wie vermeidet man da Phänomene wie z.B. in den USA, wo ja bei den Präsidentenwahlen mit dem Electoral College ja eine Art von Delegiertensystem existiert und dadurch jemand eine Wahl gewinnen kann, ohne die meisten Stimmen auf sich zu vereinen?
    Würde man da zuerst in den Bezirks- oder Regionalgruppen abstimmen, welche Leute auf welchen Platz gewählt werden sollen, und die Delegierten sind dann an dieses Ergebnis gebunden? Oder sollen die dann völlig frei entscheiden dürfen, wen sie wählen?

    Um dein Fußballbeispiel aufzugreifen und weiterzuspinnen:
    Wie könnte man verhindern (oder zumindest ausreichend erschweren), dass dann ein Teamchef gute Spieler auf der Ersatzbank sitzenbleiben läßt, weil er sich nur Teams aus seinen „braven“, weil gehorsamen Anhängern zusammenstellt und sich so dauerhafte Seilschaften bilden, die dann einfach über die Mitglieder hinweg bestimmen (so wie es z.B. bei der ÖVP Tradition hat)?

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