Veröffentlicht in Bildung, Politik

Kurz & Sobotka spitzen zu

Es ist mühsam, ermüdend und eigentlich nichts Neues: der Außen- und der Innenminister arbeiten der Polarisierung in die Hände. Die Polarisierung aber hilft den Extremen: dem faschistoiden Überwachungsstaat und dem djihadistischen Terrorismus. Für mich Pest und Cholera.

Außenminister Kurz (ÖVP) hat ein Verbot des Kopftuchs im öffentlichen Dienst gefordert. Nicht der Burka oder des Niqab, sondern eines normalen Kopftuchs!

Innenminister Sobotka (ÖVP) fordert eine lückenlose Überwachung durch Vernetzung privater Überwachungskameras und (z.B.) durch „vorbeugend“ verordnete Fußfesseln!

Das Kopftuch

Das Kopftuch (der Hijab) ist kein Sicherheitsrisiko. Es wird nicht nur von Musliminnen getragen. Ja, ich will als Lehrer auch das Gesicht meiner Studierenden sehen. Das ist für mich didaktisch nötig; ich habe das hier im Blog auch schon begründet. Aber wenn ich alle Studierenden aus meinen Klassen scheuchen muss, die ein Kopftuch, eine Baseballmütze oder eine irgendeine andere Kappe oder Mütze tragen, wird die Klasse schnell leer. So ein Verbot ist bildungsfeindlich.

Bildung wäre die Alternative zu „Pest und Cholera“.

Ja, ich halte Burka und Niqab (und Motorradhelme und Sonnenbrillen und Handys mit Ohrenstöpseln) im Unterricht (und in anderen öffentlichen Situationen) für nicht akzeptabel. Und ich kann mich an junge Frauen erinnern, die den Unterricht immer völlig unverschleiert besucht haben, aber zur Matura (die außerdem im Ramadan war) mit einem Pracht-Kopftuch erschienen sind. Kurz will das verbieten? Wozu? Wenn das Gesicht frei ist (und der Rest des Körpers ausreichend bedeckt), hat der Staat seine Eingriffsrechte verloren.

Die Überwachung

Die Vision von der totalen Überwachung ist von der Illusion gefüttert, dass alles kontrollierbar sei. Das ist nur mit technischen Mitteln möglich. Nicht einmal die Stasi der ehemaligen DDR schaffte mit viel Personal die totale Überwachung. Aber mit moderner Datenverarbeitung könnte man der Sache näher kommen. Computerpionier Joseph Weizenbaum hat das schon 1977 in seinem Buch „Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“ (engl.: Computer Power and Human Reason. From Judgement to Calculation) vorausgesagt. Wollen wir immer und überall überwacht werden? Wollen wir die EDV-unterstützte Stasi? Wollen wir die Ohnmacht der Vernunft? calculation statt judgement?

Die Fußfessel ist ein Ersatz für eine Gefängnisstrafe. Akzeptieren wir diese Art Gefängnis ohne Verurteilung, auf bloßen Verdacht hin? Wo endet das?

Bildung ist die Alternative.

Warum?

Mir ist schon klar, was Kurz und Sobotka wollen. Sie wollen beim Angstmachen vor „dem Fremden“, „dem Anderen“ miternten. Sie wollen die Xenophobie nicht nur der FPÖ überlassen.

Jeder djihadistische Terrorist bedroht uns zweifach: durch Attentate und – viel schlimmer, weil umfassend: – indem er Politikern wie Kurz und Sobotka und dem Abbau einer gebildeten, liberalen Demokratie in die Hände arbeitet. Das ist aber das, was der verblendete Djihadismus wirklich will. Kurz und Sobotka gehen ihm auf den Leim. (Hofer, Strache, Le Pen, Trump usw. und die Menschen, die sie wählen, auch.)

Die Alternative ist Bildung. Für alle.


Quellen:

diepresse.com/home/politik/innenpolitik/5150127/Kurz-fuer-Kopftuchverbot-im-oeffentlichen-Dienst

www.heise.de/newsticker/meldung/Oesterreichs-Innenminister-fordert-lueckenlose-Ueberwachung-3589540.html

derstandard.at/2000050236705/Sobotka-will-Lauschangriff-Fussfessel-fuer-Verdaechtige-und-vernetzte-Videokontrolle


Lesetipps:

George Orwell: 1984.

Joseph Weizenbaum: Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft.

Beides wieder zunehmend aktuell.

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