Am Sonntag, 15.3., bei „Im Zentrum“, wird eine eindrückliche Grafik vorgestellt:
(Quelle: ORF, „Im Zentrum“, 15.3.2020)
Die Grafik demonstriert eindrücklich die Zielrichtung der Bundesregierung: die Coronavirus-Infektion dämpfen und strecken, damit sie durch das Gesundheitssystem auch wirklich gemanagt werden kann. Ja: die Strategie ist vernünftig.
Aber sind auch die hier gezeigten Zahlen vernünftig? Ist es denkbar, dass in Österreich 2 Millionen an Coronavirus erkranken? Fast ein Viertel, mehr als 20% der Bevölkerung?! Oder „nur“ 1,2 Millionen? Oder „bloß“ 360.000? Wir wissen über die Prävalenz des Virus noch nicht viel. Aber wir haben Vergleichsdaten.
China
In China gibt es etwa 1,4 Milliarden ChinesInnen. Wie viele von ihnen sind an Coronavirus erkrankt? Die statistischen Daten aus China sind nicht absolut vertrauenswürdig, aber einigermaßen glaubwürdig sind bis jetzt ca. 81.000 erkrankt und es kommen nur mehr sehr wenige dazu. Für China sind die 81.000 „ein Klacks“: eine statistische Null. Sogar dann, wenn die wirkliche Anzahl doppelt so hoch wäre.
Aber wir wissen ja, dass sich die chinesischen Fälle um die Millionenstadt Wuhan in der Provinz Hubei konzentrieren. Hubei hat ca. 57 Millionen Einwohner: da beträgt die Anzahl der Infizierten (wenn wir alle aus China auf Hubei beziehen) gerade einmal 0,14%, nicht ganz 1,5‰.
Südkorea
In Südkorea sind von ca. 52 Millionen Menschen derzeit 8.236 erkrankt; das sind ca. 0,016% der Bevölkerung oder 0,16‰. Das Wachstum ist noch nicht abgeschlossen, aber es geht bereits gegen 0. Das südkoreanische Coronaviruswachstum ist fast schon ein exaktes logistisches:
[Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Epidemie_in_S%C3%BCdkorea; nach Daten des KCDC]
Südkorea hat sehr schnell und sehr konsequent und rigide gehandelt; das ist bekannt.
Europa
Die europäischen Daten sind noch nicht stabil, die sind noch im Wachstum begriffen. Das sind noch keine Endergebnisse.
Italien
Die Lombardei hat ca. 10 Millionen Einwohner und verzeichnet derzeit ca. 11.000 Infizierte. Gegenüber den asiatischen Ländern ist das ein sehr hoher Anteil an Erkrankten von 0,1% oder 1‰. Und der Anteil wächst noch; er wächst bereits langsamer, aber er wächst. Das könnten schon noch 2‰ werden – und das macht natürlich schreckliche Probleme, wenn die an sich viel zu wenigen Intensivbetten knapp werden.
Das Piemont hat gute 4 Millionen Einwohner und derzeit ca. 1.500 Infizierte, das sind ca. 0,034% oder 0,34‰. Da sieht es bei Weitem nicht so schlimm aus wie in der Lombardei. Auch hier wachsen die Werte noch, aber auch hier hat sich das Wachstum schon verlangsamt. Kann schon sein, dass am Schluss 1‰ herauskommt.
Außerdem, und das macht die Verhältnisse in Italien besonders dramatisch, ist die Sterberate in Italien bedeutend höher als in den meisten anderen Ländern. Italien hat offensichtlich den Beginn der Krise in seinem Land entsetzlich verschlafen und ist nur höchst ungenügend ausgerüstet.
Deutschland, Niederlande
Deutschland hat ca. 83 Millionen Einwohner und derzeit etwas mehr als 6.000 Coronavirus-Infektionen, Tendenz steigend. Derzeit sind ca. 0,007% oder 0,07‰ der Deutschen infiziert. 1‰ kann das m.E. unmöglich werden – und wenn die Kanzlerin Merkel befürchtet, dass „60 bis 70% der Deutschen“ erkranken könnten, liegt das weit jenseits des Denkbaren. Hier sprach die Bundeskanzlerin als Propagandistin einschneidender Maßnahmen.
Ganz ähnlich liegen die Niederländer bei ca. 17 Millionnen Einwohnern und ca. 1.100 Infizierten, ebenfalls ca. 0,007% oder 0,07‰, ebenfalls Tendenz noch steigend. Aber auch hier: 1‰ kann das m.E. unmöglich werden.
Und Österreich?
Österreich liegt mit knapp 9 Millionen Einwohnern und heute 1.332 Infektionen derzeit bei ca. 0,015% oder 0,15‰. Das Wachstum hat sich schon ein bisschen eingebremst. Bei viel Pech kann vielleicht 1‰ als Gesamtergebnis aller Infektionen herauskommen. Das wären letztlich ca. 8.900 Erkrankte.
Aber nie im Leben 2 Millionen, 1,2 Millionen oder 360.000. Die Zahlen sind zur Abschreckung gedacht und so funktionieren sie auch.
Nur in Tirol ist es ein bisschen anders. Als Opfer auf dem Altar der Tourismuswirtschaft hat es Tirol mit etwa 750.000 Einwohnern und knapp 400 Infektionen jetzt schon auf gut ein halbes Promille an Infizierten gebracht. Der Promillespiegel in Ischgl war aber sicher deutlich höher.
Was tun?
Die österreichische Regierung stellt sich – das unterstelle ich hier – insgeheim auf maximal 10.000 erkannte Coronavirus-Infektionen ein. Das wär schon mehr als 1‰ der Bevölkerung, also schon „pessimistisch“. Von denen werden ca. 80% mild / leicht verlaufen und max. 2.000 brauchen also ernsthafte ärztliche Betreuung, einige davon, vor allem Menschen mit Vorerkrankungen, sogar ein Intensivbett im Krankenhaus. Gut 2.500 Intensivbetten gibt es; ca. 500 stehen in etwa zur Verfügung: es geht darum, das gut zu planen und zu verteilen.
[Quelle: ORF, „Im Zentrum“, 15.3.2020]
Ja, es war richtig, mit abschreckenden Zahlen vorauszuplanen. Man konnte sich dabei der lombardischen Entgleisung bedienen. Die momentan gegebenen Zahlen lassen sich sehr gut als Teil eines logistischen Wachstums mit Grenze irgendwo zwischen 7.000 und 10.000 modellieren. Anfang April hätten wir das erreicht:
Aber es geht nun auch darum, das Herunterfahren hinunterzufahren. Diese Woche würde ich noch „durchziehen“, aber ab der nächsten sollte es schrittweise um die allmähliche Wiederherstellung sozialer Strukturen gehen. Ja, es gibt eine Corona-Krise, es gibt aber auch eine Klimakrise, eine Flüchtlingskrise, eine Armutskrise, eine Bildungskrise. Vergessen wir die nicht.
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