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Welche „Innovationen“?

Am 9.1. trafen in der Zeit im Bild 2 des ORF bei Armin Wolf Klimaaktivistin Martha Krumpeck und ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm aufeinander. Ich habe das damals ausführlich kommentiert und sogar ein Transkript des Gesprächs zwischen Wolf, Krumpeck und Plakolm vorgelegt. Man kann das nachlesen.

Ich habe gestern ein ausgezeichnet gemachtes Video des Momentum Instituts gefunden, das eine Textpassage Plakolms aus dem Interview sehr genau hinterfragt.

Es geht um folgendes statement der Frau Staatssekretärin:

Na es san ja grad sehr sehr viele junge Menschen, die sich eigentlich genau aufgrund dieser Aktionen kopfschüttelnd von diesen Bewegungen abwenden. [1] Und es waren grad junge Menschen in den letzten Jahren, die des Thema Klimaschutz auch groß gemacht haben, [2] für alle GenerationenUnd deswegen ist es schade, dass aufgrund dieser Klimakleberei – ja – kein einziger Millimeter eigentlich damit erreicht wird, [3] wenn ma eigentlich damit das Gegenteil versucht zu erreichen, nämlich dass man Menschen gewinnen kann für mehr Klimaschutz zu leben. [4] Denn man muss ja schlussendlich alle mitnehmen. [5] Und in Österreich müssen wir uns definitiv ned verstecken was Maßnahmen für den Klimaschutz betrifft. [6] Wir haben grade in den letzten Jahren sehr sehr viele Errungenschaften erreichen können. [7] Ob des die ökosoziale Steuerreform ist, wo CO2 auch einen Preis bekommen hat, [8] ob des das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz istWir haben ein eigenes Kapitel im Regierungsprogramm, [9] wo auch noch einiges in der Pipeline sein wird. [10] Und i bin der Meinung, dass ma weniger mit Verboten arbeiten sollten, [11] sondern viel mehr mit Innovationen, Forschung nach Österreich holen müssen. [12] Weil des is auch am Ende des Tages des, wofür Österreich international Vorreiter sein kann. [13] Miar san nur für 0,2 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. [14] Aber ganz im Gegenteil, wir setzen auf Klimaschutz, wir setzen auf Klimaschutz mit Innovationen. [15] Und genau deswegen können sie, diese großen Global Player, auch einiges von Österreich abschauen, [16] weil damit auch Wohlstand und Wirtschaftswachstum gesichert wird. [17]

Diese Passage dauert im Original 78 Sekunden; Momentum stoppt Plakolm insgesamt 17 mal und stellt ihre Aussagen der Realität gegenüber; ich habe die „Pausen“ im Transkript mit Marken in eckigen Klammern verzeichnet.

Es ist in Summe einfach schier unglaublich, wie sehr sich eine scheinbare „Zukunftshoffnung“ der ÖVP innerhalb von 78 Sekunden zu 17 Unwahrheiten und / oder Irrtümern und / oder Täuschungsmanövern hinreißen lässt. Peinlichst!

Innovationen?

Ich möchte hier auf ein spezielles Argument, geradezu ein Kernargument Plakolms eingehen, das in dieser Passage 2 mal angesprochen wird: Plakolm verspricht in den Textstellen [12] und [15] „Innovationen“ im Klimaschutz: Innovationen statt konkrete Maßnahmen, die z.B. Krumpeck gefordert hatte. (Ich habe Plakolm deshalb vorgestern auch schon die schmückende Bezeichnung Stattssekretärin verliehen.) Allerdings vermeidet Plakolm eine Erklärung, welche Innovationen sie meint. Das macht die Sache etwas schwierig.

Aber ich habe einen Verdacht. Plakolm will sich vermutlich denen anschließen, die den Verbrennungsmotor retten wollen und deshalb auf sogenannte E-Fuels setzen oder die Wasserstoff in Brennstoffzellen als Antriebsmittel wollen. Man findet die in Deutschland v.a. in der FDP und beim ADAC, in Österreich z.B. auch beim ÖAMTC – und eben in der ÖVP.

E-Fuels?

E-Fuels sind synthetische Kohlenwasserstoffe; Kraftstoffe, die mit erheblichem Stromverbrauch aus Wasser und CO2 hergestellt werden. Sie haben eine sehr geringe Energieeffizienz, weil zu ihrer Herstellung sehr viel Energie verbraucht wird. Ob sie klimaneutral sind, hängt darüber hinaus davon ab, welcher Art das verwendete CO2 ist. Wenn dieses CO2 aus fossilen Brennstoffen stammt (Gas, Öl) und also zusätzlich in die Atmosphäre emittiert wird, verschlechtert sich die Klimabilanz dieser Treibstoffe deutlich; wenn das CO2 aus der Luft oder aus Biomasse entnommen wird, könnte die Produktion klimaneutral werden. Es gilt aber:

Die Verbrennung der E-Kraftstoffe erzeugt grundsätzlich ebenso viel umweltschädliche Abgase wie normale Kraftstoffe, jedoch ist eine geringere Rußfreisetzung möglich. Stickoxide, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe werden jedoch bei Verbrennung in nahezu identischen Mengen wie bei vergleichbaren Treibstoffen aus Erdöl oder Biomasse freigesetzt, […]

Was ist dann aber die wirkliche „Innovation“? Sie besteht offenbar darin, die Technologie von Verbrennungsmotoren länger am Leben zu erhalten. Deshalb setzen sich ADAC, ÖAMTC und die Autokonzerne für E-Fuels ein.

Ein Windkraftwerk mit 3 MW 2.000 Stunden pro Jahr kann 1.600 Elektro-Kleinwagen mit eine Fahrleistung von 20.000 km pro Jahr versorgen. Bei E-Fuels sind das nur 250 solcher Wagen – so ineffzient ist diese Technologie. Wir müssten sehr viel mehr Strom produzieren, um Autos statt als Elektroautos mit E-Fuels zu betreiben.

Ist das die „Innovation“, die Plakolm versprechen will?

Wasserstoff als Treibstoff?

Ich kann mir aber vorstellen, dass Plakolm den Wasserstoff als Treibstoff meint. Immerhin könnte die oben zitierte Windanlage 600 Kleinwagen mit sogenannten „Brennstoffzellen“ ein Jahr fahren lassen: also viel mehr als mit E-Fuels, aber immer noch deutlich weniger als die 1.600 „normalen“ Elektroautos.

Wenn das so ist, möchte ich der Frau Stattssekretärin empfehlen, einmal das Wasserstoff-Dossier des österreichischen Klimafonds zu konsultieren. Mit seiner gv.at-Adresse ist das ja fast ein staatliches paper. Es macht Hoffnung, indem es am Anfang und am Ende science-fiction-Autor Jules Verne zitiert; es holt auf den Boden der Realität, indem es zwischen den Verne-Zitaten ungelöste Probleme der Wasserstoff-Technologie anführt. Und das sind einige und gravierende: „Aufwendige & kostenintensive Herstellung“; die „Speicherung von Wasserstoff [sei] technisch und wirtschaftlich herausfordernd“. Man kann Wasserstoff lagern: entweder unter hohem Druck oder extrem gekühlt – das heißt hier -253° C: und das kostet beides viel Energie.

Jetzt sind ungelöste Probleme nicht unbedingt unlösbare Probleme. Vielleicht gelingt es der Ingenieurskunst, Wasserstoff tatsächlich zur Problemlösung zu entwickeln. Aber nicht heute und morgen; das braucht noch Zeit. Und die haben wir nicht mehr; wir brauchen Lösungen jetzt.

(Auch die Innovation Kernfusion könnte eine „Lösung“ werden. Aber auch die braucht noch sehr viel Zeit.)

Illusion als Treibstoff?

Ich kann mir aber auch vorstellen, dass Plakolm weder E-Fuels noch Wasserstoff (noch Kernfusion) als Ersatz für fossile Treibstoffe meint. Sondern dass es einfach um das Schlagwort „Innovation“ geht – wie immer diese auch aussieht. Das wäre dann sozusagen der Treibstoff „Illusion“ – im Video des Momentum Instituts nennt sich das in Teil 12 „Wundertechnologie“ bzw. „Politikversagen“. Illusionen gibt es, aber nicht als Treibstoff; aber man kann in Diskussionen mit ihnen glänzen – glaubt Frau Plakolm oder hat man ihr weisgemacht.

Sukkus

Kehren wir zurück zum simplen, einfachen Tempo 100. Es geht nicht um „Innovationen statt Tempo 100″, es geht um „Innovationen und Tempo 100 und weitere Maßnahmen“, Frau Staats-/Statts-Sekretärin. Es geht um echte Einsparungen bei der Verbrennung: jetzt!


Lit.: Die Wahrheit über E-Fuels. Ein interessantes Video zu E-Fuels, auch zu Wasserstoff, mit Prof. Maximilian Fichtner, Leiter des Helmholtz-Instituts in Ulm.
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[…] könnten auf E-Fuels, auf „grünen Wasserstoff“ als Treibstoffe ausweichen, wir können auf die Kernfusion […]