Veröffentlicht in allgemein, Bildung, Politik

An eye…

… for an eye will make the whole world blind

Ein uraltes Prinzip

„Aug um Aug, Zahn um Zahn“ – das ist ein Grundsatz des Alten Testaments oder der Torah (Exodus; 2. Mose 21,24). Auch im Koran, im islamischen Recht (der „Scharia“) gilt das Prinzip. Das eint die beiden (neben dem Christentum) abrahamitischen Religionen: die frühe und die späte. Die mittlere (das Christentum) war auch davon betroffen, hat aber neue Wege gefunden.

Ein sehr aufgeklärter Gegenentwurf wird oft Gandhi zugeschrieben, stammt aber vermutlich von Martin Luther King:

An Eye for an Eye Will Make the Whole World Blind

Übersetzt und vervollständigt: „Aug um Aug macht die Menschheit blind, Zahn um Zahn macht sie zahnlos.“

Und heute?

In Israel / Palästina würde es heute gerade darum gehen, nicht nach dem Prinzip „Aug um Aug“ zu handeln. Die Hamas scheint – wenn entsprechende Nachrichten stimmen – in einer ungeheuren Brutalität vorzugehen, die an den sog. „Islamischen Staat“ erinnert: Morde (auch an Kindern), Folterungen, öffentlich dokumentierte Hinrichtungen. Beide, Islamischer Staat und radikal-islamistische Hamas, tun damit dem Islam, der sich an sich gern als „Religion des Friedens“ versteht, nichts Gutes. Das ist reiner Terror; durch nichts zu rechtfertigen.

Auf beiden Seiten hat es offenbar schon jeweils ca. 1.000 Tote gegeben; nun hat Israel beschlossen, den Gaza-Streifen, in dem die Hamas die politisch dominierende Organisation ist, auszuhungern: wörtlich und im übertragenen Sinn. Der Standard berichtet:

Eine „komplette Blockade“ des Gazastreifens hatte Israels Verteidigungsminister Joav Gallant am Montag verordnet. Zwei Tage nach dem brutalen Überfall der Hamas auf den Süden Israels erklärte Gallant, es reiche nicht, die Hamas im Gazastreifen bloß aus der Luft und vom Meer aus anzugreifen. Man müsse auch die Versorgung abwürgen. „Es wird keinen Strom geben, keine Nahrung, keinen Treibstoff – alles ist abgedreht“, verkündete Gallant.

Und:

Es sind menschliche Tiere, gegen die wir kämpfen – und genauso behandeln wir sie.

Das ist eines modernen Staates unwürdig. Und vor allem: es wird die Hamas nicht zerstören, sondern es sichert der Hamas den Nachwuchs für Generationen. Jeder 12-, 13-, 14-, 15-jährige, der heute die Eltern, die Geschwister, sein Zuhause verliert, wird sich der Frage stellen müssen, ob er „Kämpfer“ werden soll. Und viele, die in ihrer Lebensplanung keine Chancen erkennen, werden sich dafür entscheiden.

Überhaupt: der Gaza-Streifen. Ca. 40 km lang, ca. 9 km breit, ca. 360 km² groß; überfüllt mit ca. 2,3 Millionen Menschen. Zum Großteil Wüste; infrastrukturell völlig abhängig von Israel. Ja, Israel kann da 2 Millionen dicht gepfercht lebende Menschen aushungern. Das wäre ein Staatsverbrechen – das sieht auch die UNO so, aber es entspricht dem „Aug um Aug“.

Was wäre zu tun?

Ich weiß, dass das leider unrealistisch ist: Aber die beiden Kriegsparteien sind ungleich: die eine ist ein etablierter Staat, die andere für viele bloß eine „Terrororganisation“ (obwohl das m.E. zu kurz greift). Von einem Staat müsste man mehr Weisheit erwarten dürfen. Es geht um eine Rückkehr zum Völkerrecht. Es geht um eine sichere Existenz des Staates Israel und um Bildung, Gesundheit und Wohlstand für alle Bewohner*innen von Palästina / Israel. Es geht z.B. um die Einstellung und Rücknahme völkerrechtswidriger Siedlungspolitik; es geht um die gegenseitige Respektierung von Grenzen und individuellen Rechten. Als erstes Ziel muss das wohl heißen: zwei Staaten: Israel und Palästina.

Das würde der Hamas den Boden entziehen – und der Hisbollah ebenfalls. Und den israelischen Scharfmachern auch. Das wäre ein Schritt aus dem Teufelskreis.

Der Teufelskreis wird befeuert durch die beiden abrahamitischen Religionen, die das Prinzip „Aug um Aug“ lehren: Judentum und Islam. Dorther kommt ein großer Teil des Gifts, das viele Kämpfer*innen durchsetzt und permanent neue Rache und neue Feindschaften kreiert. Es geht dabei nicht um „Rassismus“: beide – Israelis und Palästinenser, Juden und Moslems – verstehen sich als Nachkommen Abrahams und sind als solche (sozusagen) „Semiten“ – was immer das heute noch bedeuten soll.

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