Veröffentlicht in Bildung, Politik

„Vorlesungen“ in der Schule? Wie bitte?

Ich habe heute, offenbar wie sehr viele oder alle LehrerInnen, einen Brief von Frau Bildungsministerin Sonja Hammerschmid erhalten. Als „liebe Pädagoginnen und Pädagogen“ werden wir angesprochen.

Die Ministerin erklärt uns das neueste Reformpaket, das mehr Schulautonomie bringen soll. Es sei nicht als Sparpaket gedacht: „Eines möchte ich gleich zu Beginn klarstellen: das Autonomiepaket ist kein Sparpaket“ schreibt Frau Hammerschmid. Die Öffnung der Klassenschülerhöchstzahl sei „nicht dazu gedacht, um heimlich Dienstposten einzusparen, sondern um flexibel zu agieren: Sie selbst [also: wir LehrerInnen, Anm. mb] sollen entscheiden können, dass Sie z.B. vor einer größeren Gruppe eine Vorlesung zu einem bestimmten Thema halten […]“

Die „Vorlesung“ als Unterrichtsmethode? Im Ernst? Wer hat die Ministerin – von der ich bisher viel gehalten habe – hier beraten? Es war kein guter Ratgeber, keiner, der sich auskennt. Wer schreibt so was?

Welche Lehrerin, welcher Lehrer hält heute noch „Vorlesungen“? Niemand! Wir kommen manchmal auf einen Informationsblock von 10 Minuten, ja das kommt vor. Aber auch der ist keine „Vorlesung“. (Ist die Vorstellung der Ministerin „Steinzeitpädagogik“? Nein, es ist bloß Mittelalter. „Vorlesungen“ waren der mittelalterliche Vorläufer der Kopiergeräte. Im Klosterskriptorium las einer vor, die Mönche schrieben auf. Am Schluss hatte man vom vorgelesenen Werk mehrere Exemplare.)

An der Uni gab und gibt es noch sogenannte „Vorlesungen“. (Ja, die Uni hinkt didaktisch schon lange hinterher; und vielleicht gibts an der Uni tatsächlich, trotz elektronischer Medien, noch Situationen, wo eine Vorlesung Sinn hat. Mag sein.) Aber das gibt es nicht mehr an den Schulen. Nicht in der Volksschule, nicht in der Sekundarstufe I (der Neuen Mittelschule oder der Gymnasiumsunterstufe) und auch nicht in der Sekundarstufe II (der „Oberstufe“).

Frau Minister Hammerschmid: ich bin höchst irritiert!


PS: Ministerin Hammerschmid hat schnell Stellung bezogen. Sie können die Stellungnahme der Ministerin als Kommentar lesen!

 

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