michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Wieviel Optimismus verträgt der Klimawandel?

Knapp daneben

Beinahe wäre ich in die Situation gekommen, vor 6-jährigen Volksschulkindern über den Klimawandel sprechen zu müssen – ich habe berichtet. Noch hat der workshop nicht stattgefunden, und das Thema ist nicht der Klimawandel. Mal sehen …

Aber wie viel Ehrlichkeit und wie viel Optimismus dürfte ich den 6-jährigen mitbringen? Darf / soll / muss ich ihnen reinen Wein einschenken? Ich selbst halte (mit der großen Mehrheit der Wissenschaftler*innen) das 1,5-Grad-Ziel aus Paris 2015 nicht mehr für erreichbar; wir gehen auf eine Klimaüberhitzung von 2 Grad oder mehr zu; und die heutigen Kinder und Jugendlichen werden die Folgen voll abkriegen. (Außer es passiert etwas Großartiges. Nein, nicht E-Fuels, nicht „grüner“ Wasserstoff kann das sein. Nur ein gravierender Durchbruch im Bereich Kernfusion käme da in Frage.)

Kein „Weltuntergang“

Ich bin mir sehr sicher, dass sich heutige Kinder auf „Krisen über Krisen“ einstellen müssen. Nein, der Planet wird nicht „untergehen“; es wird kein „Weltuntergang“ wie in der Apokalypse, aber die Biosphäre wird – im wahrsten Sinn – unmenschlich werden, weil wir und unsere Politiker – vor allem die im Norden, also unsere – das nicht und nicht auf die Reihe kriegen.

Ich habe mir bereits erzählen lassen müssen, dass der 6-jährige von Freunden nach dem Sinn von Hausaufgaben und Schule überhaupt gefragt, „wenn eh alles untergeht“.

Optimismus? Woher? Wozu?

Ich müsste also wenigstens ein bisschen Optimismus mitbringen. Ein paar Monate geht es noch: „wir können es noch schaffen“. Ich kann den Kindern sagen, dass da kein Weltuntergang kommt – nur Krisen über Krisen, und das haben wir ja heute schon. Ich kann ihnen sagen, dass beim Klimawandel jedes Zehntelgrad zählt: 1,7° Erwärmung ist nicht „gut“, aber „besser“ als 1,8°. Wir können um die Zukunft kämpfen. Wir können es als einzelne, als Individuen, aber wir müssen es auch gemeinsam, als „Gesellschaft“, mit demokratisch beschlossenen Gesetzen.

Das Wozu des Optimismus ist klar: damit auch Kinder und Jugendliche an eine Zukunft glauben können. Und wenn die Zukunft halt nicht so kommt, wie ich oder irgendein Politiker sie aufzeichnet, dann haben wir uns halt geirrt, sind aber schon lange nicht mehr verantwortlich. Wer kann uns in 20 Jahren für falsche Versprechungen klagen? Niemand.

glaubwürdig?

Ich weiß nicht, wie glaubwürdig ich im Bereich Optimismus sein kann. Realismus wäre wichtig, aber im Klimawandel ist derzeit – in Anbetracht unserer politischen Kaste – Realismus das gleiche wie Pessimismus.

Ich könnte natürlich die Kernfusion als Hoffnungsobjekt aufblasen. Da weiß niemand, wann ein Durchbruch von Forschungsreaktoren zu marktfähigen Reaktoren gelingt. Man sagt seit Jahrzehnten, dass es bis zur Marktfähigkeit der Fusion „noch 30 Jahre“ dauert. Aber mit der Fusion von Wasserstoff zu Helium hätten wir irre viel Strom ohne gefährliche Abfälle und könnten damit massiv und CO2-neutral Brennstoffe wie E-Fuels oder „grünen“ Wasserstoff erzeugen.

Kann ich den Kindern sagen, dass wir das auch mit Photovoltaik und Windkraft schaffen können? Ja, kann ich. Aber nur mit großen, viel größeren Anstrengungen als wir sie derzeit aufbringen.

Ich weiß nicht, wie viel Glaubwürdigkeit ich beim Optimismus schaffen würde.


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