Veröffentlicht in Bildung, Politik

Wien schafft eine Whistleblower-Plattform

Die Stadt Wien – erfahre ich heute in verschiedenen Medien: Standard, ORF, … – schafft eine „Whistleblower-Plattform“. Mit der könne man „anonym Hinweise auf Korruption bzw. Amtsmissbrauch melden“.

Toll, finde ich; zunächst. Endlich geht jemand gegen Korruption und Amtsmissbrauch vor. Anonym kann man Korruptionisten und Amtsmissbräuchler melden. Der Wiener Bürgermeister Ludwig ist zwar sparsam in der Begriffsbildung: er spricht nur von einem „Wiener Hinweisgeber-System“.

Definitionen

Was ist ein Whistleblower? Laut Wikipedia „eine Person, die für die Allgemeinheit wichtige Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang an die Öffentlichkeit bringt.“ Ja: das will Wien; mindestens so ähnlich. Es gibt berühmte Whistleblower: vielleicht der berühmteste ist derzeit Edward Snowden, der von den USA immer noch als Verbrecher gesucht wird, obwohl er schon für den Friedensnobelpreis nominiert war. Ähnlich Wikileaks-Gründer Julian Assange. Wir verdanken diesen Menschen viel.

Aber dann fällt mir ein Spruch ein: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“. Ich finde den genauen Wortlaut auf einer Seite von erinnern.at, die sich mit Denunziation in der NS-Zeit beschäftigt. Der Spruch ist von Hoffmann von Fallersleben, der auch den Text der deutschen Hymne („Deutschland über alles“) gedichtet hat.

Was ist ein Denunziant? Wieder Wikipedia: „Der Denunziant erstattet somit gegenüber einer der denunzierten Person übergeordneten Institution Anzeige. Die Denunziation kann dabei anonym geschehen, insbesondere dann, wenn der Denunziant ein Interesse daran hat, dass die von ihm denunzierte Person, Institution oder Gruppe nicht erfahren soll, wer hinter der Anzeige steckt.“

Was ist der Unterschied?

Was ist der Unterschied? Die Whistleblowerin bringt Geheimes an die Öffentlichkeit; die Denunziantin erstattet – durchaus auch über „Geheimes“ – bei der Behörde Anzeige. Die Whistleblowerin arbeitet aus edlen Motiven gegen eine Behörde; die Denunziantin arbeitet mit einer Behörde aus niederen Motiven gegen einen Privatmenschen. Oder so ähnlich.

Die Motive sind verschieden; die Stellung zur Behörde ist verschieden.

Jetzt könnte ich mir vorstellen, dass je nach Wertung der Motive eine Person als Whistleblower oder als Denunziant gesehen werden kann. Für viele Menschen (v.a.) außerhalb der USA sind Snowden und Assange Whistleblower und als solche Helden. Für die offiziellen USA sind ihre Motive verbrecherisch; Helden sind sie ganz und gar nicht: nicht unter Obama, nicht unter Trump, nicht unter Biden. Denunzianten haben Antifaschisten (oder einfach nur Nicht-Nazis) an die Nazi-Schergen verraten. Aus der Sicht der Schergen wären sie wohl „Pfeifenbläser“ gewesen.

Was will Wien?

Was will Wien? Will Wien Whistleblower? Oder Denunzianten? Wer prüft, wie „edel“ die Motive sind? (Naja: gegen vermutete Korruption und vermeintlichen Amtsmissbrauch ist doch immer „edel“?) Arbeiten die „Wiener Whistleblower“ gegen staatliche Institutionen oder mit ihnen?

Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob das „Wiener Hinweisgeber-System“ gar so super ist.

Was wäre die Lösung? Vielleicht: Zivilcourage?

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