michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Ein inner-tirolisches Missverständnis

eine Anekdote zum Vokalismus der Tiroler Dialekte …

Ich kenne einen Herrn, der aus dem Außerfern stammt. Das ist jener Teil Tirols, der starken alemannischen Dialekteinfluss zeigt, einerseits dem Lech entlang aus Vorarlberg, andrerseits auch aus dem Schwäbischen.

Eines Tags ging dieser Herr in Innsbruck nach Hause. Ein anderer Mann folgte ihm und kam immer näher. Der Herr bog in sein Innsbrucker Heimat-Gassl ein und wollte die Tür zu seinem Haus öffnen, da verspürte er eine Hand auf seiner Schulter und der Mann, dem sie gehörte, meinte: „Die Polizei war do.“

„So, was wollte sie denn?“, fragte der Außerferner.

Ende der Anekdote.

Sind Sie irritiert? Das ist üblich.

* * *

Es geht um ein Missverständnis. Für den Außerferner war der Satz „Die Polizei war da“ ein Präteritum, ein Imperfekt, eine Mitvergangenheit, ganz wie Sie wollen. Jedenfalls ein Befund über Vergangenes, im Indikativ, also der „Wirklichkeitsform“. Die berechtigte Gegenfrage war da die Erkundigung danach, was die Polizei wollte. Außerferner kennen sogenannte „helle“ a – wie Vorarlberger und andere Alemannen auch.

Für den Innsbrucker war „war“ kein Indikativ, sondern ein Konjunktiv II: im Standarddeutschen ist das „wäre“. Der Satz hieß „Die Polizei wäre da“ [mitgemeint: „- und zwar jetzt. Ich bin von der Polizei.“] Ja, auch die Innsbrucker kennen „helle“ a, aber nur als Äquivalente eines standardsprachlichen „ä“, als Umlaute (wie z.B. auch in Gassl für Gässchen). Ein präteritales „war“ des Standarddeutschen wäre (im Dialekt: „war“ oder „warat“) im Innsbruckerischen ein „woar“. (Ja, die Innsbrucker kennen durchaus das Präteritum und sprechen es auch, allerdings nur beim „verbum substantivum“ sein. Sonst wird Vergangenes generell – wie im Süden des deutschen Sprachraums allgemein üblich – im Perfekt formuliert:  I woar do und i hob’n gsechn.)


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