Veröffentlicht in Privates, Bildung, Politik

Eine Diskussion zu Abrahamitischem

Vorspann, Zusammenfassung

Ich habe in den letzten Wochen einen großen Teil der ungeheuren Probleme in Israel / Palästina in den beiden grundlegenden abrahamatischen Religionen Judentum und Islam verortet. Die beiden Religionen erklären sicher nicht die gesamte Problematik, aber aus meiner Sicht bilden sie auf beiden Seiten einen relevanten Teil des ideologischen Hintergrunds, vor dem blutige Schlachten geführt werden.

11.10.: An eye…

13.10.: Geht Israel in die Falle?

15.10.: Eine Sinnfrage

19.10.: Gewalt „nicht religiöser Natur“?

21.10.: Nicht alle! Viele nicht!

21.10.: Muslimischer Antisemitismus

31.10.: Ich verstehe es nicht

Das Grundproblem aus meiner Sicht: Beide Religionen, Judentum und Islam, predigen den Grundsatz „Aug um Aug“ (früheste Stelle: 2. Mose 21; 24). Dieser Grundsatz hetzt Menschen auf beiden Seiten in einen ewigen Strudel von Rache und wieder Rache. Er wirkt auf beiden Seiten heute noch und wird von den Ideologen beider Seiten benützt und bewusst eingesetzt.

Das Judentum stammt aus der Bronzezeit; insofern ist der Grundsatz „Aug um Aug“ bronzezeitlich; er wird im frühmittelalterlichen Islam und seiner Rechtslehre, der Scharia, aber wieder aufgenommen. Wir müssen uns mit bronzezeitlich-frühmittelalterlichen Ideologemen auseinander setzen.

Martin Luther King hat das Prinzip durchschaut und es aufgelöst:

An eye for an eye makes the whole world blind.

(Manche schreiben den Satz auch Gandhi zu. Ich habe recherchiert: ich glaube, es war King. Aber egal. Es gibt von beiden ähnliche Formulierungen.)

Beide Religionen, Judentum und Islam, sind „abrahamitisch“; sie beziehen sich auf den gemeinsamen „Stammvater“ – was immer das ist – Abraham. Auch das Christentum wäre abrahamitisch, und auch unter dem Zeichen des Christentums hat man unter der Devise „Aug um Aug“ Millionen Menschen ermordet: Indianer, Hexen, Muslime, Juden … Es formuliert aber an sich eine radikal abweichende Regel (Mt 5,38-5,42):

Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn.
Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.
Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel.
Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.
Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.

Wie gesagt: die Praxis des Christentums war über Jahrhunderte völlig anders; aber Martin Luther King hat offenbar aus einer christlichen Sicht das bronzezeitlich-frühmittelalterliche Ideologem entzaubert.

Die Diskussion

Eine gute Freundin, im „heiligen Land Tirol“ geboren, aber doch deutlich darüber hinausgewachsen, schreibt mir:

ja, den artikel [gemeint ist „Gewalt nicht religiöser Natur?“] hatte ich auch schon gelesen. schade, dass von den herren keine antwort kam. du nennst den dschihad als beispiel, gutes beispiel. ein in meinem sinne verstandener wahrhaft religiöser mensch versteht den dschihad als den kampf mit sich selbst, das suchen, den versuch, ein besserer mensch zu sein, den kampf gegen eigene böse anteile, um sich so allah zu nähern. ein religiöser fanatiker missbraucht den ansatz und „interpretiert“ (wie du ja schreibst) den begriff in einem sinne, der seinen gewaltphantasien die realisierung rechtfertigt. so sehe ich das zumindest. und ich habe mit einigen muslimen über den begriff schon diskutiert. es sind wirklich viele, wie du in einem anderen artikel eh sagst, die auch diesen begriff im nach unseren werten vielleicht guten sinne verstehen

Ja, das stimmt. Zum Begriff „Dschihad“ gibt es sehr widersprüchliche Erklärungen: friedliche und brutale.

Ich habe geantwortet:

ein in unserem sinne wahrhaft religiöser mensch bringt keine anderen um, schon gar nicht bestialisch. aber im bereich der abrahamitischen religionen gibts halt viele (in unserem sinn nicht wahrhaft religiöse) menschen, die sich religiös im recht fühlen. das ist m.e. der gewalttätige urgrund des bronzezeitlichen abrahams, der auch bereit sein sollte, seinen sohn zu opfern – bis ins frühe mittelalter! da kann doch nix gscheites herauskommen; da müssten imame und rabbis en masse aufstehen und laut (laut!!!) erklären, dass gewalt nicht geht, auch nicht als rache.
das judentum und der islam haben den vorteil & den nachteil, dass es keine zentralen bedeutungshoheiten („päpste“) gibt und (nur leicht übertrieben:) jeder dahergelaufene schriftgelehrte seine fatwas verdonnern kann, die dann noch jahre später dazu führen, dass ein schriftsteller bei einer lesung überfallen und erstochen wird.
die einzige religion, die ich halbwegs ernst nehmen könnte, wäre ein abgeklärter buddhismus, der auf zungenküsse mit knaben verzichtet.

Ja, ich bin ein areligiöser Mensch, ein Atheist und / oder Agnostiker; ich sehe in den Religionen vor allem Probleme, Widersprüche, Irreleitungen, Irr- und Wahnsinn; bronzezeitlich oder frühmittelalterlich. Die abrahamitischen Religionen haben eine brutale, gewalttätige Basisideologie, die leider heute noch wirkt.

Einladung

Ich lade herzlich dazu ein, diese Diskussion weiterzuführen und zu vertiefen. Man kann unten dazuschreiben. Ich brauche die Angabe eines Namens – das kann auch ein Pseudonym sein – und einer Mail-Adresse – die wird nicht veröffentlicht. Ich gebe alle postings frei, die sich an vernünftige Umgangsformen halten; das waren bisher noch alle. (Ein posting nicht: das war in chinesischen Schriftzeichen.)

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