Veröffentlicht in Bildung, Politik

Schule und Corona

Corona. Die Schulen sind zu.

Kein Unterricht, nun schon seit 16. März!

Falsch. Bei uns am Abendgymnasium wird der Stundenplan durchgezogen. Praktisch der gesamte Unterricht findet stundenplanmäßig statt – mit ganz wenigen Ausnahmen. Die Studierenden treffen ihre Lehrenden im Internet. Unterricht aus dem home office. Gleich viele Stunden Unterricht wie sonst auch. Diverse Softwareprodukte für Videokonferenzen werden ausprobiert.

Aber mehr Arbeit; deutlich mehr Arbeit! Aufgaben können nicht so gut besprochen werden wie face to face. Es entsteht deutlich mehr Vorbereitungsaufwand für die online-Stunden – abgesehen davon, dass die meisten – Lehrpersonen wie Studierende – keine Medienprofis sind und mit den für sie neuen Medienprodukten erst umgehen lernen müssen. Es entsteht noch viel mehr Nachbereitungsaufwand. LehrerInnen versichern mir, dass sie noch nie so viele Hausaufgaben korrigiert haben. Manche LehrerInnen zeichnen die Stunden auch auf: das wird extrem geschätzt von Studierenden: man kann sich eine Stunde, eine Passage, einen schwierigen Inhalt noch einmal ansehen. Aber wo bringt man die Megabytes für die Videos überhaupt unter? Speicherplatz wird rar.

Dabei können nicht alle Studierenden dem Unterricht beiwohnen. Manche haben zu wenig Ausstattung: wir haben einen Satz Laptops, den wir für Recherchezwecke für Lerngruppen angeschafft haben, deshalb einstweilen an Studierende, die das brauchen, verliehen; kostenlos. Aber manchen fehlt nicht so sehr das Gerät: manchen fehlen auch Computerkompetenzen. Manches ist lernbar, aber es ist schwierig, neben dem Stoff in Englisch, Mathe, Bio, Physik noch Computerkompetenzen erwerben zu müssen. Es ist ganz klar: die Privilegierten, die mit besserer Ausstattung, die wohlhabenderen: sie profitieren; für die Benachteiligten, für die mit schlechterer Ausstattung, wird es echt schwieriger. Ja: Corona-Unterricht ist nicht gerecht. Wir denken über Kompensierungen nach.

Überforderte Politik und Verwaltung

Das Bildungsministerium hat sehr viel Arbeit. Es gibt eine Gesetzesnovelle, die dem Minister in diesem Semester relativ viel Spielraum auf dem Verordnungsweg schafft. Aber der Minister und sein Team hat viel zu tun: alles von Kindergärten bis zu Universitäten hat Regelungsbedarf. Es gib eine wichtige „Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung über Vorbereitung und Durchführung abschließender Prüfungen für das Schuljahr 2019/20“ … vom 21. April. Spät genug! In ihr wird einiges geregelt – aber lange nicht alles, was geregelt werden müsste. Der Minister hält am 24.4. eine Pressekonferenz, in der er z.B. „keine Schularbeiten“ verspricht. In der Presseunterlage liest sich das so:

Keine Schularbeiten. Schularbeiten finden in der kommenden Zeit keine mehr statt. Die Leistungen, die im Rahmen des Distance-Learning und des nun folgenden Präsenzunterrichts erbracht wurden und werden, fließen in die Gesamtbeurteilung ein. Schüler, die kontinuierlich mitgearbeitet haben, sollen ihre Mitarbeit honoriert bekommen. Bei Schülern, die zwischen zwei Noten stehen und bei Schülern, die eine bessere Note erlangen wollen, kann eine mündliche Prüfung erfolgen.

Aber das ist natürlich einstweilen nur ein Wunsch des Ministers: das ist keine Verordnung und kein Erlass. Lehrerinnen und Lehrer sind aber an Gesetze gebunden. Bekommt hier der Wunsch des Ministers, den er der Presse vorträgt, schon per se Gesetzeskraft?

Wir – an den Abendgymnasien – warten seit Wochen auf Bestimmungen, die die Endphase dieses Semesters für uns regeln. Wir haben keine Schuljahre mehr, sondern denken alles in Semestern; wir haben keine „Maturaklassen“ (und andere „Klassen“), sondern denken alles in Modulen. Viel von dem, was die ministerielle Verordnung vom 21.4. erklärt, stimmt für uns einfach nicht. Abgesehen davon: unsere Matura ist noch nicht zentral. Aber wir haben eine Arbeitsgemeinschaft der Abendgymnasien und wären in der Lage, viel schulautonom zu regeln. Aber alles?

Heute, am 1.5., bekommen wir über Umwege ein Papier aus dem Ministerium: keine Verordnung, kein Erlass, ein bloßes Informationspapier, überschrieben mit

Information zum Start der Abschlussklassen an den berufsbildenden mittleren Schulen (BMS), Kollegs, Sonderformen für Berufstätige nach SchUG-BKV „alt“ sowie Bundessportakademien.

Es stellt zumindest klar, dass bei uns die SchulleiterInnen mit den Bildungsdirektionen die Termine für die schriftlichen Reifeprüfungen schulautonom festlegen dürfen. Das haben wir zwar schon beinahe getan, weil es einfach notwendig war – aber jetzt dürfen wir es auch nachträglich. Obwohl: die „Abschlussklassen“, auf die das Papier Bezug nimmt, haben wir ja nicht.

Es fehlt immer noch für unsere Reifeprüfung ein Durchführungserlass. Aber es ist schon Mai.

Es geschehen seltsame Dinge. Ein wichtiges Papier bekomme ich nicht aus dem Ministerium, sondern über den Fachausschuss, also über die Personalvertretung. Mittags kommt das Papier dann auch aus dem Ministerium – da habe ich es nun doppelt.  Beruhigend. Nachmittags kommt aus dem Ministerium dann eine Korrektur des Papiers. Wir bewegen uns mit beiden Beinen fest in Wolken, die sich aus viel gutem Willen kondensiert haben. Guter Wille bei Studierenden, bei LehrerInnen, bei DirektorInnen, in den Landesbildungsdirektionen, im Ministerium. Aber es hakt. Wir nehmen an Videokonferenzen teil, an denen es kein Video gibt, weil sonst die Software überlastet wäre, aber am Schluss meint die Leitung, das habe jetzt gut funktioniert. Wir können fragen – und bekommen Antworten, dass dies und jenes wohl so sein werde und noch rechtzeitig als Regelung kommen werde. Dabei wäre gerade in einer Zeit wie dieser eine verlässliche Grundlage schon eine große Hilfe.

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