Veröffentlicht in Politik

Niederösterreich hat gewählt

Landtagswahl NÖ 2023

Niederösterreich hat die Landtagswahl 2023 absolviert. Das Ergebnis ist einigermaßen erwartet worden. ÖVP und SPÖ fahren die historisch schlechtesten Ergebnisse ein. Die ÖVP erstmals in der Geschichte in NÖ unter 40% Stimmenanteil (39,94%); die SPÖ mit 20,66% gerade noch über 20%; die FPÖ aber mit 24,19% fast schon bei 25%. Linksliberale Grüne und rechtsliberale NEOS legen leicht zu: die Grünen schaffen mit 7,58% (+1,15%-Punkte) den Klubstatus, die NEOS mit 6,67% nicht einmal das.

Die Torte, die fast nie gezeigt wird und die die Nicht-Wähler*innen und ungültig-Wähler*innen auch enthält, sieht etwa so aus:

Nur knapp 70% aller Wahlberechtigten konnten sich für eine der kandidierenden Parteien entscheiden; über 30% gingen nicht zur Wahl oder wählten ungültig. Das ist die größte Teilgruppe der Wahlberechtigten. Die ÖVP wählten ein bisschen mehr als ein Viertel der Wahlberechtigten; die SPÖ etwa jede*r siebte, die FPÖ etwa jede*r sechste, die Grünen etwa eine*r von 19 und die NEOS etwa eine*r von 21. Der Rest verschwindet in der Statistik.

In Mandaten hieße das: von den 56 Landtagssitzen würden 17 leer bleiben, 16 wären für ÖVP-Abgeordnete zu haben, 9 für die FPÖ, 8 für die SPÖ und je 3 für Grüne und NEOS. Das System wankt.

Es herrscht eine fundamentale Unzufriedenheit mit den Parteien insgesamt. Die größte Gruppe der Wahlberechtigten fühlt sich von niemandem adäquat vertreten. Um diese Menschen müsste man sich ernsthaft kümmern.

Düstere Aussichten

ÖVP

Ich denke, das Wahlergebnis ist letztlich düster. Ein Lichtblick dabei die Relativierung des „ewigen“ Machtanspruchs der ÖVP. Die klassische ÖVP beginnt auch in ihrem Machtzentrum Niederösterreich gewaltig zu bröckeln.

FPÖ

Die Rechtspopulisten der FPÖ haben deutlich gewonnen. Das ist die Partei, die aus dem Nazi-Sammelbecken VdU hervorgegangen ist, die den menschengemachten Klimawandel leugnet, die die Menschenrechte relativiert, die in Hunderten „Einzelfällen“ auch heute noch beim Nazismus immer wieder anstreift – sei es durch Sprüche, Gesten oder, wie im Falle ihres Spitzenkandidaten Landbauer, mit Liederbüchern. Die den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilen kann, die einen Austritt Österreichs aus der europäischen Staatengemeinschaft immer wieder ins Spiel bringt, die „Klimakleber“ als Terroristen bezeichnet. Es ist die Partei der „einfachen Lösungen“, die sich bei näherem Hinsehen als dumm und sinnlos herausstellen. Ein Viertel der Wähler*innen haben sie gewählt. Das Gute daran: drei Viertel haben sie nicht gewählt. (Zu ergänzen: „der Wähler*innen“; von den Wahlberechtigten haben sie etwa 5 von 6 nicht gewählt!)

(Dass sich die FPÖ aus Nazi-Quellen speist, spielt für viele junge Wähler*innen keine große Rolle mehr. Die Zeitzeugen des Nationalsozialismus sterben aus; sie können nicht mehr berichten.)

SPÖ

Farblose, selbst von Korruption belastete Sozialdemokratien sind nicht mehr als Alternativen erkennbar. Die Sozialdemokratie würde eine umfassende Erneuerung brauchen. Sie ist aber noch zu sehr in den abbröckelnden Strukturen der klassischen Arbeitnehmervertretung des letzten Jahrhunderts verhaftet. Aber Arbeitsverhältnisse lösen sich auf: zwischen Arbeiter*innen und Angestellten einerseits und jungen Unternehmer*innen andrerseits tut sich ein Spektrum an verschiedenen Formen von „Arbeit“ auf; Arbeit gibt es heute in vielen Modellen; nicht alle kann die Sozialdemokratie ansprechen.

Sie ist in einem deplorablen Zustand. Interne Machtkämpfe um die letzten verbliebenen Pfründe, Korruption beinahe wie bei ÖVP und FPÖ und ein farbloser Spitzenkandidat lassen die Partei auf die reinen Stammwähler schrumpfen.

Grüne

Die Grünen legen von 6,43% auf 7,58% zu. Gut: das bringt Klubstatus und damit mehr Geld für politische Arbeit. Aber eine Zeit wie unsere würde viel stärkere grüne Parteien erfordern. Die Grünen waren schon viel weiter; es geht alles viel zu langsam. Grüne Politik findet heute schon in vielen NGOs statt, nicht mehr in der Partei.

Trend für Jahrzehnte

Aber das wird ein Trend für die nächsten Jahrzehnte werden. Wir werden über die Klimakatastrophe in Dauerprobleme schlittern – und Leute, die nicht allzu weit denken, werden die Populisten wählen. Das ist nicht nur in Niederösterreich so. Die Gesellschaft wird sich weiter spalten:

  • in die, die einfache Schein-Lösungen versprechen – Zäune errichten, Menschen einsperren, Demokratie einschränken.
  • es wird den Teil geben, der die Probleme zwar sieht (oder wenigstens ahnt), aber seinen Besitzstand zu wahren versucht. Die gibt es vor allem in der ÖVP und SPÖ.
  • und es wird die geben, die wirklich in verschiedenen ideologischen Ausprägungen an den gesellschaftlichen Problemen arbeiten wollen. Die gibt es bei den Grünen, bei den NEOS, bei der SPÖ und sogar bei der ÖVP. Die Nicht-Populisten. Aber sie haben mit den Populisten und den machthungrigen Besitzstandswahrern in den eigenen Parteien zu kämpfen.

Alle die gibt es natürlich auch außerhalb der Parteien.

Manche werden die Populisten wählen. Manche wählen nichts mehr. Und der große „Rest“?

Wir gehen auf eine Gesellschaft mit Gräben zu.

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