Veröffentlicht in Bildung, Politik, fiction

Klimawandel wird Thema der Literatur

Der Buchmarkt reagiert

Der 2004 erschienene Bestseller „Der Schwarm“ von Frank Schätzing, in dem die Erdbevölkerung von einer Schwarmintelligenz bedroht wird, die die Menschheit für den Klimawandel mit Pandemien „bestraft“, ist vom ORF gerade über eine Verfilmung, die er mitproduziert hat, an drei aufeinanderfolgenden Abenden markant ins Fernseh-Hauptprogramm gestellt worden. Und es lässt sich trefflich missverstehen: Mensch gegen Natur. So mag das offenbar der Autor selbst sehen, indem er seinem Buch eine unmittelbare Aktualität zuschreibt – die es nicht hat.

Der nächste Bestsellerautor, Marc Elsberg, der u.a. bereits einen filmisch verarbeiteten Roman über einen kontinentalen Stromausfall („Blackout“) auf den Markt gebracht hat, legt am 15.3. mit „Celsius“ ein Buch nach, das sich explizit auf den Klimawandel bezieht. In Celsius übernimmt China mit Staaten des „globalen Südens“ den Versuch, mit Geoengineering die Macht über das Weltklima zu übernehmen, den Klimawandel zu bekämpfen und die Erde zu „retten“. Das profil hat das groß thematisiert.

Ja, der Buchmarkt reagiert. Es ist noch nicht „hohe Literatur“, aber man kann zum Klimawandel schon belletristische Bestseller schreiben und erwerben.

Geoengineering

Geoengineering, das Thema, das Elsberg aufnimmt, ist theoretisch möglich: man operiert sozusagen mit „Ingenieurmethoden“ direkt mit dem Planeten bzw. seiner Biosphäre. Es gibt im Wesentlichen 2 Ausprägungen:

(a) man entzieht der Atmosphäre CO2, damit der Treibhauseffekt gemildert oder reduziert wird: „CDR“ für Carbon Dioxide Removal,
(b) man blockiert die Sonneneinstrahlung, indem man in die Stratosphäre lichtreflektierende Schichten einbringt: „SRM“ für Solar Radiation Management. Man schirmt also die Sonne ab und reduziert damit die Einstrahlung von Sonnenlicht und das Aufheizen der Erde.

Für einen Roman von Elsberg ist das Stoff genug.

Die politische und die technische Umsetzung von Geoengineering sind aber enorm schwierig. Einerseits politisch-rechtlich: Wer kann sich das Recht herausnehmen, für die gesamte Erde Eingriffe, die alle betreffen, vorzunehmen? (Bei Elsberg ist es China im Verbund mit dem globalen Süden.) Andrerseits technisch-wissenschaftlich: Wer kann abschätzen, wie sich globale Eingriffe über Jahrzehnte entwickeln können? Ist es nicht vermessen, mit Ingenieurmethoden den einzigen Planeten, den wir haben, womöglich völlig zu versauen, wenn „den Ingenieuren“ ein paar Fehler passieren? (Und niemand ist in der Lage, die gesamte Komplexität der Biosphäre zu überblicken.)

[Gegenargument: Schon derzeit maßt sich der globale Norden an, mit seiner Lebensweise die Biosphäre des Planeten für alle Menschen nachhaltig zu schädigen. Wir betreiben mit dem globalen Kapitalismus auch schon eine Art negatives Geoengineering: wir bauen den Planeten nachhaltig um und schädigen damit vor allem die Länder des globalen Südens.]

Abgesehen davon und rein technisch: alle diskutierten Methoden sind extrem energieintensiv. Es kostet irr viel Strom, der Atmosphäre das CO2, das Milliarden Menschen mit ihren Verbrennungsmotoren emittiert haben, wieder zu entziehen. Woher nehmen wir diesen Strom? Aus Solar- und Windenergie und Biomasse? Geht sich das aus?

Wir werden um klassisches, massives, politisch verordnetes und geregeltes Energiesparen und um nachhaltige Energieformen (Windenergie, Photovoltaik, Biomasse) nicht herumkommen, Geoengineering hin oder her.

Es ist gut …

Es ist gut, dass der Klimawandel die Literaturszene erreicht hat. Er erreicht damit noch mehr Menschen und auf Kanälen, die weit über Nachrichten hinausreichen.

Es ist gefährlich …

Es ist gefährlich, wie der Klimawandel die Lieteraturszene erreicht hat, weil die „Lösungen“ aus science-fiction-Geschichten allzu leicht von den realen Problemen ablenken können und den Gedanken nahelegen könnten, dass das „eh alles nicht so schlimm“ sei, dass es ja Lösungen gebe jenseits von Sparmaßnahmen, von Verzicht, von Einschränkungen. „Lösungen“ aus science-fiction-Geschichten können die Menschheit in eine unverantwortliche Trägheit einlullen und Politiker*innen einen Spielraum vorgaukeln, den es in Wirklichkeit überhaupt nicht gibt. Spekulationen um Geoengineering gaukeln uns einen „Plan B“ vor, damit wir kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir Plan A frühzeitig aufgeben.

Aber ich sehe diese Politiker und Politikerinnen schon.


Es gibt einige sehr gute Videos, mit denen man sich seriöse Basisinformationen holen kann:

„Kann Geoengineering das Klima retten?“ – aus der ARTE-Serie „42“
„Rettet verrücktes Geoengineering unser Klima?“ – vom Großmeister der Wissenschaftskommunikation Harald Lesch
„Geoengineering: Der Klima-Cheat?“ – aus der Serie „Dinge erklärt“ von „Funk“, dem öffentlich-rechtlichen content-Portal von ARD und ZDF
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[…] sehr viel Energie zur Verfügung stellen würde, wir können mit Geoengineering die Erde so manipulieren, dass sie sich wieder etwas abkühlt – aber alles das braucht […]